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Rumänien: Die neuen EU-Waisenkinder

Meldung vom 02.09.2009

In Rumänien wächst derzeit eine elternlose Generation auf. Viele Kinder werden bei Großeltern, entfernten Verwandten oder Nachbarn in Obhut gegeben, weil die Eltern Jobs im Ausland angenommen haben. Oft bleiben sie für Jahre weg und können ihre Kinder nicht mitnehmen.

Ihre Stimme ist da. Sie erfüllt die Küche und für einen Moment könnte man denken, die Mutter wäre anwesend. „Alles in Ordnung?“ Marius hat das Mobiltelefon auf laut gestellt und beugt sich darüber. „Klar, Mami.“ Einmal am Tag, meistens gegen 20 Uhr, kann der 12-Jährige mit seiner Mutter telefonieren, die in Italien lebt. Wenige Minuten nur, daraus bezieht Marius allen Trost, alle Liebe und Hoffnung, die er für seinen Tag benötigt. Dann legt die Mutter auf. Florica Wacut, die 57-jährige Großmutter, drückt schnell auf die rote Taste. Einen Moment herrscht Stille in der Küche.

EU-Waisen, die bei Großeltern, Verwandten oder Nachbarn leben, weil ihre Eltern im Ausland arbeiten, kommen in vielen Ländern Osteuropas vor. Rumänien, das zu den ärmsten gerechnet wird, hat eine besonders hohe Rate dieser Sorte von Waisenkindern. Seit 2007 gehört Rumänien zur EU, geschätzte 3,4 Millionen Rumänen haben eine Arbeit im Ausland angenommen, das ist ein Fünftel der Erwerbstätigen. Sie lassen nach Angaben des Kinderhilfswerkes Unicef rund 350.000 Kinder in ihrer Heimat zurück. Bei ungefähr 125.000 Kindern haben beide Elternteile das Land verlassen.

Um manche dieser Kinder bemühen sich Sozialarbeiter und Psychologen. Die rumänische Regierung hat eine kostenlose nationale Notrufnummer eingerichtet, über die die zurückgelassenen Kinder Unterstützung anfordern können. Doch bis in die abgelegenen Dörfer in Rumänien gelangt diese Hilfe nur selten. Eines dieser Dörfer ist Lipovu. Von den 3.100 Einwohnern sind die meisten Erwerbstätigen ins Ausland abgewandert. Manche sind schon seit Jahren fort, andere pendeln als Wanderarbeiter und verdienen sich alle paar Monate Geld auf den Plantagen und Baustellen von Italien, Spanien bis nach Griechenland und Deutschland.

Es sind die Menschen, die wir bei der Erdbeerernte oder beim Spargelstechen auf dem Feld arbeiten sehen. Mehr als 140 Kinder müssen in Lipovu ohne ihre Eltern auskommen. Manche Eltern schaffen es, ihren Traum mit dem verdienten Geld zu erfüllen. Sie kommen zurück und bauen ein Haus. In jeder Straße geben die frisch gestrichenen Fassaden Zeugnis über den neuen Wohlstand der zerrissenen Familien. An anderen Stellen hat längst Unkraut die Bauruinen überwuchert. Den Besitzern reichte das Geld nicht oder sie haben ihre Pläne geändert und sind im Ausland geblieben.

Marius war drei, Liliana fünf, als ihre Eltern in eine Barackensiedlung nach Mailand übersiedelten. Schon vorher waren die Geschwister bei den Großeltern untergekommen. Ihr Vater arbeitete auf dem Bau, die Mutter verdingte sich in einem Schuhgeschäft in der 40 Kilometer entfernten Kleinstadt Craiova. Die Familie kam nur am Wochenende zusammen. Doch der gemeinsame Verdienst belief sich nur auf 200 bis 300 Euro im Monat. In Italien verdienen Marius’ Eltern zehnmal so viel. Er arbeitet als Maurer, sie kümmert sich dort um zwei Kinder und ließ für diesen Job ihre eigenen zurück.

Auch die so genannten Gastarbeiter, die in den 50er und 60er Jahren ins deutsche Wirtschaftswunderland einwanderten, ließen meistens ihre Kinder zurück. Doch irgendwann konnten diese nachkommen. Heute sind die Bedingungen wesentlich härter. Die Kinder werden nicht mitgenommen, weil sich die Eltern oft illegal im Ausland befinden, oft nur in einem Zimmer wohnen und die Zuwanderungsgesetze strenger sind als früher. Besonders Italien, das 2004 noch ein Legalisierungsprogramm für ausländische Arbeitnehmer ins Leben rief, geht mit neuer Härte gegen illegale Einwanderer vor. Der Westen riegelt seine Grenzen ab, auch gegen die Bürger aus dem Osten Europas. In Polen gibt es etwa 130.000 EU-Waisen, in Moldau 110.000, dazu kommen zehntausende in der Ukraine, in Bulgarien und Tschechien – Kinder, die zwar keine finanziellen Nöte mehr haben, aber elternlos aufwachsen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Brigitte“, brigitte.de