Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Indien: Bürokratie rationalisiert die Armen weg

Meldung vom 11.10.2011

Indien hat sich etwas Neues einfallen lassen, um das Problem der Armut zu lösen: Die Regierung will einfach die Armutsgrenze neu definieren. Sie soll in Zukunft deutlich unterhalb der international anerkannten Hürde und den bisher gültigen Maßstäben liegen. Indien könnte so mit einem Federstrich Millionen von Menschen „aus der Armut befreien“ und damit den Staatshaushalt entlasten. Denn die neue Armutsgrenze bedeutet, dass viele Inder die Berechtigung verlieren, von der staatlichen Wohlfahrt Hilfe zu erhalten und Lebensmittelrationen oder auch billigeren Brennspiritus zu bekommen. Diese Pläne bedeuten in Zeiten stark steigender Lebensmittelpreise für die Armen eine Katastrophe. Nun aber weitet sich Protest gegen das Vorhaben der einflussreichen Planungskommission aus.

Die Kommission, die die Wirtschaftspläne der drittgrößten Volkswirtschaft Asiens festlegt, bemüht sich um ein neues Gesetz zur Sicherung der Lebensmittelversorgung. Dies wurde dem Obersten Gerichtshof in Delhi präsentiert. Darin steht, jeder Städter, der mehr als 32 Rupien (47 Eurocent) täglich zur Verfügung hat, wird nicht mehr als arm eingestuft. Auf dem Lande soll die Obergrenze bei 26 Rupien angesetzt werden.

Die genannten Ausgaben umfassen Lebensmittel, Gesundheit und Bildung. Ursprünglich wollte die Kommission die Grenze bei 20 und 15 Rupien festlegen – diese aber lehnte das Oberste Gericht Mitte Mai ab. Der Stellvertretende Vorsitzende der Kommission, der anerkannte Ökonom Montek Singh Ahluwalia, machte darauf aufmerksam, dass die neu definierte Armutsgrenze nicht automatisch nach sich ziehe, dass die Menschen oberhalb nicht gleichwohl Unterstützung der Regierung bekämen.

Die Regeln der Weltbank sehen vor, dass 1,25 Dollar gemessen in Kaufkraftparität als Grenze zur extremen Armut angenommen werden müssen. Demnach fristen schätzungsweise 41,6 Prozent oder 500 Millionen der gut 1,2 Milliarden Inder ihr Leben in extremer Armut. Ein Ausschuss der indischen Regierung war vor zwei Jahren zu dem Ergebnis gelangt, dass 400 Millionen Inder unterhalb der Armutsgrenze lebten. Etwa die Hälfte der indischen Kinder unter fünf Jahren bringt zu wenig Gewicht auf die Waage. Zum Vergleich: In China beläuft sich der Anteil auf 5 Prozent, in der Sub-Sahara-Region auf 28 Prozent. Täglich sterben knapp 3.000 Kinder an den Folgen des Hungers. Die Weltbank hat Indiens Armutsbekämpfung bemängelt, weil diese von Bestechung und Missmanagement geprägt sei.

Die angesehene Tageszeitung Times of India beschimpft die geplante Grenze als „lächerlich unrealistisch“. Nach Berechnungen der Zeitung würde künftig derjenige nicht mehr als „arm“ eingestuft, der mehr als 30 Rupien (44 Eurocent) im Monat für Bildung oder 61 Rupien (90 Eurocent) für Kleidung ausgibt. Die Zeitung DNA wandte sich gegen Montek Singh Ahluwalia und stellte sein Einkommen in Vergleich zu dem eines Durchschnittsinders: „25 Rupien für den Durchschnittsinder, 1.366 mal so viel für Montek.“

Die indische Opposition beschuldigt die Regierung, lächerliche Erhebungen anzustellen und völlig realitätsfern von dem Lebensalltag zu operieren: „Sie haben keine Ahnung von Armut und gehen nicht hinaus in die ländlichen Regionen“, empört sich der ehemalige Finanzminister Yashwant Sinha. Aber auch innerhalb der von Konflikten und Skandalen zerrütteten Regierung brodelt es: Jairam Ramesh, Minister für ländliche Entwicklung, verlangte von der Planungskommission, andere Messwerte anzulegen. Die Debatte um Armut in Indien hat eine lange Vergangenheit. 2009 hatte das Suresh-Tendulkar-Komitee eine ältere Methode aktualisiert. Bis dahin wurde derjenige als arm betrachtet, der die Kosten für die Zufuhr von 2.400 Kalorien am Tag durch Getreide nicht tragen konnte.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Indien, Armut, Armutsgrenze, Staatshaushalt, Lebensmittelpreise, staatliche Wohlfahrt, Kommission, Messwerte, Oberster Gerichtshof, Delhi, Korruption, Misswirtschaft, Weltbank