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Rumänien: Politisches Machtgerangel am Rande des Abgrunds

Meldung vom 04.11.2009

Rumäniens Präsident Traian Basescu gelingt es derzeit mit seinem Starrsinn, sein Land mitten in der Rezession politisch lahm zu legen. Auch wenn in ganz Rumänien derzeit der innenpolitische Hickhack im Zentrum der Aufmerksamkeit steht: Eigentlich müsste sich das Land dringend um andere Probleme kümmern.

Wenn der Abgeordnete Varujan Pambuccian sich von seinem Büro in den Sitzungssaal des rumänischen Parlaments begeben will, hat er eine weite Strecke vor sich. „Ich würde lieber in einem Bürohaus arbeiten“, sagt er und läuft los durch Europas größtes Gebäude, dem Bukarester „Parlamentspalast“. Pambuccian wandert durch lange, düstere Korridore, fährt mit Aufzügen, die von Liftwärterinnen bedient werden, steigt Treppen aus weißem Marmor hinauf und hinab. Das rumänische Parlament arbeitet, ebenso wie die zweite Kammer, der Senat, in jenem gigantischen Gebäude, das der kommunistische Staatschef Nicolae Ceausescu 1984 errichten ließ.

Das ist ein Klotz aus Beton auf 33.000 Quadratmetern. Das Gebäude steht längst nicht mehr nur für den Größenwahn des einstigen Diktators; viele sehen in den unpraktischen protzigen Räumlichkeiten ein Sinnbild für das heutige Parlament, das als eine ineffiziente, bürokratische Maschinerie gilt: es gibt zwei fast identische Kammern mit 471 Abgeordneten, die vor allem Verordnungen der Regierung abnicken.

Fragt man Pambuccian, der als Vertreter der Minderheiten im Parlament sitzt, nach seiner Einstellung über Präsident Traian Basescu an, verfinstert sich sein Gesicht. Der sei ein „Populist“, kritisiert Pambuccian. Doch jetzt soll dem Präsidenten ein Denkzettel verpasst werden: Denn am heutigen Tag stimmt das Parlament über die neue Regierung des unabhängigen Notenbankers Lucian Croitoru ab – Basescus Wunschkandidat; doch es ist so gut wie sicher, dass Croitoru und sein aufgestelltes Kabinett durch die Opposition abgelehnt wird. Damit wäre die rumänische Regierung wieder lahmgelegt.

Eine neue parlamentarische Mehrheit aus so ungleichen Partnern wie den Nationalliberalen, Sozialdemokraten, Konservativen und Minderheitenvertretern macht sich gegen den Präsidenten stark. Der wiederum droht dem Parlament mit einem Referendum, das er zeitgleich zur Präsidentenwahl am 22. November angesetzt hat: „Was sie befürchten, bleibt ihnen nicht erspart“, verkündet ein grinsender Präsident auf den Plakaten, die großflächig in Bukarests Straßen angebracht sind. Basescu plädiert dafür, dass die Sitze der Parlamentarier auf 300 verringert werden und beide Kammern zu einer ratifiziert werden sollen.

Auch wenn in ganz Rumänien derzeit nur der innenpolitische Hickhack im Gespräch ist: Eigentlich ist das Land mit noch ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Rumänien ist tief in die wirtschaftliche Rezession abgesunken. Noch dazu sind die angekündigten und dringend benötigten Finanzhilfen vom Internationalen Währungsfonds noch nicht unter Dach und Fach. Der Währungsfonds hatte dem südosteuropäischen Land im März ein Darlehen von fast 20 Milliarden Euro gewährt. 1,56 Milliarden Euro sollen im Dezember nach Rumänien fließen – aber nur unter der Voraussetzung, dass die Regierung das Budget für 2010 verabschiedet. Das ist derzeit nicht möglich. Die Kräfte, die das Land bräuchte, um den Schwierigkeiten der Rezession zu begegnen, sind derzeit durch das politische Machtgerangel gebunden. Es geht Basescu mit seinen politischen Manövern offenbar mehr um die Lähmung als um das Vorankommen seines Landes.

Auch mit der Pensionsreform und den vom IWF geforderten Finanzkürzungen im öffentlichen Dienst hinkt man hinterher. Neun Prozent seines BIPs investiert Rumänien für seinen öffentlichen Dienst, in der EU sind es im Durchschnitt fünf Prozent. „Da läuft etwas falsch“, meint Florin Pogonaru, Vorsitzender der rumänischen Vereinigung der Geschäftsleute. Er hofft, dass der Präsident und das Parlament doch noch einen gemeinsam akzeptierten Kandidaten aufstellen können – um Neuwahlen zu verhindern. „Wieder Wahlen – das wäre wirklich ein Desaster.“

Doch Pogonarus Alptraum ist in Reichweite: Nach der Ablehnung des ersten Kandidaten steht dem Präsidenten ein erneutes Vorschlagsrecht zu. Er hat bekannt gegeben, diesmal einen Kandidaten aus den Reihen der ihm nahestehenden Liberaldemokraten dafür ernennen zu wollen. Sollte der wieder abgelehnt werden, müssen Neuwahlen stattfinden.

In Rumänien erwartet man vom Präsidenten traditionell eine selbstbewusste Inszenierung. Nachgeben kommt in der rumänischen politischen Kultur nicht vor. Doch Basescus Starrsinn könnte sich bei den Wählern auch gegen ihn richten. In Umfragen hat er nur noch einen knappen Vorsprung vor seinem sozialistischen Widersacher, Mircea Geoana, und dem Kandidaten der Nationalliberalen, Crin Antonescu. Müsste eine – von vielen erwarteten – Stichwahl zwischen Basescu und dem Sozialisten Geoana stattfinden, werde er sich der Stimme enthalten, erklärt ein junger Mann in einem Bukarester Café. „Es ist nicht mehr klar, wer von beiden das kleinere Übel ist.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Presse“, diepresse.com

Schlagwörter: Rumänien, Macht, Bürokratie, Regierungsbildung, Regierung, Präsidentenwahl, Staatspräsidentenwahl, Basescu, Croitoru, Parlament, Abstimmung, Mehrheit, Wahl, Bukarest, Kabinett, Streit, Internationaler Währungsfonds, BIP, Bruttoinlandsprodukt, Darlehen, Kredit, Rezession, Wirtschaft, Stichwahl, Populist