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Südafrika: Shell will neues Gas

Meldung vom 29.04.2011

Der Ölmultikonzern Shell will neue Gasvorräte in Südafrika erschließen. Die Farmer in der Region sind alarmiert, denn sie bangen vor allem um ihr Trinkwasser. Auf klapprigen Plastikstühlen haben sich die Bauern im Gemeindesaal von Sutherland niedergelassen. Einige sind direkt von der Arbeit erschienen, von den Feldern des 3.000-Seelen-Dorfes in einer relativ unerschlossenen Region Südafrikas. Manch einer trägt noch die Gummistiefel. Vor der Bühne installieren sechs PR-Experten des Ölkonzerns Shell Laptops und Videobeamer.

Die einen wollen ihre unberührte Natur nicht gefährdet sehen, die anderen sind hinter dem Erdgas her, das einen Milliarden-Profit verspricht – es ist ein ungleicher Kampf. Seit Monaten sendet der Konzern seine besten Öffentlichkeitsarbeiter durch die Region Karoo, eine außergewöhnliche, spärlich bewohnte Halbwüstenlandschaft im Südwesten Südafrikas. Wer hier lebt, der verbringt sein Leben mit Schafzucht, bearbeitet Felder oder bewirtet Touristen. Hier ist man an ein ruhiges und einfaches Leben gewöhnt. Eines, in das sich der Ölkonzern aus Sicht seiner Bewohner nicht einfügt.

Doch Shell wähnt sich überall zu Hause, wo der Boden Reichtum hergibt. Und das ist in Südafrika zweifellos so. Wissenschaftler gehen in der Karoo von gewaltigen Vorkommen Schiefergas aus, ein zunehmend gewinnbringendes Erdgas. Erst letzte Woche gab das Unternehmen ein Konzept für umweltgerechte Erdgasförderung bei der südafrikanischen Regierung ab.

Nach 120 Tagen soll darüber entschieden werden. Schon vorher wurden 24 Bohrlöcher im Süden der Karoo gebohrt – zu Testzwecken. Das Ergebnis ist vielversprechend: Nach Einschätzung des US-Energieministeriums verfügt Südafrika über die weltweit fünftgrößten Reserven an Schiefergas – ein milliardenschwerer und vor allem bisher ungeborgener Reichtum.

Hydraulisches „Fracking“ wird die Tiefbohrtechnik bezeichnet, bei der mit Hochdruck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien durch Bohrlöcher gepumpt wird, um das Gas zu Tage zu bringen. „Das wird uns die Existenzgrundlage entziehen“, sagt ein Einwohner. „Wir müssten wohl aus der Gegend wegziehen.“ Umweltschützer in aller Welt machen auf die Gefahren der Methode aufmerksam, erinnern an den hohen Wasserverbrauch und die Verschmutzung von Grundwasser mit Chemikalien, wie es etwa in Kanada geschehen ist.

In Südafrika ist es vor allem die Sorge um das Wasser, die die Bevölkerung beunruhigt. Über ein Drittel der Bevölkerung war am Ende der Apartheid 1994 der Zugang zu Trinkwasser verwehrt. Danach wurde ein Gesetz verabschiedet, dem zufolge ein Wasserhahn nicht weiter als 200 Meter von jedem Haus entfernt sein darf. 200 Liter Wasser pro Tag stehen jedem Haushalt gratis zu. Nur noch jeder Fünfte hat heute keinen Anschluss zu sauberem Wasser – im Vergleich zu vielen anderen Entwicklungs- und Schwellenländern ist das ein guter Wert.

Shell dagegen versichert den Einwohnern, der Konzern werde nichts von den lokalen Wasserressourcen abzapfen und zur Not Kühlwasser vom 200 Kilometer entfernten Ozean hertransportieren. Für Verschmutzungen, die angesichts neuer Technologien aber „nahezu ausgeschlossen“ seien, werde man Verantwortung übernehmen.

In Sutherland schenkt diesen Beteuerungen kaum jemand Glauben. Drei Stunden haben die PR-Strategen auf die Landwirte eingeredet. Von der Lösung für Südafrikas Energiekrise wurde gesprochen, von besserer Infrastruktur und neuen Arbeitsplätzen wurde geschwärmt. Der Agrarexperte Obermeyer lacht zynisch. „Das ist das größte Märchen überhaupt. Für diese Aufgabe braucht man hoch spezialisierte Arbeitskräfte, die findet man in der Region nicht. Für Leute in der Karoo wird es keine Jobs geben.“

„Wenn tatsächlich so viel Gas hier ist, wie wir vermuten“, ergänzt der Shell-PR-Manager Cortis, „dann ist das ein Schatz für alle Südafrikaner, der Jahrzehnte anhalten wird.“ Doch das Misstrauen lässt sich nicht vertreiben. Die Umweltschäden, die von Ölkonzernen in Nigeria angerichtet wurden, sind in ganz Afrika kein Geheimnis. Das Nigerdelta gilt als das spektakulärste Negativ-Beispiel für den Schaden, den die Gier nach Rohstoffen anrichten kann.

In Afrika werden zehn Prozent der weltweiten Ölreserven vermutet, zudem 40 Prozent des weltweiten Goldes und knapp 90 Prozent der Vorräte an Chrom- und Platinmetallen. Theoretisch sind das beste Grundlagen für ein Land, um den Lebensstandard rasch zu verbessern. In der Realität nutznießen in Afrika meist nur wenige von den Rohstoffvorkommen, die meisten bleiben arm.

Der Protest hat sich inzwischen auch offiziell organisiert. Jonathan Deal hat die Leitung übernommen. Der Fotograf und Farmer hat die Bürgerorganisation Treasure Karoo Action Group (TKAG) ins Leben gerufen, an der sich Bauern, Anwohner und Umweltschützer beteiligen. „Es ist ein Krieg um Ressourcen, und er wird anhalten bis zum bitteren Ende“, meint er. „Jedes Bohrloch sorgt für 9.000 bis 11.000 Lastwagenfuhren, die durch die Karoo gefahren werden.“

Shell-Manager Cortis hat seinen Laptop wieder zugeklappt, den Beamer räumt er ein. Für ihn ist Widerstand nichts Neues. Seit zwei Monaten redet er nun auf Landwirte ein. Beschwichtigend erklärt er, es werde ja zunächst erst einmal geprüft, ob sich die Bergung lohnt. Es könne sich durchaus herausstellen, dass die Gasvorkommen zu gering seien, um eine Großaktion zu starten. Doch überzeugend klingt das nicht: Rund 150 Millionen Euro wird sein Arbeitgeber in die Testbohrungen stecken, wenn die südafrikanische Regierung in vier Monaten zusagt. Zu viel, um sich wieder zurückzuziehen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Südafrika, Shell, Gas, Rohstoffe, Gasvorkommen, Gasvorräte, Karoo, Sutherland, Grundwasser, Wasser, Fracking, Tiefbohrung, Tiefbohrtechnik, Landwirte, Infrastruktur, Protest, Ausbeutung, Rohstoffkrieg, Ölkonzern