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Afghanistan: UN deckt Folter in Gefängnissen auf

Meldung vom 12.10.2011

Die afghanischen Sicherheitsbehörden wurden von den Vereinten Nationen schwerer Menschenrechtsverletzungen bezichtigt. In afghanischen Gefängnissen sollen Häftlinge systematisch gefoltert worden sein. Laut einem Bericht der UN-Mission in Afghanistan (Unama) liegen „erdrückende Beweise“ vor, dass Geheimdienst und Sicherheitskräfte in mindestens sieben Haftanstalten des Landes foltern. Dabei sei im April sogar jemand zu Tode gekommen. Der Bericht stützt sich auf Häftlingsbefragungen.

Die Gefangenen berichten von Schlägen, physischer Gewalt, Stromschlägen und Todesdrohungen. Der UN-Bericht über Folter in Afghanistan hat Menschenrechtler in Aufruhr versetzt – aber wenig überrascht. Seit Jahren habe man die Missstände angeprangert, doch niemand habe darauf reagiert. Das Innenministerium des Landes gab zu, Misshandlungen seien vorgekommen.

Es sind erschütternde Situationen, die Häftlinge aus afghanischen Gefängnissen bezeugen: Schläge mit Stromkabeln, Elektroschocks, Todesdrohungen. Man habe die Internationale Schutztruppe ISAF schon vor Jahren auf die Verstöße in den Haftanstalten des Landes aufmerksam gemacht, teilte Amnesty International mit. „Doch statt rasch zu reagieren, hat die ISAF die Situation völlig außer Kontrolle geraten lassen“, kritisierte Sam Zarifi, Sprecher der Organisation für die Region. Nun seien die Regierungen an der Reihe, zu erklären, wie es so weit kommen konnte. Amnesty hatte schon Alarm geschlagen, nachdem erste Details durchgesickert waren.

Auf 84 Seiten legt der UN-Bericht in teils drastischer Wortwahl den brutalen Alltag hinter den Mauern der afghanischen Gefängnisse dar. Die Häftlinge melden sich anonym zu Wort, sie tragen Nummern. So schildert Häftling 371: „Der Verhörführer benutzte Stromkabel, mit denen er mir auf die Hand schlug. Immer wieder sagte er mir, dass man mich töten würde, wenn ich kein Geständnis ablege.“

Ein anderer Gefangener wurde stundenlanger Folter ausgesetzt: „Sie hängten mich an den Handgelenken an einer Stahltür auf, mein Kopf war mit einer Kapuze verhüllt. Irgendwann fingen sie an, mit Plastikrohren auf meine Beine und Füße einzuschlagen“, erklärt Häftling 243. In dem Bericht spricht er außerdem von Misshandlungen im Genitalbereich.

Über viele Seiten ziehen sich die Berichte, laut UN konnten viele Befragte Narben vorweisen, die zu ihren Leidensgeschichten passten. Doch nicht nur in seinen grausamen Details ist die Studie bisher einzigartig. Sie offenbart auch anhand von konkreten Zahlen das Ausmaß der Misshandlungen, über das bisher stets nur Vermutungen angestellt werden konnten.

Bei der UN wartet man nun auf eine Reaktion der lokalen Behörden: „Folter ist eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen, die es gibt. Dies gilt sowohl für internationales Recht, als auch unter afghanischer Rechtssprechung. Daher müssen diese Vorfälle Konsequenzen haben“, forderte Georgette Gagnon, Menschenrechtsbeauftragte der UN-Mission in Afghanistan (Unama). Immerhin waren die Behörden vor Ort während des Untersuchungszeitraums bereit, mit der Unama zusammen zu arbeiten.

Der Aufwand, mit dem die UN-Mitarbeiter ihre Studie erhoben, war riesig. So wurden mehr als 300 Gefangene interviewt, die wegen bewaffneter Auseinandersetzungen festgehalten werden. Insgesamt inspizierten die UN-Mitarbeiter 47 Haftanstalten im ganzen Land. Während der Befragungen waren keine Wachleute zugegen, die Gespräche wurden zudem in der Muttersprache der Häftlinge abgehalten. Insgesamt nahm die Interview-Serie knapp elf Monate in Anspruch – von Oktober 2010 bis August 2011.

Allein in den Gefängnissen der afghanischen Nationalpolizei deckte die Studie auf, dass mehr als ein Drittel aller untersuchten Häftlinge gefoltert oder misshandelt wurde. Noch schlimmer stellt sich die Situation laut UN-Bericht jedoch in den Haftanstalten des Inlandsgeheimdienstes NDS dar: Hier musste fast die Hälfte (46 Prozent) der befragten Gefangenen während ihrer Haftzeit mindestens einmal Foltermethoden über sich ergehen lassen. Bei beiden Erhebungen kam man zu dem Ergebnis, dass nicht mehr von einer Reihe von Einzelfällen, sondern von systematischer Folter gesprochen werden muss.

Besonders drastisch spiegelt der Report das Leid der Gefangenen wider, die in der gefürchteten „Abteilung 90“ einsaßen. Hier hält der Geheimdienst Terrorverdächtige und andere mutmaßliche Staatsfeinde fest – und foltert sie offenbar großangelegt. Von 28 Befragten gaben nur zwei an, während ihrer Inhaftierung von Gewalt verschont geblieben zu sein. Zu den Gefolterten zählten auch Minderjährige. Immer wieder nannten sie das Gefängnis in den Interviews eine „Hölle“.

Stellungnahmen aus Afghanistan sind bisher noch verhalten. Das Innenministerium in Kabul gab an, es werde den Bericht zur Kenntnis nehmen und in den kommenden Tagen reagieren. Die Behörde gab jedoch bereits zu, dass „vereinzelt“ Misshandlungen vorgenommen wurden, und kündigte an, sich um eine „Lösung des Problems“ zu bemühen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Afghanistan, Folter, Gefängnis, Haftanstalt, Häftlinge, Foltermethoden, Schläge, Elektroschocks, UN-Bericht, UN, UNAMA, Geheimdienst, Menschenrechte, Menschenrechtsverletzungen, systematische Folter, Kabul