Kenia: Beweise gegen Kenias Polit-Elite reichen nicht aus

Meldung vom 04.05.2011

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) macht derzeit sechs hochrangigen kenianischen Entscheidungsträgern wegen Anstiftung zum Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess. Doch in Bezug auf angestachelte Gewaltverbrechen in zwei Slums von Nairobi reichen die Beweise gegen die Drahtzieher den Richtern zufolge nicht aus. Nachdem Präsident Mwai Kibaki Ende 2007 den Wahlsieg vorschnell für sich beansprucht hatte, waren im ganzen Land blutige ethnische Auseinandersetzungen ausgebrochen. Die besagten Politiker wurden beschuldigt, die Gewalt geschürt und ethnische Gruppen gegeneinander aufgehetzt zu haben.

In Kenia hat die Entscheidung der Vorverhandlungsrichter des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), die Menschenrechtsverbrechen in Kisumu und im Kibera-Slum der Hauptstadt Nairobi aus dem Prozess auszulagern, bei Opfern und Menschenrechtsaktivisten für Empörung gesorgt. Eine solche Entscheidung würde einen Glaubwürdigkeitsverlust des ICC im Kampf gegen die Straflosigkeit bedeuten.

Die Richter waren im März zu dem Ergebnis gekommen, dass der ICC-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo nicht über ausreichend Beweise verfüge, dass die außergerichtlichen Hinrichtungen im Kisumu Slum sowie die Übergriffe und Vergewaltigungen im Kibera Slum zu einer geplanten Strategie der Regierung gehörten, die Finanzminister Uhuru Kenyatta, der Leiter des öffentlichen Dienstes Francis Muthaura und der ehemalige Polizeichef Mohammed Hussein Ali angezettelt hatten.

Die drei werden von dem Haager Tribunal schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie der Anstiftung zum Mord, Massenvertreibung und Vergewaltigung im Zusammenhang mit der Gewaltorgie im Rift Valley nach den Wahlen 2007 beschuldigt. Ein weiteres ICC-Verfahren wendet sich gegen die beiden Minister Henry Kosgey (Handel) und William Ruto (Bildung) sowie einen Radiomoderator, der seine Zuhörer zu ethnisch motivierter Gewalt angestachelt haben soll. Hier lauten die Hauptanklagepunkte Mord, Vertreibung und politische Verfolgung.

Die Richter der zweiten ICC-Voruntersuchungskammer gaben zwar zu, dass das von Chefankläger Ocampo vorgelegte Beweismaterial auf exzessive Polizeigewalt in Kisumu und auch im Kibera-Slum schließen lasse, die Beweise für eine Verbindung zwischen den Verbrechen und der Regierung und ihren Vertretern aber nicht stichhaltig genug seien. Für die vielen Opfer von Kibera komme das Urteil einem Schlag ins Gesicht gleich, kritisierte Stella Ndirangu von Kenias Internationaler Juristenkommission (ICJ).

Consolata Ngugi, die seit 1994 in Kibera lebt, war einen Tag nach Bekanntgabe des umstrittenen Wahlsiegs von Staatschef Mswai Kibaki von drei Anhängern des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga vergewaltigt worden. „Auch in Kibera gab es Gewalt“, sagte sie. „Sollte der ICC uns im Stich lassen, wäre dies ein Zeichen dafür, dass man Bewohner von Kibera töten darf, ohne dafür gerichtlich belangt zu werden.“

Pamela Akwede vom Menschenrechtsbüro der in Kibera angesiedelten Kirchengruppe Christ the King Catholic Church gab an, allein im Slum von Nairobi wurden mehr als 1.000 Menschen umgebracht. Die Verbrechen in Kibera von dem Verfahren gegen Kenyatta, Muthaura and Ali abzukoppeln, komme in den Augen der Opfer einem Verrat gleich, empört sich Akwede.

Kenias Polizei hat zwar Opfer der Gewalt interviewt. Doch lehnt sie ab, die Aussagen als Beweise anzuerkennen, um die Täter strafrechtlich verfolgen zu können. Auch unternimmt sie keine Anstrengungen, den Tätern auf die Spur zu kommen. Akwede empfiehlt den Vergewaltigungsopfern inzwischen, die Aussage zu verweigern.

Wie die ICJ-Anwältin Ndirangu unterstrich, werden sich auch die Opfer von Kisumu verraten fühlen, sollte ihr Fall aus dem Verfahren gegen Kenyatta, Muthaura and Ali ausgelagert werden. In der westkenianischen Stadt kamen während der politischen Krise mindestens 60 Menschen ums Leben. „In Kisumu wurden die meisten Vorfälle und insbesondere die Polizeigewalt, gefilmt. Deshalb ist es einfach unvorstellbar, dass die Täter nicht bestraft werden“, erläuterte die Juristin.

Nach Angaben der ICC-Sprecherin Jelena Vukasinovic hat sich Ocampo vorgenommen, noch vor der Verhandlung über die Bestätigung der Anklage im September neues belastendes Material aufzubringen. Wie Ndirangu berichtete, hatte der Chefankläger Kenias zivilgesellschaftliche Organisationen unlängst auf einem Treffen in Den Haag gebeten, neue Beweise einzureichen. Seine Botschaft laute: „Wenn ihr mehr Belastungsmaterial habt, werde ich es zulassen.“


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: afrika.info