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Uganda: Vom Opfer zum Täter – LRA-Kommandant vor Gericht

Meldung vom 27.07.2011

Uganda erlebt derzeit eine Premiere. Zum ersten Mal muss sich ein Kommandant der berüchtigten Rebellenarmee LRA (Lord’s Resistance Army) vor Gericht verantworten. Das Sondergericht wird im einstigen nordugandischen Kriegsgebiet abgehalten.

Thomas Kwoyelo starrt ins Leere. Er steht vor der Anklagebank im Saal des Hohen Gerichts in der nordugandischen Stadt Gulu. Sein Verteidiger, John Francis Onyango, bittet die Richter darum, dass sich sein Klient setzen darf. Er sei sehr schwach. Der Richter ist einverstanden. Kwoyelo setzt sich ohne jemanden anzuschauen.

Knapp zwanzig Jahre lang hat der 39-Jährige in Afrikas brutalster Rebellengruppe Verbrechen ausgeübt. Das hat den dürren Mann aus Norduganda ausgelaugt. Als Jugendlicher wurde er Ende der 1980er Jahre von den Rebellen unter dem berüchtigten Joseph Kony verschleppt und zwangsrekrutiert. Kwoyelo kämpfte über ein Dutzend Jahre in Uganda, und machte in der Miliz Karriere, erreichte den Grad des Oberst.

Bis 2005 führte er ein LRA-Lazarett in der Region Pabbo nördlich von Gulu. 2006 floh er mit seiner Einheit in den Südsudan und weiter in den Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, wo sich die LRA im Urwald des Garamba-Nationalparks verbarg. Ende 2008 warf Ugandas Armee Bomben über dem Dschungelcamp ab. Die Rebellen ergriffe erneut die Flucht, Kwoyelo erlitt eine Schusswunde. Seit 2009 wird er in einem Hochsicherheitsgefängnis in Uganda festgehalten.

Jetzt muss sich der LRA-Kommandeur in einem Prozess verantworten. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein LRA-Kämpfer vor Gericht steht. Kwoyelo wird der absichtlichen Tötung, Geiselnahme und Zerstörung von Eigentum bezichtigt. Es droht ihm „lebenslänglich“. Laut den 12 Anklagepunkten habe er zwischen 1994 und 2005 in Norduganda mehrere Massaker angeordnet, Zivilisten entführt und Häuser verbrannt.

Der Prozess zieht viele Zuschauer an. Um dem Andrang gerecht zu werden, stehen im Innenhof des kleinen Gerichtshofs Zelte mit Bänken. Über 50 Ugander wohnen der Verhandlung bei. Einer von ihnen ist Alex Nyeko: 1990 überfiel die LRA sein Dorf Koro und brachte seinen Onkel um, zehn Jahre lang musste er unter miserablen Bedingungen in einem Flüchtlingslager aushalten. Inzwischen baut er wieder seinen Acker in Koro an, aber heute hat er sich nach Gulu aufgemacht, um den Prozess zu verfolgen. „Solange es die LRA gibt, werden wir keinen Frieden finden“, ist er überzeugt.

Die Prozesslage ist kompliziert. Im Jahr 2000 erließ Uganda ein Amnestiegesetz, das allen Exkämpfern Straffreiheit zugestand, wenn sie der Rebellion abschwören. Auch Kwoyelo habe Amnestie beantragt, meint sein Verteidiger. „Bis heute ist nicht klar, warum ihm diese nicht gewährt wurde.“ Das Gesetz hat sich zwar vorbehalten, hochrangigen LRA-Kommandeuren die Straffreiheit zu verweigern. Doch das Parlament hat bislang keine dafür erforderliche Namensliste definiert.

Kwoyelos älterer Bruder, George Abedo, wohnt mit seiner Mutter dem Prozess bei. Sein Gesichtsausdruck ist verzweifelt. Er kann sich gut den Tag vor zwei Jahrzehnten ins Gedächtnis zurückholen, als sein Bruder nicht mehr von der Schule nach Hause kam. Damals hatte die LRA das Dorf Amuru umzingelt. „Irgendwann wurde uns bewusst, dass er verschleppt worden war“, berichtet Abedo. Erst 20 Jahre später sah er seinen Bruder wieder, im Militärkrankenhaus in Kampala. „Er lächelte, als er mich sah, doch ich sah an seinem Blick, er war ein gebrochener Mann.“

Dass Kwoyelo keine Amnestie erhält, findet sein Bruder unfair. „Er ist doch ein Opfer von Kony wie alle anderen auch“, unterstreicht er. Selbst der Kommandeur, der Kwoyelo einst verschleppt hatte, sei freigesprochen worden. Er lebt als freier Mann in Gulu.

Das Verfassungsgericht muss jetzt auch darüber befinden, ob der Krieg in Norduganda ein internationaler Konflikt war, wie die Anklageschrift sagt. Sie bezieht sich dabei auf die Genfer Konvention von 1947, die zwischenstaatliche Konflikte behandelt. Die Anklage stuft den Bürgerkrieg in Norduganda als internationalen Krieg ein, weil die LRA vom Sudan unterstützt wurde.

„Doch dafür sind keine hinreichenden Beweise vorgelegt worden“, bemängelt Onyango. Nach knapp sieben Stunden entscheiden die Richter, die Fragen an das Verfassungsgericht zu übergeben. Kwoyelos Bruder Abedo zeigt sich erleichtert. Kwoyelo selbst blickt weiterhin stumpf ins Leere.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Uganda, LRA, Lord's Resistance Army, Joseph Kony, Gericht, Prozess, Kriegsverbrechen, Kriegsgericht, Gulu, Rebellen, Kindersoldaten, zwangsrekrutiert, Entführung, Amnestie, Genfer Konvention, Bürgerkrieg