Afghanistan: Obama wütend - Oberbefehlshaber McChrystal entgleist

 
Meldung vom 23.06.2010

Ein Interview mit Stanley McChrystal, dem amerikanischen Oberbefehlshaber in Afghanistan, sorgte für Ärger im Weißen Haus. Obama zitierte McChrystal umgehend nach Washington. Der „General außer Kontrolle“ hatte sich in einem Interview mit dem Musikmagazin Rolling Stone kritisch und abwertend über die US-Führungsspitze ausgelassen.

Präsident Obama sei „wütend“ über McChrystals Worte. Der General soll dem Präsidenten nun Rechenschaft über seine Äußerungen ablegen. Er sprach in dem Interview über „Weicheier im Weißen Haus“ – die Sprache von McChrystal entgleist dem General mehrmals. Er fühle sich von Kabuls US-Botschafter Karl Eikenberry „verraten“. Der habe im vergangenen Jahr gegen eine Truppenaufstockung Position bezogen, weil er nur auf einen Platz in den Geschichtsbüchern aus sei.

Auch der Präsident wurde nicht verschont: Ein erstes Treffen mit Barack Obama habe McChrystal „sehr enttäuscht“. „General außer Kontrolle“ (The Runaway General) – so lautete der Titel des Porträts. Für seine Aussagen entschuldigte sich McChrystal mittlerweile. In einer in Kabul veröffentlichten Erklärung bat der General um Entschuldigung: „Es war ein Fehler, der eine falsche Einschätzung zeigt und nie hätte passieren dürfen“, so McChrystal. Die Äußerungen ließen sich nicht mit seinen „Prinzipien von persönlicher Ehre und Integrität“ vereinbaren.

Die NATO nahm in einer ersten Stellungnahme unterdessen ihren US-General in Schutz. „Der Artikel im Rolling Stone ist bedauerlich, aber es ist nur ein Artikel“, betonte ein Sprecher in Brüssel. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen setzte weiterhin „volles Vertrauen in General McChrystal und dessen Strategie“.

Der Skandal ist für Obama im denkbar schlechtesten Augenblick ausgebrochen. Inmitten von Ölkatastrophe und hoher Arbeitslosigkeit gerät der Krieg in Afghanistan in immer kritischeres Licht. Ein Krieg, für dessen Strategie General McChrystal verantwortlich ist – und die der Präsident befürwortet hat.

Zu den schärfsten Kritikern dieser Strategie gehören Vizepräsident Joe Biden, der amerikanische Botschafter in Kabul, ein ehemaliger General, und ebenso der Chef des Nationalen Sicherheitsrats. Sie alle behielten in der letzten Zeit ihre Meinung für sich. Doch jetzt wird der Konflikt wieder aufflammen, denn der General hat durch seinen Fauxpas die Angriffsfläche für seine eigene Strategie selbst vorbereitet. Wenn auch ungewollt. Alles läuft jetzt Gefahr, wieder auf den Prüfstand gestellt zu werden: das gesamte Kriegskonzept sowie der von Obama versprochene Schritt für Schritt Rückzug ab Juli 2011.

Ein Nachfolger für Stanley McChrystal wird nicht schwer zu finden sein, Generäle gibt es ausreichend. Aber wohin entwickelt sich dieser Krieg? Das ist die vorrangige Frage. Nicht auszuschließen, dass der Präsident bald wieder vor sein Volk und die NATO-Partner treten muss, um sich und seine Pläne zu erläutern.


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Zeit Online“, zeit.de