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Kenia: Der politischen Elite wird der Prozess gemacht

 
Meldung vom 27.01.2012

Kaum einer in Kenia hat das für möglich gehalten: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat seine Anklage gegen vier prominente Politiker durchgesetzt. Sie sollen die Krawalle von 2008 entfacht haben, bei denen mehr als tausend Menschen getötet wurden. Noch nie zuvor musste sich die kenianische Elite wirklich verantworten. Unter dem Druck des laufenden Verfahrens sind nun mehrere Minister Kenias zurückgetreten.

Zu guter Letzt hat es alles nichts gefruchtet, das Singen und das Tanzen nicht, und auch die vielen Gebete blieben unerhört: Priester hatten noch öffentliche Fürbitten gen Himmel geschickt, ein Teil der Angeklagten hatte sich in den eigenen Stellungsnahmen demütig gezeigt, ein anderer provokativ. Alles half nichts, die ranghohen Politiker mussten vor Gericht erscheinen. Das halbe Land hockte am Montagmittag vor dem Fernseher, um die Entscheidung in Den Haag mitzubekommen.

Eine Prüfungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) hat die Anklagen gegen vier Kenianer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verlesen, darunter den Finanzminister und Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, Uhuru Kenyatta, und den Anführer der mächtigen Kalenjin-Ethnie, William Ruto. Ebenso angeklagt werden die rechte Hand von Staatspräsident Mwai Kibaki, Francis Muthaura, sowie der Moderator einer lokalen Radiosenders, der mit Hassreden die Menschenmassen beeinflusst haben soll.

Sie werden beschuldigt, die Auseinandersetzungen nach den Wahlen Anfang 2008 geschürt, organisiert oder auch finanziell unterstützt zu haben. Über 1.100 Menschen waren getötet worden, Zehntausende verletzt und vertrieben worden. Was geschah damals? Nach den Wahlen kurz nach Weihnachten 2007 hatten schwere Krawalle das Land heimgesucht. Das Wahlergebnis war knapp ausgefallen, der amtierende Präsident Kibaki, ein Kikuyu, ließ sich in aller Schnelle neu vereidigen, und die Luos, die Anhänger des angeblich unterlegenen Kandidaten Raila Odinga, fingen heftige Protestaktionen an, und im fruchtbaren Rift Valley nutzten Kalenjin die Gelegenheit, die verhassten Kikuyus in die Flucht zu treiben.

Vor allem im westlichen Teil des Landes standen Häuser und Kirchen in Flammen, Menschen wurden erschlagen, lebendig in Brand gesetzt, Frauen in Massen vergewaltigt, Luo-Männer zwangsweise von verfeindeten Kikuyus beschnitten. Nur sehr langsam erholte sich das Land von dem Schock, auch die ökonomische Erneuerung dauerte fast zwei Jahre.

Für Kenia ist das Verfahren eine starker Einschnitt: Bei allen Wahlen seit 1992 ist es zu blutigen Kämpfen zwischen den verschiedenen Ethnien gekommen. Noch nie wurden die Hintermänner zur Rechenschaft gezogen. Wie überhaupt noch nie hochrangige Politiker für Diebstahl (von Land), Unterschlagung, Anstiftung zur Gewalt oder Bestechlichkeit vor Gericht zitiert wurden. Nicht von ungefähr zählen die Familien Kenyatta, Moi und Kibaki – es sind die Familien der drei bisherigen Präsidenten – zu den reichsten des Landes.

Auch am Wochenende konnte kein Kenianer wirklich glauben, dass sich Führungsleute wie etwa der Sohn des Staatsgründers vor einem Gericht für mutmaßliche Missetaten verantworten müssen. „Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Richter die Anklagen gegen einen Teil der Beschuldigten bestätigen ...“, meldete am Samstag noch das Massenblatt Daily Nation auf seiner Meinungsseite.

Die Entscheidung, nun ein hochrangiges Quartett zur Verantwortung zu ziehen, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt prekär, weil die nächste Wahl vor der Tür steht. Ende 2012 sollen ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt werden, und nicht wenige Kenianer und Beobachter hätten im Falle eines Freispruchs ein neues Massaker befürchtet. Nun haben die Richter und mit ihnen die internationale Gemeinschaft ein deutliches Zeichen gesetzt: kein weiteres Mal!

Mit aller Macht hatte die kenianische Regierung sich bemüht, das Verfahren zu boykottieren. Zeugen mussten ins Ausland in Sicherheit gebracht werden, weil die Polizei sie nicht schützen konnte oder wollte, der Belastungszeuge Pastor Bernard Ndege, dessen Frau und Kinder während der Rachefeldzüge in Naivasha umkamen, wurde erst bedroht, dann verschwand er spurlos.

Offen ist nun, ob die Angeklagten weiterhin in ihren öffentlichen Ämtern bleiben dürfen. William Ruto musste wegen Korruptionsvorwürfen schon im Jahr 2010 aus der Ministerrunde ausscheiden. Daraus hat sich nun der nächste Streit ergeben. Justizminister Mutula Kilonzo hatte verdeutlicht, dass kaum ein demokratisches Land der Welt eine Kandidatur für das Präsidentenamt zulasse, wenn sich der Kandidat vor dem ICC verantworten müsse. Auch die neue kenianische Verfassung, die erst vor knapp eineinhalb Jahren in Kraft getreten ist, sehe das nicht vor.

Inzwischen hat Uhuru Kenyatta, der Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, sein Amt als Finanzminister niedergelegt. Vize-Ministerpräsident wolle er jedoch weiter bleiben. Der Chef des öffentlichen Dienstes, Francis Muthaura, reichte ebenfalls seinen Rücktritt ein.

Kenyatta und Ruto haben bereits proklamiert, trotz des bevorstehenden Prozesses bei der Präsidentenwahl Anfang 2013 zu kandidieren. „Mein Gewissen ist rein, es war rein und es wird immer rein sein. Ich bin unschuldig in allen Anklagepunkten“, hatte Kenyatta nach der ICC-Entscheidung immer noch behauptet.






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Kenia, Internationaler Strafgerichtshof, Den Haag, Elite, Politiker, Minister, Hassreden, Anklage, Rechenschaft, Hintermänner, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Uhuru Kenyatta, William Ruto, Francis Muthaura, Rift Valley, Raila Odinga, Kikuyu, Krawalle, Luo, Massaker, Wahl