Mexiko: Die Mauer zwischen zwei Welten |
Meldung vom 12.05.2011
US-Präsident Obama will das Einwanderungsrecht verschärfen. Die Konflikte, die das birgt, kann man besonders im Grenzgebiet zwischen Arizona und Mexiko sehen. Eine große Mauer trennt hier die erste von der zweiten Welt.
Die Mauer bei Nogales ist durchlässig. Streng genommen ist sie gar keine Mauer, sondern ein Zaun aus Gitterstäben. Man kann sich durch die rostroten Stäbe hindurch die Hand reichen. Oder ein Päckchen Marihuana hindurch schieben. Heute erscheint auf der mexikanischen Seite niemand, es ist Sonntagnachmittag, Muttertag.
Arturo Garino und seine Frau haben trotzdem die Bereitschaft, über ihre Stadt zu reden. Garino übt seit vier Monaten das Amt des Bürgermeisters von Nogales aus, einer Grenzstadt im Süden Arizonas. Diese kleine Stadt mit rund 20.000 Einwohnern auf der amerikanischen und fast einer halben Million auf der mexikanischen Seite spielt für die USA eine wichtige Rolle. So wichtig, dass Präsident Obama Garino nach El Paso gebeten hat, wo er am Dienstag eine Rede über Immigration hielt. Die Reform des Einwanderungsrechts wird Obamas nächstes Großprojekt.
Garino hatte sich vorgenommen, Obama seinen Dank auszusprechen. Für den Grenzausbau. „Die Regierung hat uns 213 Millionen Dollar für die Verbreiterung des Grenzübergangs zur Verfügung gestellt“, erklärt Garino. „Ich möchte dem Präsidenten zeigen, dass wir das Geld gut genutzt haben.“ Wenn die Arbeiten beendet sind, werden auf insgesamt 22 Spuren Waren aus Mexiko ins Land transportiert. Bisher waren es nur fünf befahrbare Grenzübergänge. Mehr als 60 Prozent aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die im Winter in den USA oder Kanada verbraucht werden, rollen durch Nogales.
Während das Tor für die Wareneinfuhr aus Mexiko erweitert wird, wird es für die Menschen immer enger. Der amerikanische Grenzschutz geht davon aus, dass die Hälfte aller Immigranten über das Gebiet von Tucson, in dem Nogales liegt, in die USA gelangen. Entsprechend scharf sind die Sicherheitsbestimmungen an dem 420 Kilometer langen Grenzabschnitt. 338 Kilometer davon wurden in den vergangenen Jahren mit Zäunen oder Gittern gesichert. Den höchsten und massivsten viereinhalb Meter hohen Gitterzaun hat die Nationalgarde 2008 auf Anweisung der Bush-Regierung bei Nogales hochgezogen.
Officer Mario Escalante ist stolz auf sein Werk. Regelmäßig fahren die Geländewagen der US Border Patrol den Zaun ab, etwas weiter entfernt versteckt sich ein mit Tarnlaub versehener Spähposten, der die Bewegungen hinter den Gitterstäben genau verfolgt.
Escalante brüstet sich mit Erfolgsstatistiken: Im Gebiet von Tucson hat der Grenzschutz von Oktober 2010 bis Mitte April 2011 insgesamt 79.663 Personen ergriffen, das sind 44 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Erfolg läge an den technischen Verbesserungen, so Escalante.
Früher hätte man den Fußspuren der Immigranten nachgehen müssen, sagt Escalante, heute wird mit Nachtsichtgeräten und unterirdischen Sensoren gearbeitet, um die Wege der Menschenschmuggler, die hier abschätzig „Coyotes“ bezeichnet werden, zu entlarven.
Der Menschenhandel in dieser Region ist inzwischen ähnlich einträglich wie der Drogenschmuggel. Zum Teil würden bis zu 20.000 Dollar für die Grenzüberquerung ausgehändigt, meint Escalante. Nicht nur Mexikaner, auch Menschen aus Guatemala, Honduras oder El Salvador wollen sich über Mexiko in die USA durchschlagen. Viele von ihnen werden von Schleppern entführt und so lange misshandelt, bis sie die Telefonnummern ihrer Verwandten in den USA herausrücken. Diese werden dann angerufen und erpresst, Lösegeld zu zahlen.
Viele kommen auf dem Weg durch die Wüste ums Leben. Wenn die Coyotes ihr Geld bekommen haben, lassen manche ihre Gruppe einfach in der Wildnis im Stich. „Die Leute haben keine Ahnung, wo sie sind“, sagt Escalante. „Manchmal sehen wir an ihren Spuren, dass sie die ganze Zeit im Kreis gegangen sind.“
Der dramatischste Fall in jüngster Zeit war der einer Frau, die mit ihrer neunjährigen Tochter von den Coyotes in der Wüste sich selbst überlassen wurde, weil sie zu langsam waren. Die Mutter versuchte, Hilfe zu holen und ließ das Mädchen alleine warten. Erst nach zwei Tagen konnten die Grenztruppen das Kind ausfindig machen. Es hat knapp überlebt. Nachrichten wie diese übermittelt Escalante den mexikanischen Radiostationen. Er will die Menschen in den entlegenen Dörfern, die so arm sind, dass sie keinen Fernseher haben, darüber informieren und warnen.
Es hat wenig Zweck. Die Menschen versuchen es trotzdem. Sie wollen der Armut und dem eskalierenden Drogenkrieg in ihrer Heimat entkommen. Manchmal fange die US Border Patrol bis zu 500 Menschen am Tag ab, gibt Escalante an. Die Dunkelziffer derer, die sich durch die Sicherheitsvorkehrungen hindurch winden können, wird dreimal so hoch geschätzt. Escalante meint, diese Zahl sei nur eine Spekulation.
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Zeit Online“, zeit.de
Die Mauer bei Nogales ist durchlässig. Streng genommen ist sie gar keine Mauer, sondern ein Zaun aus Gitterstäben. Man kann sich durch die rostroten Stäbe hindurch die Hand reichen. Oder ein Päckchen Marihuana hindurch schieben. Heute erscheint auf der mexikanischen Seite niemand, es ist Sonntagnachmittag, Muttertag.
Arturo Garino und seine Frau haben trotzdem die Bereitschaft, über ihre Stadt zu reden. Garino übt seit vier Monaten das Amt des Bürgermeisters von Nogales aus, einer Grenzstadt im Süden Arizonas. Diese kleine Stadt mit rund 20.000 Einwohnern auf der amerikanischen und fast einer halben Million auf der mexikanischen Seite spielt für die USA eine wichtige Rolle. So wichtig, dass Präsident Obama Garino nach El Paso gebeten hat, wo er am Dienstag eine Rede über Immigration hielt. Die Reform des Einwanderungsrechts wird Obamas nächstes Großprojekt.
Garino hatte sich vorgenommen, Obama seinen Dank auszusprechen. Für den Grenzausbau. „Die Regierung hat uns 213 Millionen Dollar für die Verbreiterung des Grenzübergangs zur Verfügung gestellt“, erklärt Garino. „Ich möchte dem Präsidenten zeigen, dass wir das Geld gut genutzt haben.“ Wenn die Arbeiten beendet sind, werden auf insgesamt 22 Spuren Waren aus Mexiko ins Land transportiert. Bisher waren es nur fünf befahrbare Grenzübergänge. Mehr als 60 Prozent aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die im Winter in den USA oder Kanada verbraucht werden, rollen durch Nogales.
Während das Tor für die Wareneinfuhr aus Mexiko erweitert wird, wird es für die Menschen immer enger. Der amerikanische Grenzschutz geht davon aus, dass die Hälfte aller Immigranten über das Gebiet von Tucson, in dem Nogales liegt, in die USA gelangen. Entsprechend scharf sind die Sicherheitsbestimmungen an dem 420 Kilometer langen Grenzabschnitt. 338 Kilometer davon wurden in den vergangenen Jahren mit Zäunen oder Gittern gesichert. Den höchsten und massivsten viereinhalb Meter hohen Gitterzaun hat die Nationalgarde 2008 auf Anweisung der Bush-Regierung bei Nogales hochgezogen.
Officer Mario Escalante ist stolz auf sein Werk. Regelmäßig fahren die Geländewagen der US Border Patrol den Zaun ab, etwas weiter entfernt versteckt sich ein mit Tarnlaub versehener Spähposten, der die Bewegungen hinter den Gitterstäben genau verfolgt.
Escalante brüstet sich mit Erfolgsstatistiken: Im Gebiet von Tucson hat der Grenzschutz von Oktober 2010 bis Mitte April 2011 insgesamt 79.663 Personen ergriffen, das sind 44 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Erfolg läge an den technischen Verbesserungen, so Escalante.
Früher hätte man den Fußspuren der Immigranten nachgehen müssen, sagt Escalante, heute wird mit Nachtsichtgeräten und unterirdischen Sensoren gearbeitet, um die Wege der Menschenschmuggler, die hier abschätzig „Coyotes“ bezeichnet werden, zu entlarven.
Der Menschenhandel in dieser Region ist inzwischen ähnlich einträglich wie der Drogenschmuggel. Zum Teil würden bis zu 20.000 Dollar für die Grenzüberquerung ausgehändigt, meint Escalante. Nicht nur Mexikaner, auch Menschen aus Guatemala, Honduras oder El Salvador wollen sich über Mexiko in die USA durchschlagen. Viele von ihnen werden von Schleppern entführt und so lange misshandelt, bis sie die Telefonnummern ihrer Verwandten in den USA herausrücken. Diese werden dann angerufen und erpresst, Lösegeld zu zahlen.
Viele kommen auf dem Weg durch die Wüste ums Leben. Wenn die Coyotes ihr Geld bekommen haben, lassen manche ihre Gruppe einfach in der Wildnis im Stich. „Die Leute haben keine Ahnung, wo sie sind“, sagt Escalante. „Manchmal sehen wir an ihren Spuren, dass sie die ganze Zeit im Kreis gegangen sind.“
Der dramatischste Fall in jüngster Zeit war der einer Frau, die mit ihrer neunjährigen Tochter von den Coyotes in der Wüste sich selbst überlassen wurde, weil sie zu langsam waren. Die Mutter versuchte, Hilfe zu holen und ließ das Mädchen alleine warten. Erst nach zwei Tagen konnten die Grenztruppen das Kind ausfindig machen. Es hat knapp überlebt. Nachrichten wie diese übermittelt Escalante den mexikanischen Radiostationen. Er will die Menschen in den entlegenen Dörfern, die so arm sind, dass sie keinen Fernseher haben, darüber informieren und warnen.
Es hat wenig Zweck. Die Menschen versuchen es trotzdem. Sie wollen der Armut und dem eskalierenden Drogenkrieg in ihrer Heimat entkommen. Manchmal fange die US Border Patrol bis zu 500 Menschen am Tag ab, gibt Escalante an. Die Dunkelziffer derer, die sich durch die Sicherheitsvorkehrungen hindurch winden können, wird dreimal so hoch geschätzt. Escalante meint, diese Zahl sei nur eine Spekulation.
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Zeit Online“, zeit.de