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Indien: So leicht wie ein Blatt – Hunger trotz Wirtschaftsboom

Meldung vom 17.02.2012

Mehr als 40 Prozent aller indischen Kinder sind untergewichtig. Der Wirtschaftsboom geht an den meisten spurlos vorbei. Die zweijährige Rajini ist wie ein Strich in der Landschaft. Die elektronische Waage der heruntergekommenen Ernährungsklinik in der zentralindischen Stadt Shivpuri gibt an, dass das weinende Kind mit den hervorstehenden Rippen fünf Kilo wiegt – halb so viel wie gesunde Kinder ihres Alters.

„Sie ist so leicht wie ein Blatt – das kann doch nicht gut sein“, sorgt sich ihre Großmutter. Wahrscheinlich ist ihr gar nicht bewusst, wie recht sie damit hat: Unterernährte Kinder sind in allem benachteiligt, sie bleiben ihr Leben lang kleiner, schwächer und weniger intelligent als wohlgenährte Spielkameraden – wenn sie überhaupt überleben.

Rajini ist bei weitem kein Einzelfall: Mehr als 40 Prozent aller indischen Kinder sind unterernährt. Obwohl sich das indische Pro-Kopf-Einkommen allein zwischen 1990 und 2005 auf durchschnittlich rund 500 Dollar pro Jahr verfünffacht hat, ist die Hungerquote in den vergangenen Jahren fast gleichbleibend schlimm geblieben. Rund 3.000 Kinder sterben noch immer täglich an den Folgen von Hunger. Der wirtschaftliche Aufschwung kommt bei den Armen nicht an.

Unverständlich ist deshalb nicht nur, dass in dem Wirtschaftswunderland noch immer die Unterernährung weit verbreitet ist. Genauso erschreckend sind die ausbleibenden Bemühungen im Kampf gegen diesen Missstand. Ministerpräsident Manmohan Singh gab zwar zu, dass die Unterernährung eine „nationale Schande“ darstellt. Allein die Taten lassen auf sich warten.

Der Kampf einiger Behörden gegen Unterernährung bei Kindern tritt auf der Stelle angesichts der horrenden Armut vieler Familien, die mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen müssen. Für die Empfehlungen der Beamten können sie nicht das Geld aufbringen. Schlechte Hygienebedingungen, zu wenig Geld für das Gesundheitswesen sowie eine mangelhafte Erziehung vergrößern das Problem genauso wie frauenfeindliche Bräuche wie die Kinderheirat sowie eine schlechte Verwaltung von Lebensmittel-Vorräten.

Die Mitarbeiter in der Ernährungsklinik in Shivpuri fürchten schon jetzt den Beginn des indischen Sommers im April. Dann werden Krankheiten wie Durchfall und Malaria Tausende von Kindern befallen. „Dann müssen sich drei Kinder ein Bett teilen und viele auf dem Boden schlafen“, erklärt die Angestellte Rekha Singh Chauhan.

Das von vielen Ländern mit Neid beäugte indische Wirtschaftswachstum von jährlich acht bis neun Prozent füllt zwar die Konten der wachsenden städtischen Mittelschicht, die sich in glitzernden Shopping-Zentren mit Sushi verwöhnen. Im Land der Gegensätze hat der Boom die Kluft zwischen Arm und Reich jedoch dramatisch zugespitzt.

Ernährungsexperten kritisieren vor allem, dass der Kampf gegen die Unterernährung offenbar für die Regierung keine vorrangige Bedeutung hat. So investiert das Land nur 1,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Gesundheit – so wenig wie kaum ein anderer Staat. Die Chefin der Organisation Save the Children International, Jasmine Whitbread, verlangt angesichts dieser Zahlen endlich Taten von der Politik. „Wir wissen nicht nur aus Indien, sondern aus vielen Ländern in der ganzen Welt, dass Wirtschaftswachstum nicht von alleine bei den Armen ankommt.“ Bislang ist von einem politischen Durchgreifen diesbezüglich wenig zu spüren – die indische Regierung ist stattdessen gerade damit beschäftigt, neue Kampfflugzeuge für 15 Milliarden Dollar zu kaufen.




Quelle: „Tiroler Tageszeitung“, www.tt.com

Schlagwörter: Indien, Armut, Wirtschaftswachstum, Boom, Hunger, Manmohan Singh, Kinder, Mangelernährung, Unterernährung, Durchfall, Malaria, Gesundheit