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Sudan: Kindersoldaten – Die Narben währen ein Leben lang |
Meldung vom 25.01.2011
Ständige Unruhe und hektische Betriebsamkeit prägen das Leben von Lam Tungwar Kueigwong. Vor dem Nobelrestaurant Da Vinci unter afrikanischen Feigenbäumen fließt majestätisch der Weiße Nil vorbei. Hier, beim Treffpunkt des Interviews, läuft der 27-Jährige mit den Rastalocken wie ein Tiger im Gehege zwischen den Tischen auf und ab und telefoniert. Auch als seine Handys für eine Weile keinen Klingelton mehr von sich geben, schafft es der Musiker nicht, Geduld für das Gespräch aufzubringen: „Wie lange dauert das denn noch?“, beschwert er sich bereits nach wenigen Interviewminuten genervt.
Offensichtlich ist dem jungen Mann jede Minute kostbar. Schließlich ist Lam bereits seine ganze Jugend geraubt worden. Der gut aussehende junge Mann im grauen Flanellanzug gehört zu den sudanesischen „Lost Boys“: jene in alle Welt vertriebenen jungen Männer, die einst als Kindersoldaten in die Sudanesische Befreiungsarmee SPLA angeheuert worden waren, und – wenn sie Glück hatten – dem brutalen Buschkrieg über das Flüchtlingslager eines Nachbarstaats entfliehen konnten.
Viele der verlorenen Jungen kehren derzeit in eine Heimat zurück, die einen Neuanfang verheißt: Endlich liegt die lang ersehnte Unabhängigkeit für den Südsudan zum Greifen nahe. „Nun hat sich alles doch gelohnt“, bemerkt Lam in einem kurzen Augenblick der Entspannung: „Wir bereuen es nicht mehr.“ Sechs Jahre war er alt, als sich eines Morgens etwas außerhalb seines Heimatstädtchens Bentiu im heutigen Unity-State eine Gruppe von SPLA-Kämpfern näherte. Lam hütete gerade Kühe. Sie hätten ihm eine Schulausbildung in Aussicht gestellt, erinnert er sich: Ohne seine Eltern zu benachrichtigen, sei er den Soldaten nur mit seinen Kleidern am Leib gefolgt.
Vermutlich bemerkte Lams Vater das Fehlen seines Sprösslings nicht einmal, denn der traditionelle Dorfälteste war mit 21 Frauen liiert, die ihn schon damals mit mehr als 40 Kindern beglückten. Das Versprechen der Rebellen stellte sich schnell als eine Fata Morgana heraus. Statt die Schule zu besuchen, mussten die 22 Minderjährigen, die die SPLA-Kämpfer von überall zusammengesucht hatten, erst einmal tage- und nächtelang marschieren und sich eingepfercht in einem winzigen Boot vollkommen ausgehungert nilaufwärts verfrachten lassen.
„Drei Tage lang habe ich ununterbrochen geweint“, gesteht Lam. Schließlich in einem Camp angekommen, ging es um alles andere als Schreibenlernen. Die Kinder mussten Sklavendienste verrichten. Inzwischen auf mehrere Hundert angewachsen, mussten sie Hütten errichten, Gräben graben und wurden im Umgang mit Waffen trainiert. Wiederholt kam dem schmächtigen Lam beim Überqueren eines Flusses sein Gewehr abhanden: „Hätte ich das schwere Ding nicht losgelassen, wäre ich selber untergegangen“, erinnert er sich gequält.
Als Strafe für den Verlust der kostbaren Waffe musste der Junge mindestens 30 Rutenhiebe über sich ergehen lassen und bekam tagelang nichts zu essen. Was Lam in den darauf folgenden vier Jahren erlitt, das spricht er nicht gerne offen an: „Es macht mein Herz traurig“, sagt er. Allerdings hat er seine Geschichte einem sudanesischen Autor anvertraut, der den Alptraum in einem Büchlein veröffentlichte.
Dort kann man lesen, wie der kleine Lam beim Überfall eines Dorfes einen verzweifelten Vater wahrnahm, der seine gesamte Familie und schließlich sich selbst umbrachte. Oder wie die immer wieder wochenlang barfuß und bloß in einige Fetzen gehüllten kleinen Rebellen halb verhungert durch den Busch wandern mussten.
Auch kann man lesen, wie die Kindersoldaten bei einem Angriff auf einen Konvoi der Regierungstruppen wie professionelle Killer funktionierten. Als Lam und seine Kameraden die Gelegenheit ergriffen, sich aus dem Buschkrieg abzusetzen, hatte von den 200 Kindersoldaten gerade noch eine Handvoll überlebt. Im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma wurde Lams Traum endlich wahr: Er durfte zur Schule gehen. Später fand das Rote Kreuz Lams durchaus wohlhabende Familie in Bentiu: Der Bruder seines Vaters bekleidet heute das Amt des Gouverneurs der Unity-Provinz.
Er setzte sich dafür ein, dass Lam in Kenia auch eine weiterführende Schule und später in der Hauptstadt Nairobi sogar die Universität besuchen konnte. Inzwischen hatte Lam auch seine Gaben im Bereich der Musik entdeckt: Er rief eine Hip-Hop-Band ins Leben und arbeitete als Discjockey.
Im Jahr 2007 stand Lam während einer Reise in die alte Heimat zum ersten Mal nach 18 Jahren wieder seiner Mutter gegenüber. „Sie war okay“, berichtet er, „aber ich nicht. Sie war mir völlig fremd. Wir wussten nicht einmal, worüber wir reden sollten.“ Inzwischen ist Lam in den Südsudan zurückgekehrt und arbeitet an seinem beruflichen Werdegang.
Er hat sich bereits auf elf ausländischen Konzerten vermarktet, darunter gab er eines in Mannheim. Die UN ernannten ihn zum kulturellen Botschafter ihres „Habitat“-Programms: Er selbst gründete ein Kulturzentrum in Juba, dessen Geschäftsführer er heute ist.
Lam bezeichnet sich selbst als Musiker und Geschäftsmann: Denn Lam ist viel zu clever, um sich auf eine ungewisse Karriere als Künstler festzulegen. Wenn ihm die Jahre im Busch etwas beigebracht hätten, dann sei es „Geradlinigkeit“ gewesen, betont der Kulturmanager: Er sei sich im Klaren darüber, wohin er wolle, schlafe jede Nacht nur wenige Stunden und leide unter chronischem Zeitmangel. Zu seiner Erleichterung ist das Interview damit auch beendet.
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Stuttgarter Zeitung“, stuttgarter-zeitung.de
Schlagwörter: Sudan, Kindersoldaten, Trauma, Sudanesische Befreiungsarmee, Lost Boys, Rotes Kreuz, Südsudan, Befreiung, Buschkrieg, Sklaven
Offensichtlich ist dem jungen Mann jede Minute kostbar. Schließlich ist Lam bereits seine ganze Jugend geraubt worden. Der gut aussehende junge Mann im grauen Flanellanzug gehört zu den sudanesischen „Lost Boys“: jene in alle Welt vertriebenen jungen Männer, die einst als Kindersoldaten in die Sudanesische Befreiungsarmee SPLA angeheuert worden waren, und – wenn sie Glück hatten – dem brutalen Buschkrieg über das Flüchtlingslager eines Nachbarstaats entfliehen konnten.
Viele der verlorenen Jungen kehren derzeit in eine Heimat zurück, die einen Neuanfang verheißt: Endlich liegt die lang ersehnte Unabhängigkeit für den Südsudan zum Greifen nahe. „Nun hat sich alles doch gelohnt“, bemerkt Lam in einem kurzen Augenblick der Entspannung: „Wir bereuen es nicht mehr.“ Sechs Jahre war er alt, als sich eines Morgens etwas außerhalb seines Heimatstädtchens Bentiu im heutigen Unity-State eine Gruppe von SPLA-Kämpfern näherte. Lam hütete gerade Kühe. Sie hätten ihm eine Schulausbildung in Aussicht gestellt, erinnert er sich: Ohne seine Eltern zu benachrichtigen, sei er den Soldaten nur mit seinen Kleidern am Leib gefolgt.
Vermutlich bemerkte Lams Vater das Fehlen seines Sprösslings nicht einmal, denn der traditionelle Dorfälteste war mit 21 Frauen liiert, die ihn schon damals mit mehr als 40 Kindern beglückten. Das Versprechen der Rebellen stellte sich schnell als eine Fata Morgana heraus. Statt die Schule zu besuchen, mussten die 22 Minderjährigen, die die SPLA-Kämpfer von überall zusammengesucht hatten, erst einmal tage- und nächtelang marschieren und sich eingepfercht in einem winzigen Boot vollkommen ausgehungert nilaufwärts verfrachten lassen.
„Drei Tage lang habe ich ununterbrochen geweint“, gesteht Lam. Schließlich in einem Camp angekommen, ging es um alles andere als Schreibenlernen. Die Kinder mussten Sklavendienste verrichten. Inzwischen auf mehrere Hundert angewachsen, mussten sie Hütten errichten, Gräben graben und wurden im Umgang mit Waffen trainiert. Wiederholt kam dem schmächtigen Lam beim Überqueren eines Flusses sein Gewehr abhanden: „Hätte ich das schwere Ding nicht losgelassen, wäre ich selber untergegangen“, erinnert er sich gequält.
Als Strafe für den Verlust der kostbaren Waffe musste der Junge mindestens 30 Rutenhiebe über sich ergehen lassen und bekam tagelang nichts zu essen. Was Lam in den darauf folgenden vier Jahren erlitt, das spricht er nicht gerne offen an: „Es macht mein Herz traurig“, sagt er. Allerdings hat er seine Geschichte einem sudanesischen Autor anvertraut, der den Alptraum in einem Büchlein veröffentlichte.
Dort kann man lesen, wie der kleine Lam beim Überfall eines Dorfes einen verzweifelten Vater wahrnahm, der seine gesamte Familie und schließlich sich selbst umbrachte. Oder wie die immer wieder wochenlang barfuß und bloß in einige Fetzen gehüllten kleinen Rebellen halb verhungert durch den Busch wandern mussten.
Auch kann man lesen, wie die Kindersoldaten bei einem Angriff auf einen Konvoi der Regierungstruppen wie professionelle Killer funktionierten. Als Lam und seine Kameraden die Gelegenheit ergriffen, sich aus dem Buschkrieg abzusetzen, hatte von den 200 Kindersoldaten gerade noch eine Handvoll überlebt. Im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma wurde Lams Traum endlich wahr: Er durfte zur Schule gehen. Später fand das Rote Kreuz Lams durchaus wohlhabende Familie in Bentiu: Der Bruder seines Vaters bekleidet heute das Amt des Gouverneurs der Unity-Provinz.
Er setzte sich dafür ein, dass Lam in Kenia auch eine weiterführende Schule und später in der Hauptstadt Nairobi sogar die Universität besuchen konnte. Inzwischen hatte Lam auch seine Gaben im Bereich der Musik entdeckt: Er rief eine Hip-Hop-Band ins Leben und arbeitete als Discjockey.
Im Jahr 2007 stand Lam während einer Reise in die alte Heimat zum ersten Mal nach 18 Jahren wieder seiner Mutter gegenüber. „Sie war okay“, berichtet er, „aber ich nicht. Sie war mir völlig fremd. Wir wussten nicht einmal, worüber wir reden sollten.“ Inzwischen ist Lam in den Südsudan zurückgekehrt und arbeitet an seinem beruflichen Werdegang.
Er hat sich bereits auf elf ausländischen Konzerten vermarktet, darunter gab er eines in Mannheim. Die UN ernannten ihn zum kulturellen Botschafter ihres „Habitat“-Programms: Er selbst gründete ein Kulturzentrum in Juba, dessen Geschäftsführer er heute ist.
Lam bezeichnet sich selbst als Musiker und Geschäftsmann: Denn Lam ist viel zu clever, um sich auf eine ungewisse Karriere als Künstler festzulegen. Wenn ihm die Jahre im Busch etwas beigebracht hätten, dann sei es „Geradlinigkeit“ gewesen, betont der Kulturmanager: Er sei sich im Klaren darüber, wohin er wolle, schlafe jede Nacht nur wenige Stunden und leide unter chronischem Zeitmangel. Zu seiner Erleichterung ist das Interview damit auch beendet.
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Stuttgarter Zeitung“, stuttgarter-zeitung.de
Schlagwörter: Sudan, Kindersoldaten, Trauma, Sudanesische Befreiungsarmee, Lost Boys, Rotes Kreuz, Südsudan, Befreiung, Buschkrieg, Sklaven