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Sudan: Massenvertreibungen im Kampf um Ölquellen

Meldung vom 31.05.2008

Im Sudan stehen die politischen Zeichen auf Sturm. Die Darfur-Krise schwelt immer noch. Der Frieden zwischen arabischem Norden und afrikanischem Süden ist äußerst gefährdet. Im Sudan steht eine Volksabstimmung bevor und es droht ein neuer, verheerender Konflikt.

In Abyei wird wieder gekämpft. Es ist gut drei Jahre her, dass Sudans Regierung mit der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) nach 22 Jahren Krieg Frieden schloss. Damals, im Januar 2005, geriet der Südsudan unter die Alleinherrschaft der SPLA-Führung. Eine Volksabstimmung soll 2011 entscheiden, ob der Südsudan nun vollends unabhängig wird. Freie Wahlen sind schon für 2009 in ganz Sudan anberaumt.

Aber je näher dieses Datum rückt, desto mehr erhebt sich wieder bewaffneter Konflikt. Offen ausgebrochen ist er jetzt in der Provinz Abyei. Das Gebiet liegt an der Grenze zwischen Nord und Süd und befindet sich mitten in Sudans Ölgebieten. Bei der Volksabstimmung in drei Jahren soll über Abyeis Zugehörigkeit zu Nord oder Süd entschieden werden. Seit dem Friedensvertrag haben hier Einheiten beider Seiten Position bezogen – und führen nun gegeneinander Krieg.

Als der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Ashraf Qazi, in einer Feuerpause das Zentrum von Abyei besuchte, lag es bereits in Schutt und Asche. Die Hälfte der Stadt ist seiner Einschätzung nach zerstört. Im Umland sieht es genauso aus. Die Bewohner, die nach langer Flucht bis ins als sicher geltende Buschland gelangen konnten, haben alles verloren.

„Die Kämpfe haben so plötzlich begonnen, dass die Bewohner Hals über Kopf geflohen sind“, erklärt der Österreicher Andreas Papp von Ärzte ohne Grenzen. Mindestens 60.000 Menschen befinden sich auf der Flucht. „Die Leute haben nichts mitnehmen können, sie haben nichts anzuziehen, nichts zu essen, nichts zu trinken und keinen Schutz gegen den Regen.“ Allein in Agok, der nächsten nennenswerten Siedlung 50 Kilometer südlich von Abyei, drängen sich bereits 24.000 Flüchtende in ein Dorf, wo sonst nur 2.000 leben, so der Mediziner.

Ärzte ohne Grenzen kümmert sich vor allem um Kinder. Wenn sich herumgesprochen hat, dass die Mediziner mit ihren Geländewagen da sind, kommen auch die Ängstlichen aus ihrem Versteck im Busch hervor gekrochen. „Wir haben in den vergangenen Tagen gut 140 Verwundete mit Gefechtsverletzungen behandelt“, resümiert Papp. Die meisten Krankheiten entstünden durch Unterernährung. Augen- und Atemwegserkrankungen, die sich im feuchten Unterholz schnell ausbreiten, diagnostiziert er am häufigsten.

Die politische Lage ist zum Zerreißen gespannt. „Sudan steht am Rande eines neuen Bürgerkriegs“, warnt SPLA-Generalsekretär Pagan Amum. „Die Soldaten aus dem Norden haben mehr als 100.000 Angehörige der Dinka-Ngok-Ethnie vertrieben und ganze Dörfer niedergebrannt, das sind ganz klar ethnische Säuberungen.“

Den unter starkem internationalem Druck ausgehandelten Friedensvertrag beachtet die Regierung in Khartum kaum. Sie weigert sich, eine im Vertrag stehende Entscheidung zu akzeptieren, der zufolge die Ölfelder von Abyei zum Süden gehören. Eine im April durchgeführte Volkszählung in ganz Sudan, Grundlage für Volksabstimmungen, wurde seit Dezember von Regierungsseite boykottiert. Ähnlich wie in Darfur wurden arabischstämmige Reitermilizen eingesetzt, ausgerüstet von der Regierung, um die schwarzafrikanische Bevölkerung des Dinka-Volkes aus Abyei zu vertreiben.

In Abyei und der weiter östlich gelegenen Grenzregion Unity geht es für Präsident Beshir um weitaus mehr als in Darfur. Hier konzentriert sich fast alles Öl des Sudan. Wenn die Volksgruppe der Dinka, traditionelle Hauptstütze der SPLA, in Abyei bleibt, so befürchtet man in Khartum, werde das Gebiet bei der Volksabstimmung 2011 dem Süden zufallen.

Die Ölquellen, die derzeit von chinesischen Firmen ausgebeutet werden, wären für Khartum verloren, wenn die parallel geplante Volksabstimmung für die Unabhängigkeit Südsudans plädiert. Massenvertreibungen werden im Sudan seit Beshirs Putsch als ein politisches Mittel eingesetzt. Angesichts des drohenden Verlusts der Ölquellen gelten Massenvertreibungen bei vielen Mächtigen in Khartum als kleiner Preis.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de