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Ausbeutung in Nicaragua: Der beste Rum der Welt ist teuer bezahlt

Meldung vom 12.11.2010

In Nicaragua wird auf gute Arbeitsbedingungen wenig Wert gelegt. Die Angestellten vieler Betriebe arbeiten oft mit hochgiftigen Substanzen ohne Schutzkleidung. Diese würde die Betriebskosten erhöhen. In Billiglohnländern haben Arbeiter solcher Betriebe eine Lebenserwartung von 50 Jahren. Viele Arbeiter von Nicaraguas größter Zucker- und Rumfabrik „Flor de Caña“ sterben an chronischer Niereninsuffizienz. Nun haben sich einige organisiert und verlangen rechtlich Entschädigung.

„Salvador Urtecho Romero ist von uns gegangen. Seine Familie lädt für drei Uhr Nachmittag zur Bestattung ein.“ Über Lautsprecher ertönt die Durchsage in Chichigalpa, einem Städtchen mit 40.000 Einwohnern rund 130 Kilometer nordwestlich von Managua. Die Menschen in diesem Ort sind schon an solche Durchsagen gewöhnt. Hier sterben die Einwohner schnell, und zwar vor allem an einer Krankheit: chronischer Niereninsuffizienz. Auch Salvador Urtecho Romero starb daran.

Die pazifische Küstenebene rund um Chichigalpa bietet fruchtbaren Boden. Reis gedeiht hier und Zuckerrohr. Das feucht-heiße, tropische Klima bietet gute Bedingungen für solche Plantagen. Seit 1890 hat sich hier die Nicaragua Sugar Estate Limited mit der Zuckerfabrik San Antonio niedergelassen, die größte im Land. Seit 1954 wurde dazu noch die Compañía Licorera de Nicaragua gegründet. Aus diesem Betrieb stammt einer der besten Rums der Welt. Zuckerwerk und Rumfabrik sind Eigentum der wirtschaftlich mächtigsten Familie Nicaraguas: den Pellas. 17 Firmen sind in ihrem Besitz.

„Alle, die in der Zuckerfabrik San Antonio arbeiten, haben diese Krankheit“, berichtet Oscar Ernesto Bolaños. Er wartet im Gesundheitszentrum auf seine Ration Tabletten, die er jeden zweiten Monat bekommt. Bolaños ist 52. Seit fünf Jahren ist er berentet. Er war einfach ausgelaugt: Erschöpfungszustände, häufiges Fieber, Muskelschmerzen. „Urtecho Romero, dessen Beerdigung sie da ankündigen, der hat mit mir zusammengearbeitet“, sagt er.

Das Gesundheitszentrum von Chichigalpa gab eine Jahresstatistik seiner Toten heraus: 6.081 Fälle von chronischer Niereninsuffizienz. 2007 war auf dem Friedhof für die Toten kein Platz mehr, die Stadtverwaltung musste einen neuen anlegen. 317 ehemalige Arbeiter der Pellas-Gruppe haben sich nun organisiert und die „Nicaraguanischen Vereinigung der Opfer chronischer Niereninsuffizienz“ (ANAIRC) gegründet. Ein paar von den engagierten Protestlern sind inzwischen gestorben. Für sie verlangen nun Witwen und Kinder Entschädigung. Laut ANAIRC wurden bislang mindestens 3.700 Tote verzeichnet, rund 8.000 Menschen seien erkrankt. Die Leitung der Firma bestreitet das.

Hinter der Fabrik ziehen sich endlose Zuckerrohrplantagen am Horizont entlang. Erst eine Kette von Vulkanen begrenzt die Felder. Im September, wenn die Frucht mehr als drei Meter hoch gewachsen ist, beginnt die Blüte: Filigrane weiße Rispen an der Spitze der Rohre, die in der Sonne schillern, ein Schnappschuss.

Die Arbeiter bezeugen, dass der massive Einsatz von Pestiziden seit Beginn der 1960er Jahre das Grundwasser vergiftet hat. Das nicaraguanische Institut für Stadtentwicklung kam zu dem Ergebnis, dass Chichigalpa über „die produktivsten Böden des Landes“ verfügt. Allerdings seien Grund- und Oberflächenwasser durch Nitrat und das Pestizid Toxaphen beeinträchtigt. Das sei „ein Ergebnis des massiven Einsatzes von Chemie in der dortigen Landwirtschafts-Industrie“.

Trinkwasser habe man sich oft aus dem Fluss geholt, weil andere Wasserquellen nicht zugänglich waren. Manche überlebten in ihrem Job vierzig Jahre. Sie berichten, wie fahrlässig man früher mit den Giften für die Landwirtschaft umging, dass niemand Handschuhe bekam und auch sonst kein Schutz zur Verfügung gestellt wurde. Heute gehen sie nur aus dem Haus, um ihre Rente abzuholen oder eine neue Ration Medikamente. Wenn um 18 Uhr die Dunkelheit in Managua einbricht, erstrahlt gleich hinter ihnen eine große Leuchtreklame: „Flor de Caña – der Stolz Nicaraguas“.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Nicaragua, Ausbeutung, Pestizidvergiftung, Niereninsuffizienz, Billiglohnland, Niedriglohnsektor, Zuckerfabrik, Rumfabrik, Flor de Caña, Managua, Pestizide, Argrargifte, Umweltverschmutzung, Wasserverseuchung, Landwirtschaft, Zuckerrohr, Rum, Nitrat