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Haiti: Präsident ohne Regierung

Meldung vom 18.07.2011

Haitis Regierungschef Martelly konnte noch immer kein Kabinett durchsetzen. Das Land ist völlig blockiert und sitzt im Elend fest, das 2010 das Erdbeben hinterließ. Auch wenn der erste Eindruck von Außenminister Guido Westerwelle ein anderer war, als er am 17. Juli auf Haiti landete. Westerwelle wurde auf dem Toussaint Louverture International Airport willkommen geheißen, ein modernes Abfertigungsgebäude mit Rolltreppen und verglasten Aufgängen.

Sobald seine Wagenkolonne jedoch vom Flughafen auf die Avenue Mais Gate Richtung Innenstadt abbog, wurde der Außenminister mit der haitianischen Realität konfrontiert: Keine fünf Meter von dieser Straßenkreuzung entfernt leben seit 18 Monaten Menschen, die durch das Erdbeben obdachlos wurden, in einem Zeltlager zwischen einem stinkendem Abwasserkanal und überfüllten Latrinen. Auf eine Verbesserung der Lebenssituation in absehbarer Zeit hofft dort keiner mehr.

Seit Mitte Mai ist Michel Martelly offiziell als Staatspräsident bestätigt, doch ein regierungsfähiges Kabinett konnte er noch nicht aufstellen. „Sweet Micky“ oder „Tet Kale“, Glatzkopf, wie er genannt wird, kann sich mangels seiner Politik-Erfahrung nicht durchsetzen. Martellys Popularität, die ihm einen triumphalen Wahlsieg einbrachte, ist auf sein musikalisches Talent zurückzuführen.

Statt über politische Erfahrung verfügt Martelly über jede Menge Gegenspieler, die sehr wohl mit der haitianischen Politik vertraut sind: Das Parlament wird von den mächtigen Familien des Landes beherrscht. Es ist im Griff der sogenannten Einheitspartei des vorigen Staatschefs René Préval, der vergeblich versuchte, durch die Manipulation der Stimmenauszählung bei den Präsidentschaftswahlen seinen eigenen Nachfolger zu platzieren. Lediglich drei Mandatsträger von den 99 der Unterkammer – und kein einziger von den 30 der Oberkammer – gehören dem Parteibündnis Bürgerreaktion des „Sweet Micky“ an.

Auf dem Weg zur neuen Regierung konkurrieren nun Parlament und Präsident miteinander. Martelly trat an mit dem Vorhaben, den Einfluss der etablierten Machtclans zu beschneiden. Die lassen ihn jedoch nun zappeln. Mitte Juni wiesen die Abgeordneten Martellys ersten designierten Ministerpräsidenten zurück – Daniel Gerard Rouzier, einen 51-jährigen Unternehmer und langjährigen Freund des Sängers. Die Parlamentarier führten als Ablehnungsgrund mögliche Interessenkonflikte an, sollte ein Unternehmer Premierminister werden – und forderten von Martelly, einen neuen Kandidaten aufzustellen.

Doch auch der zweite Versuch droht, zu scheitern. Vor einer Woche präsentierte Martelly dem Parlament als designierten Premierminister Bernard Gousse, einen Juristen, der 2004 das Amt des Innenministers in der Übergangsregierung nach dem Sturz von Jean-Bertrand Aristide innehatte.

Doch auch gegen Gousse bildet sich bereits der Widerstand. Martelly gab nun bekannt, er bestehe auf seiner Wahl. Dafür wird er jedoch diplomatische Verhandlungen mit den Abgeordneten führen müssen. Die Abgeordneten der Einheitspartei wollen eine Regierungsbeteiliung durchdrücken und verlangen drei Ministerposten. Nur mit Verhandlungsgeschick wird Martelly Gousse etablieren können.

Bis eine Regierung gebildet ist, wird das Land von einem Übergangskabinett geführt unter einem noch von Préval eingesetzten Premierminister. Doch Regieren wirkt sich anders aus, krisitisert Elke Gottschalk von der Deutschen Welthungerhilfe: „Uns fehlen in den Ministerien die Ansprechpartner, die bereit sind, Entscheidungen zu treffen.“

Bei seinem Besuch hat Außenminister Guido Westerwelle dem Karibikstaat weitere deutsche Hilfe versprochen. „Wir werden Haiti nicht vergessen“, versprach Westerwelle in Port-au-Prince. Das Land müsse aber auch „selbst die Aufgaben erledigen, die es zu erledigen hat“. Westerwelle ermahnte das Land, schnellstmöglich eine neue Regierung zu bilden. Haiti war für Westerwelle die letzte Station einer einwöchigen Amerikareise. In der Hauptstadt Port-au-Prince stand unter anderem ein Treffen mit Präsident Michel Martelly auf dem Programm. Zuvor war Westerwelle in den USA, Kolumbien und Mexiko.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Financial Times“, ftd.de

Schlagwörter: Haiti, Michel Martelly, Regierung, Parlament, Kabinett, Guido Westerwelle, Parteien, Zeltstädte, Port-au-Prince