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Somalia: Mogadischu – die geteilte Stadt

Meldung vom 11.04.2011

Es geht um Straßen, Häuser und sogar einzelne Etagen – jeder Quadratmeter in Somalias Hauptstadt wird umkämpft. Die vom Westen unterstützten Truppen verteidigen jeden Zentimeter, den sie erkämpft haben, gegen die islamistischen Extremisten. Wer gegen die Scharia verstößt, ist in Lebensgefahr.

Der junge Mann hat sich neben der Militärbaracke aufgestellt. Die Uniform ist viel zu weit, sie klebt in der schwülen Nachmittagshitze am dürren Körper. Anstelle der vorgeschriebenen Stiefel stecken seine Füße in verstaubten Sandalen. Kann einer wie er, der nie lesen lernte, der Terrororganisation al-Schabab entgegentreten? Abdullah Omar Farah packt seine Maschinenpistole fester und streckt sich. „Wir werden sie aus dem Land jagen“, sagt er mit einer Entschlossenheit, die seine schmächtige Erscheinung in den Hintergrund treten lässt.

Vier Jahre alt war Farah, als der Bürgerkrieg Somalia überzog und an eine Normalität nicht mehr zu denken war. 21 Jahre sind vergangen, und sie ist nie wiedergekommen. Erst recht nicht nach Mogadischu. Farahs Heimatstadt ist zerschossen, zermürbt, vertrocknet, ein Trümmerhaufen. Die Schulen und Krankenhäuser sind zu, der Müll auf den Straßen türmt sich manchmal einige Meter hoch. Dies ist der Schauplatz eines zähen Krieges zwischen islamistischen Extremisten und immer wieder wechselnden Übergangsregierungen.

Als die radikalislamische Organisation al-Schabab vor zwei Jahren Mogadischu fast eingenommen hatte, verstärkten vor allem die USA und die EU die inzwischen 9.000 Soldaten zählende Afrikanische Union im Land und deren Mission Amisom. Doch diese Soldaten sind Willkür und Chaos ausgesetzt. Im vergangenen Jahr hat Farah monatelang kein Gehalt bekommen, erst seit Januar erhält er wieder seine 200 US-Dollar (138 Euro) monatlich. Viele halten das nicht aus und laufen zur Gegenseite über.

Auf dem Weg vorbei an den von Kämpfen völlig durchlöcherten Gebäuden hallen immer wieder Schüsse von Maschinengewehren. „Das ist weit weg“, versichert Presse-Major Barigye Ba-Hoku. Der Wind wehe das Geräusch der Schüsse nur heran, so dass sie ganz nahe erscheinen. Und doch befiehlt er immer wieder, sich zu ducken. Scharfschützen lauern in Mogadischu überall, das riesige Gebiet der Stadt ist nur schwer zu sichern.

In Mogadischu tobt ein Häuserkampf. Einmal gewonnenes Terrain muss über Monate und Jahre von Soldaten besetzt und verteidigt werden, sonst wird es zurück erobert. Die größte Straße Mogadischus, die Via Afgooye, wird immer wieder von Panzerfahrzeugen abgefahren. Drinnen im Panzer ist es stickig, heiß, alle Öffnungen sind aus Angst vor Anschlägen geschlossen. Draußen bahnen sich Tausende von Menschen ihren Weg zu Fuß durch die Menge, Transportmöglichkeiten und Benzin gibt es kaum. 3,1 Millionen Menschen haben einmal die Stadt bevölkert, immerhin 1,8 Millionen haben es noch ausgehalten und sind geblieben.

Die Menschen treiben weiter Handel. Informell und chaotisch, aber sie haben Schlupflöcher gefunden, um zu überleben. Die Via Afgooye hat sich zum zentralen Schauplatz der Propaganda-Schlacht entwickelt. Jahrelang sind Kämpfe um sie geführt worden, südlich hatte die Regierung die Oberhand, nördlich die al-Schabab.

Mogadischu ist geteilt. In der einen Hälfte der Stadt herrscht die al-Schabab-Miliz. Die islamistische Herrschaft hier ist eine Herrschaft des Schreckens: Ihre Macht üben die Anführer mit Gewalt aus, die Organisation protzt regelrecht damit, auch Kinder zu rekrutieren. Wer die Scharia verletzt, wird gesteinigt oder es werden Gliedmaßen abgehackt, selbst das Hören von Musik oder die Ausübung von Sport ist untersagt.

Die Terroristen beziehen aus dem Ausland moderne Waffen. Auch in Sachen Kriegspropaganda sind sie nicht rückständig und bedienen sie sich unter anderem der ausländischen Medien. Bilder mit Rauch werden der somalischen Presse als Resultat von Raketenangriffen verkauft. Dazu werden Leichen von Kämpfern, die an der Front gestorben sind, in normale Kleidung gesteckt. Die „Zivilisten“ seien von AMISOM getötet worden, verkündet die Al-Schabab-Führung dann.

Ganz am östlichen Rand der Front befindet sich das Juba Hotel. Wie alle Hotels der Stadt ist es seit Jahren außer Betrieb. Selbst die Hilfsorganisationen sind aus Mogadischu abgezogen, vor zwei Wochen verließen auch die Ärzte ohne Grenzen das Gebiet. Das Juba Hotel, ein grünes Gebäude, einst in den Siebzigern ein moderner Bau, steht im Einzugsgebiet von al-Schabab. Seit Tagen liefert man sich hier Gefechte um jedes Gebäude, sogar um jedes Zimmer. Ugandische Soldaten haben sich schon seit Tagen im obersten Stock eines leerstehenden Wohnhauses verbarrikadiert.

Nur ein paar Minuten Fahrt weiter halten die AMISOM-Soldaten die Stellung um die Villa Somalia herum. Hier befindet sich der Regierungssitz der Übergangsregierung. 17 Minister leiten das Land. Wenn sie das Gebäude betreten, ziehen sie ihre schusssicheren Westen aus. Unten verhandeln bei Kaffee einige Minister.

Der Flughafen in Mogadischu ist in der Hand der Übergangsregierung – noch. Nach sechs Tagen hebt das Flugzeug mit den ausländischen Berichterstattern ab. Der Pilot wendet die Maschine direkt aufs offene Meer. Die Angst vor Anschlägen ist überall präsent, auch wenn al-Schabab-nahe Geschäftsleute ebenfalls die Flugverbindung nach Nairobi in Anspruch nehmen. Die weiße Küste Mogadischus wird zusehends kleiner. Früher hieß die Stadt „Perle des indischen Ozeans“. Doch daran kann sich kaum einer mehr erinnern.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Somalia, Mogadischu, al-Schabab, Häuserkampf, Villa Somalia, Übergangsregierung, AMISOM, Afrikanische Union, Propaganda-Schlacht, Scharia, Juba Hotel, Flughafen, Regierungssitz