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Post aus Afghanistan: Wenn der ferne Krieg ganz nahe kommt

Meldung vom 08.02.2011

Trauer und Wut, Hoffnung und Hilflosigkeit, Furcht und Unbehagen sprechen aus den Zeilen der vielen Briefe deutscher Soldaten in Afghanistan. Seit neun Jahren sind sie im Hindukusch stationiert, sie versenden Tag für Tag Briefe, Mails und SMS nach Hause. Jetzt wird ein Buch mit einigen dieser Briefe veröffentlicht. Dadurch werden dem Leser sensible Einblicke in den Kriegsalltag ohne heroische Übertreibungen ermöglicht.

„Hier ist alles 100 Mal schlimmer, als es mir in meinen kühnsten Träumen erschien“, berichtete bereits 2002 Oberstleutnant Bertram Hacker aus Kabul. „Ich frage mich tatsächlich, ob ich dieses Abenteuer wirklich brauchte (...) ich kann jetzt nicht emotional werden, sonst heule ich.“ Seit neun Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Unzählige Mails, Briefe oder SMS gelangten seitdem vom Hindukusch nach Deutschland. Ein kleiner Teil davon wird in dem nun erscheinenden Buch „Feldpost, Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan“ herausgegeben.

„Es ging uns nicht darum, mit dem Buch eine Position für oder gegen den Einsatz zu beziehen, dafür gibt es Leitartikel, sondern die Soldaten direkt und unverfälscht zu Wort kommen zu lassen“, betont Marc Baumann, Redakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Gemeinsam mit vier Kollegen hatte er bereits 2009 erste Briefe gesammelt und im „SZ-Magazin“ veröffentlicht. Für ihre Arbeit, durch die die „ferne Front plötzlich ganz nah wird“, erhielten sie damals eine Auszeichnung.

Für das Buch haben sie mit mehreren hundert Soldaten gesprochen. Die einen waren von ihrer Aufgabe überzeugt, andere wurden von Zweifeln geplagt. Manche dienen noch immer bei der Bundeswehr, andere sind ausgeschieden. 17 Soldaten bestanden auf ein Pseudonym, um sich – so die Herausgeber – „vor ihrem Arbeitgeber, der Bundeswehr, zu schützen“.

„Insgesamt hat der ISAF-Einsatz in Kundus nur noch wenig von einem Hilfseinsatz, sondern mehr von einem (asymmetrischen) Krieg“, beanstandet Oberstabsarzt Jens Weimer 2009. Andere beschreiben ihre extremen Wahrnehmungen während eines Angriffs: „Plötzlich eine Detonation, der Boden unter den Füßen vibriert (...) Ich lade mein Gewehr und spüre Adrenalin.“ Ein Anschlag wirke aus der Nähe, „als ob jemand eine Tür zuschmeißt, inklusive Luftzug“, so lautete es in einem weiteren Schreiben. „Nur 500 Meter entfernt eine gewaltige Explosion. Im Deckungsbunker lackiert sich eine US-Journalistin lässig die Fingernägel. Dann eine Schweigeminute für gefallene Amerikaner.“

Als im April 2009 der erste Bundeswehrsoldat im direkten Kampf ums Leben kommt, schreibt ein Kamerad: „Tot. Das Unerwartete ist geschehen, bisher ging doch immer alles gut. In meinem und sicher nicht nur in meinem Bauch breitet sich eine lähmende Leere aus.“ Nach dem Luftschlag von Kundus, bei dem Oberst Georg Klein die Bombardierung der von den Taliban gekaperten Tanklaster anordnete, schreibt Oberleutnant Eva Weber: „Die Politiker waschen sich die Weste rein (...) Ohne deren Mandat wären wir nicht hier und Oberst Klein hätte nicht so eine Entscheidung treffen müssen. So stehen wir Soldaten als schießgeile Rambos da, und unser Ansehen leidet in Deutschland noch mehr. Das ist übrigens auch ein Grund für mich die Bundeswehr zu verlassen – mir fehlt einfach der Rückhalt für unseren Beruf in der Gesellschaft.“

Einige Soldaten fühlen sich unfrei, die Dinge offen anzusprechen:
„... davon aber mehr, wenn ich wieder zu Hause bin, denn wir werden wahrscheinlich abgehört oder überwacht“, so ein Hauptmann. Die Bundeswehr war übrigens nicht dazu bereit, das Projekt zu unterstützen – im Gegenteil, ergänzen die Herausgeber. „Der Presse- und Informationsstab der Bundeswehr hat entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen. Anfragen der SZ nach Kontakten zu Soldaten sind daher abzulehnen“, wird demnach in einer Mail gefordert.

Davon ließen sich viele Soldaten nicht einschüchtern: In ihren Briefen beschreiben sie die engen Lager, freundlichen Gastgeber, schildern die Menschen und reden von dreckigen, kranken und bettelnden Kindern und von dem Land mit seinen schönen und hässlichen Seiten. „Wenn es stimmt, dass Eskimos 90 verschiedene Wörter für Schnee haben, müssen die Afghanen hundert verschiedene Wörter für braun haben, unglaubliche Farben“, oder: „Die Sterne glühen prächtig über der Steppe und die Milchstraße fließt in die Unendlichkeit. Die Zikaden zirpen, und an die Skorpione denke ich gerade mal nicht.“ Eine andere Sicht vertritt ein junger Hauptgefreiter: „Afghanistan, – hier stinkt's. Überall Sand und Staub, Trümmer und Wracks (...) Afghanistan, – hier gibt es schon lange keinen Gott mehr.“

Vom schweren Wechsel in den Alltag erhält man einen Einblick. „Ich hoffe, Du machst Dir nicht allzu viel Sorgen ob meiner Rückkehr, diesmal werde ich so normal wie irgend möglich sein“, verspricht Oberstleutnant Hacker. „Es war eine lohnende Sache“, entscheidet ein anderer. Und ein Stabsarzt ist fast geneigt, seinen Einsatz zu verlängern, da ihn die Arbeit herausfordere: „Ganz sicher lässt sie einen aber nicht kalt.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „n-tv“, n-tv.de

Schlagwörter: Afghanistan, Post, Briefe, Süddeutsche Zeitung, Feldpost, SMS, Mails, Bundeswehr, Soldaten