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Indien: Schule ist für viele Kinder noch immer ein unerreichbarer Traum

Meldung vom 08.06.2010

Indiens staatliches Bildungssystem ist immer noch unzureichend. Millionen von Kindern können nicht zur Schule gehen. Die Regierung führt nun die kostenlose Grundschule ein.

Rampur erscheint auf keiner Karte. In dem kleinen, staubigen Dorf im indischen Bundesstaat Maharashtra sucht man vergeblich nach einem Auto. Die Menschen hier leben von dem geringen Ertrag, den ihre kleinen Parzellen Land abwerfen. Die staatliche Schule in der Mitte des Ortes besteht aus nur zwei Räumen, in denen um die 50 Kinder Unterricht erhalten. Tische oder Bänke sind nicht vorhanden: Die Mädchen und Jungen hocken in ihren Schuluniformen im Schneidersitz auf dem Boden.

Manche haben sich ein Handtuch oder eine Decke von zu Hause mitgenommen. Die Schultaschen oder ein Sack mit Pflanzendünger müssen als Schreibunterlage herhalten. Es gibt weder Strom, noch einen Ventilator, um die brütende Sommerhitze zu mildern. Selbst Schulbücher sind rar. Jatore Dambhan ist der einzige Lehrer an der Dorfschule. Er selbst kann ein bisschen Englisch sprechen. Doch Jatore ist schon zufrieden, wenn die Kinder hier überhaupt ein wenig lesen und schreiben in der lokalen Sprache lernen.

Den meisten Eltern im Dorf ist das bewusst. Einige schicken ihre Kinder daher gar nicht erst in die Schule. Das staatliche Schulsystem hatte bislang keinen guten Ruf: Denn Millionen indische Kinder gehen nicht zur Schule. Und auch Hunderttausende indische Lehrer treten gar nicht erst zum Dienst im Klassenzimmer an.

Nach einer offiziellen Regierungsstatistik aus dem Jahr 2004 gehen von den 193 Millionen indischen Kindern zwischen sechs und 14 Jahren 8,1 Millionen gar nicht zur Schule. Andere Schätzungen liegen sogar bei über 30 Millionen Mädchen und Jungen, die keine Schule besuchen. Tagtäglich verweigert ein Viertel aller Lehrer an den staatlichen Grundschulen Indiens den Dienst, wie eine Studie der Weltbank darlegte.

Dabei hat sich seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 einiges zum Besseren verändert: Damals gingen überhaupt nur 20 Millionen Kinder in den Unterricht. Die Alphabetisierungsrate lag bei nur 15 Prozent. Heute sind über 60 Prozent der Bevölkerung in der Lage, zu lesen und zu schreiben.

Schon 1950 kündigte die indische Regierung den kostenlosen Besuch der Grundschule für alle an. Doch erst 2009 konnte diese gute Absicht in die Tat umgesetzt werden. Nun gibt es dafür ein Gesetz, das am 1. April 2010 offiziell in Kraft getreten ist. Elementarbildung für alle Kinder zwischen dem 6. und dem 14. Lebensjahr stellt nun ein Recht dar. In den kommenden fünf Jahren sollen 1,7 Billionen Rupien, etwa 28 Milliarden Euro, dafür ausgegeben werden.

„Bildung ist der Schlüssel zum Fortschritt“, erklärte Regierungschef Manmohan Singh. Und Bildungsminister Kapil Sibal sprach von einem „historischen Gesetz“, riet aber, die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Es sei eine Illusion, dass ab sofort alle Kinder in die Grundschule gehen könnten. Es fehlt nicht nur an Infrastruktur, modernen Lehrplänen und willigen Lehrkräften. Immer noch werden Mädchen, kastenlose „Unberührbare“ und ethnische Minderheiten systematisch davon abgehalten, eine Schule zu besuchen.

Es ist also kaum überraschend, dass mehr als die Hälfte der Fünftklässler in den öffentlichen Schulen nicht in der Lage sind, einen einfachen Text auf Englisch zu übersetzen, wie der jährliche Bildungsbericht 2009 einer in New Delhi ansässigen Hilfsorganisation angab. Kinder in Privatschulen legen ein um 41 Prozent besseres Ergebnis ab als Schüler von Staatsschulen, wenn sie Englisch lesen.

Selbst wirklich arme Eltern sehen daher keinen Sinn darin, ihre Kinder auf die staatliche Schule zu schicken. Mehr als die Hälfte der indischen Kinder in den Städten besuchen Privatschulen. Selbst auf dem Land wird ein Viertel der Schüler dort unterrichtet. Sauvi, die als Hausangestellte in Neu Delhi kaum mehr als 5.000 Rupien (84 Euro) im Monat erhält, weiß warum. Auf den staatlichen Schulen erschienen die Lehrer nicht zum Unterricht und wenn, dann hätten sie kaum Interesse daran, den Schülern etwas beizubringen, beschwert sie sich. Dabei befindet sie sich in einer Zwickmühle, denn sie weiß nur zu gut, dass ihre drei Töchter ohne Englisch-Kenntnisse ausgeschlossen sind vom rasanten Wirtschaftswachstum Indiens.

Es gibt Privatschulen für Arme, doch genau solche Schulen sind nun von dem neuen Gesetz bedroht: Es schreibt Kriterien vor, die reiche Privatschulen ohne Probleme erfüllen, jedoch jene aussiebt, die in armen Vierteln arbeiten und Schulgeld zwischen 70 und 350 Rupien (zwischen 1 bis 5 Euro) im Monat verlangen. Niemand weiß, wie viele solcher Privatschulen existieren, die oft ohne Zulassung unterrichten. Vermutungen reichen von 300.000 bis 700.000 Schulen.

Die Lehrergehälter sind in diesen privaten Low-Budget-Schulen vier bis sieben Mal geringer als in den Staatsschulen. Doch nach dem neuen Gesetz ist das verboten. Für die reichen Privatschulen ergibt sich daraus kein Problem. Sie entrichten sowieso höhere Löhne an ihre Lehrkräfte. Doch für die meisten der armen Privatschulen sind die neuen Festlegungen für Gehälter der Todesstoß. Für die Bildung aller muss Indien deshalb noch einen weiten Weg zurücklegen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Südkurier“, suedkurier.de

Schlagwörter: Indien, Bildung, Schule, Gesetz, Grundschule, Bildungssystem, staatliches Schulsystem, Kinder, Schulbesuch, Lehrer, Gehalt