Kenia: Familien verkaufen ihre Töchter wegen Hunger

Meldung vom 10.08.2011

Der Hunger in Kenia bringt viele Eltern in so große Not, dass sie Verzweiflungstaten begehen. Viele verkaufen ihre jüngsten Töchter gegen Vieh oder Bargeld. Schon Neunjährige werden in eine Zwangsehe gegeben.

Der Handel wird hinter verschlossenen Türen abgehalten. Fatma Ahmed, die siebenfache Mutter, kauert in ihrem Verschlag in einem Dorf im Nordosten Kenias. „Es ist ganz normal, aber niemand spricht darüber. Manche müssen ihre Töchter schon in ganz zartem Alter verkaufen, um etwas zu essen zu bekommen“, gibt sie zu.

Die Folgen der lang anhaltenden Dürre im Norden Kenias bringen immer mehr Familien dazu, furchtbare Auswege zu suchen. Zwangsheirat ist zwar durchaus gebräuchlich in Kenia, die Hungerkatastrophe jedoch hat diese Praxis erheblich häufiger werden lassen. Offiziell sind Eheschließungen vor dem 18. Lebensjahr illegal, unter den derzeitigen Bedingungen wird darüber jedoch hinweg gesehen.

Über das Thema tauscht man sich in der Öffentlichkeit nur im Flüsterton aus. In vielen Gemeinden, wie hier bei den somalischen Viehzüchtern, bemühen sich die Familien, ihre Töchter immer jünger zu verheiraten, um für deren Ehre und Jungfräulichkeit garantieren zu können. Mädchen, die nicht jung verheiratet sind, werden als unrein angesehen. Sie können schnell zu einer Belastung für die Familien und die gesamte Gemeinde werden. „In unserer Kultur heiraten die Mädchen oft schon mit neun Jahren“, betont einer der Sozialarbeiter vor Ort.

„Wenn sie sich weigern, werden sie von ihren Eltern gezwungen“, meint er. In den Gemeinden der Viehzüchter wurde oft ein hoher Brautpreis in Form von Vieh entrichtet. Aber seit der Dürre verendet das Vieh und die Kadaver verunreinigen das Land und bedecken die Landschaft der Wüste. Jetzt zählt nur noch bares Geld als Brautpreis. In manchen Fällen ist ein Mädchen gerade einmal 15.000 Kenianische Schilling (umgerechnet 118 Euro) wert. „Wenn ein Mann reich ist, kann der Preis auf bis zu 50.000 Schilling (rund 375 Euro) steigen“, erklärt Fatma Ahmad.

Regionalbehörden sehen den Hunger als Auslöser für den Aufwärtstrend des Menschenhandels. Mütter nehmen ihre 14-jährigen Töchter aus der Schule und verkaufen sie an einen Mann, oft auch an alte Männer, um den Rest der Familie ernähren zu können. Nach Informationen der Vereinten Nationen geht nur noch jedes fünfte Mädchen in den Nordöstlichen Regionen Kenias in die Schule.

Die Hilfsorganisation Word Vision vermisst von den insgesamt 3.060 unterstützten Kindern aus der Provinz mehr als 400 Mädchen. Sie sind unauffindbar. Angeblich wurden sie zu Verwandten in anderen Gebieten geschickt, um sich dort etwa als Putzfrau nützlich zu machen. In den meisten Fällen dürften die Mädchen aber verkauft worden sein, glaubt Jacob Alemu, Mitarbeiter von World Vision, „damit der Rest der Familien nicht verhungert“.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Handelsblatt“, handelsblatt.com