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Kenia: Eine Zeitung im Flüchtlingslager

Meldung vom 12.01.2012

Im größten Flüchtlingslager der Welt gibt es nun eine Lokalzeitung. Über das kenianische Lager Dadaab wurde in der internationalen Presse viel geschrieben. Nun haben sich die Bewohner zusammengetan und eine eigene Zeitung gegründet. Die jungen Redakteure und Redakteurinnen wollen eine Zeitung von Flüchtlingen für Flüchtlinge schreiben und sind selbst vor dem Bürgerkrieg im Nachbarland Somalia geflohen.

Aden Hassan Farah neigt sich, um die alte Frau besser hören zu können. Sie ist so ausgelaugt, dass sie nur noch flüstern kann. Elf Tage lang währte ihr Fußmarsch aus dem Süden Somalias. Jetzt ist sie in Dadaab angekommen. In „The Refugee“ (Der Flüchtling) wird Farahs Geschichte erscheinen. Der 25-jährige Somalier ist Nachrichtenchef der neuen Zeitung.

Farah war gerade fünf Jahre alt, als er mit seiner Familie aus der Hauptstadt Mogadischu fliehen musste. Allerdings wurde es ihm erspart, tagelang halb verhungert durch die somalische Steppe zu irren: Sein Vater war bis 1991 Minister unter dem somalischen Diktator Siad Barre, nach dessen Sturz entwich Farah mit seinen Eltern und Geschwistern in Geländewagen nach Dadaab. Schwer bewaffnete Leibwächter umgaben sie damals. 20 Jahre später berichtet Farah über diese Ereignisse und das Schicksal von fast 500.000 Somaliern, die heute in dem Lager untergekommen sind.

Als im vergangenen Sommer Dutzende Reporter, Kameramänner und Fotografen der großen westlichen Medien plötzlich auf der Bildfläche erschienen, nahmen Farah und seine Freunde wahr, dass man sich doch für sie interessiert. Jahrelang gingen sie davon aus, der Rest der Welt hätte sie, den seit über 20 Jahren währenden Bürgerkrieg in ihrer Heimat und die schlimmste Dürre seit über einem halben Jahrhundert überhaupt nicht im Blick.

Doch im letzten Sommerloch geriet Dadaab plötzlich weltweit in die Schlagzeilen. Nirgendwo wurde die Hunger- und Flüchtlingskatastrophe anfassbarer. Mittlerweile sind die ausländischen Journalisten wieder abgezogen. Damit die Zelt- und Hüttenstadt Dadaab nicht wieder zu einem toten Winkel wird, hat Farah mit acht weiteren jungen Lagerbewohnern „The Refugee“ ins Leben gerufen.

Abdi Abdullahi ist erst 27 Jahre alt und schon Chefredakteur der Zeitung. Als er sieben Jahre alt war, schlug eine Granate in das Haus seiner Familie in der südsomalischen Hafenstadt Kismayo ein. „Mein Vater, meine Mutter und zwei meiner Geschwister wurden zerfetzt. Ich war mit meinen beiden jüngeren Schwestern in einem anderen Raum. Wir blieben unverletzt und rannten los. Nach Dadaab.“

Abdullahi gewann mit seiner Geschichte einen internationalen Wettbewerb und erhielt in Dadaab einen Journalismuskurs. Ibrahim Hirsi, ein ehemaliger somalischer Flüchtling, der mittlerweile in den USA Journalismus studiert, gab Abdullahi und seinem Team eine Einführung in das Schreiben von Reportagen, Kommentaren und Nachrichten, unterwies sie, wie man ein Interview führt, wie man Digitalkamera, Diktiergerät und Computer handhabt. Kurz darauf wurde die erste Ausgabe von „The Refugee“ veröffentlicht.

„Meine Redakteure und ich haben oft ausländischen Journalisten in Dadaab zugearbeitet. Irgendwann haben wir uns gedacht: Wir leben hier, wir kennen hier jeden und jedes Problem, wir brauchen keine Übersetzer, die Leute vertrauen uns. Was die ausländischen Journalisten können, können wir auch. Vielleicht sogar besser“, meint Abdullahi. Doch wie entsteht eine Zeitung in einem Flüchtlingslager, in dem man selten über Strom, kaum Internet, kein Papier und keine Druckmaschine verfügt?

In einem Redaktionsbüro können sich Abdullahi und seine sechs männlichen und zwei weiblichen Kollegen nicht versammeln. Weil sie kein Gehalt beziehen, gehen sie meist zu Fuß im Flüchtlingslager zu ihren Interviews, schreiben ihre Artikel handschriftlich vor, tippen sie dann im Büro von FilmAid International ab oder schreiben sie in ihren Hütten auf dem einzigen Redaktions-Laptop, der von Redakteur zu Redakteur herumgereicht wird. Mithilfe eines kenianischen Journalisten entwarfen sie ein Layout für die acht Seiten starke Zeitung, senden die fertige PDF-Datei per Mail in die Hauptstadt Nairobi. Dort wird „The Refugee“ (Auflage 500 Stück) gedruckt und auf einem LKW gemeinsam mit Hilfslieferungen in das 500 Kilometer entfernte Flüchtlingscamp transportiert – das letzte Stück mit Polizeischutz.

„Der „Refugee“ gibt uns Flüchtlingen eine Stimme. Wir erfahren, wo wir im Lager Hilfe bekommen, wir lesen von Flüchtlingen, die es geschafft haben, Dadaab zu verlassen und uns so Mut machen, und die Zeitung berichtet von der schlimmen Situation in unserer Heimat, Somalia“, betont Flüchtling Idriss, der die Zeitung im Schatten eines Baumes laut vorliest. Rund 20 Flüchtlinge hören ihm konzentriert zu, die meisten von ihnen sind des Lesens nicht mächtig. Viele Flüchtlinge fiebern der nächsten Ausgabe geradezu entgegen.

„The Refugee“ schafft nicht nur einen Sinn in dem Leben der neun Redakteure und Redakteurinnen im Alter von 18 bis 27 Jahren, deren Traum eine Karriere bei CNN oder al-Dschasira ist. Das Blatt ist auch für alle Leser ein Signal der Hoffnung in der Monotonie, Langeweile und Perspektivlosigkeit des Lagers. Nach einem Bericht über einen Flüchtling mit einem kürbisgroßen Tumor im Gesicht sammelten die Bewohner Geld und ermöglichten so die lebensrettende Operation in Nairobi. Nach einer Reportage über Albinos im Lager verstanden die Bewohner, dass auf den weißen Somaliern keineswegs ein Fluch liegt, sondern ihnen nur Pigmente fehlen. Die Diskriminierung ging daraufhin spürbar zurück.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Kenia, Zeitung, The Refugee, Der Flüchtling, Dadaab, Flüchtlingslager, Reportage, Interviews, Redaktion, Hoffnung, Bürgerkrieg, Nairobi, Journalismus, Flüchtlingscamp