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Indien: Wo Kinder Zigarillos drehen statt zur Schule zu gehen |
Meldung vom 26.03.2012
Zum Spielen hat Sagira Ansari, 11, keine Zeit. Wenn sie sich mit ihren kleinen Freundinnen trifft, dann zum Drehen von Zigarillos. Acht Stunden lang müht sie sich täglich ab. In Indien ist Kinderarbeit zwar illegal, doch Schlupflöcher sind immer vorhanden, und die Nachfrage nach „Bidis“, wie die beliebten Zigarillos in Indien heißen, ist groß.
Im Schneidersitz hat sich Sagira Ansari auf einem staubigen Sack vor dem unverputzten Haus ihrer Eltern niedergelassen. Sie knackt mit den Fingerknöcheln und reibt sich die Handflächen mit Holzkohlenasche ein. Mit einer Rasierklinge schneidet die Elfjährige ein Ebenholzblatt zurecht, streut Tabakkrümel darauf, rollt es mit den Daumen zusammen und bindet es blitzschnell mit rotem Garn zusammen. Sie macht das routiniert. Acht Stunden täglich fertigt sie „Bidis“ an, die dünnen braunen Zigarillos, die Indiens Wahrzeichen sind, so wie der Milchtee und das Fladenbrot.
Sagira ist eins von Hunderttausenden Kindern, die in den ländlichen Gebieten Indiens harte Arbeit verrichten – viele schuften sogar an gefährlichen Arbeitsplätzen wie Ziegelbrennereien oder auf pestizidverseuchten Feldern. Hier im westbengalischen Dhuliyan sind fast alle Kinder in der Tabakbranche untergekommen, um der enormen Nachfrage nach Bidis nachzukommen. Seit 1986 ist Kinderarbeit gesetzlich verboten in der indischen Industrie, aber es gibt viele Nischen: So ist es Minderjährigen gestattet, in den elterlichen Betrieben zu helfen.
Der Tabak wird in der Fabrik gedroschen, geschnitten, vermischt und dann an Menschen wie Manu Seikh, 66, verteilt. Er ist der Bidi-Pate der Gegend. Mit 16 Jahren begann er in einer Zigarillo-Fabrik, jetzt sitzt er zwischen Stapeln von Geldscheinen und seinem Asthma-Inhalator. Seikh verteilt den Tabak an Familien. Sie drehen die Zigarillos, die dann wieder zurück in die Fabrik gehen, wo sie fertig gestellt, verpackt und ausgeliefert werden.
Sagira, ein hübsches Mädchen mit tiefbraunen Augen und breitem Lächeln, fing mit sieben Jahren an, ihrer Familie bei der Bidi-Produktion zu unterstützen. Zuerst durfte sie nur das Garn schneiden. Seit einem Jahr aber ist sie zur vollwertigen Dreherin avanciert. Auch ihre beste Freundin Amira dreht „Bidis“, genauso wie Wasima und Jaminoor und viele andere. Die gesamte Gegend ist im Grunde eine riesige Freiluftfabrik für Bidis.
Sie drehen immer und überall. Sitzend, stehend, liegend, manche sogar beim Stillen ihrer Babys. Von den rund 20.000 Haushalten in Dhuliyan sind schätzungsweise 95 Prozent mit der Bidi-Produktion beschäftigt. Sagira verabredet sich manchmal mit ihren Freundinnen am Gangesufer, nicht zum Spielen, sondern um gemeinsam an einem anderen Ort Zigarillos zu drehen. Wann immer es geht, legen sie dann eine kurze Pause ein und toben wenigstens ein bisschen im Wasser herum. „Einfach nur spielen geht nicht“, meint sie.
Im Handel muss man für ein Päckchen mit zehn bis zwölf Bidis umgerechnet ein Euro zehn Cent bezahlen. Die Familien erhalten 1,15 Euro für 1.000 Bidis. Sagiras Familie bewerkstelligt eine Summe von 100.000 Stück im Monat und lebt somit von 115 Euro im Monat. Das reicht für drei Mahlzeiten am Tag, einmal pro Woche kommen sogar Fisch oder Eier auf den Tisch. Vor ein paar Monaten hat Sagiras Vater einen Kleinkredit aufgenommen, um aus Backsteinen und Reet ein kleines Häuschen mit zwei Zimmern errichten zu können. Vorher hatten sie zwanzig Jahre in einer Bambushütte gewohnt.
In die Schule hat es Sagira nur zwei Mal im vergangenen Monat geschafft. Sie geht nur hin, wenn neue Bücher ausgehändigt werden. Oder um die paar Rupien einzustecken, mit denen der Staat versucht, die Bididreherinnen in die Schulen zu bekommen. Wenn sie dort ankommt, hält sie sich meist während des Unterichts beide Ohren zu: Ihre Mitschüler lästern über sie, weil sie so oft schwänzt. Sagira kann fast nicht rechnen, aber bis 25 zählt sie mühelos. So viele Bidis ergeben ein Bündel.
Abends geht sie zu ihrem Bruder, der selbst ebenfalls sehr oft in der Schule fehlt, um lesen zu lernen. Ihr Traum ist es, Lehrerin zu werden. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass sie sich immer weiter verbessert beim Bididrehen, was ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöhen wird. Wenn ihr Mann dann aufhört zu arbeiten (und das gehört zum Alltag in der Region), werden sie und ihre Kinder mit Bidi-Drehen die Familie ernähren.
Sagiras Vater glaubt nicht an den Traum seiner Tochter. Er bezweifelt, dass sie es schaffen wird, ihr Leben zu ändern: „Bidis drehen ist unsere Bestimmung.“
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de
Schlagwörter: Indien, Kinderarbeit, Tabakbranche, Zigarillos, Kinder, Bidis, Familie, Tabak, Schule, Unterricht, Bildung, Armut, Fabrik
Im Schneidersitz hat sich Sagira Ansari auf einem staubigen Sack vor dem unverputzten Haus ihrer Eltern niedergelassen. Sie knackt mit den Fingerknöcheln und reibt sich die Handflächen mit Holzkohlenasche ein. Mit einer Rasierklinge schneidet die Elfjährige ein Ebenholzblatt zurecht, streut Tabakkrümel darauf, rollt es mit den Daumen zusammen und bindet es blitzschnell mit rotem Garn zusammen. Sie macht das routiniert. Acht Stunden täglich fertigt sie „Bidis“ an, die dünnen braunen Zigarillos, die Indiens Wahrzeichen sind, so wie der Milchtee und das Fladenbrot.
Sagira ist eins von Hunderttausenden Kindern, die in den ländlichen Gebieten Indiens harte Arbeit verrichten – viele schuften sogar an gefährlichen Arbeitsplätzen wie Ziegelbrennereien oder auf pestizidverseuchten Feldern. Hier im westbengalischen Dhuliyan sind fast alle Kinder in der Tabakbranche untergekommen, um der enormen Nachfrage nach Bidis nachzukommen. Seit 1986 ist Kinderarbeit gesetzlich verboten in der indischen Industrie, aber es gibt viele Nischen: So ist es Minderjährigen gestattet, in den elterlichen Betrieben zu helfen.
Der Tabak wird in der Fabrik gedroschen, geschnitten, vermischt und dann an Menschen wie Manu Seikh, 66, verteilt. Er ist der Bidi-Pate der Gegend. Mit 16 Jahren begann er in einer Zigarillo-Fabrik, jetzt sitzt er zwischen Stapeln von Geldscheinen und seinem Asthma-Inhalator. Seikh verteilt den Tabak an Familien. Sie drehen die Zigarillos, die dann wieder zurück in die Fabrik gehen, wo sie fertig gestellt, verpackt und ausgeliefert werden.
Sagira, ein hübsches Mädchen mit tiefbraunen Augen und breitem Lächeln, fing mit sieben Jahren an, ihrer Familie bei der Bidi-Produktion zu unterstützen. Zuerst durfte sie nur das Garn schneiden. Seit einem Jahr aber ist sie zur vollwertigen Dreherin avanciert. Auch ihre beste Freundin Amira dreht „Bidis“, genauso wie Wasima und Jaminoor und viele andere. Die gesamte Gegend ist im Grunde eine riesige Freiluftfabrik für Bidis.
Sie drehen immer und überall. Sitzend, stehend, liegend, manche sogar beim Stillen ihrer Babys. Von den rund 20.000 Haushalten in Dhuliyan sind schätzungsweise 95 Prozent mit der Bidi-Produktion beschäftigt. Sagira verabredet sich manchmal mit ihren Freundinnen am Gangesufer, nicht zum Spielen, sondern um gemeinsam an einem anderen Ort Zigarillos zu drehen. Wann immer es geht, legen sie dann eine kurze Pause ein und toben wenigstens ein bisschen im Wasser herum. „Einfach nur spielen geht nicht“, meint sie.
Im Handel muss man für ein Päckchen mit zehn bis zwölf Bidis umgerechnet ein Euro zehn Cent bezahlen. Die Familien erhalten 1,15 Euro für 1.000 Bidis. Sagiras Familie bewerkstelligt eine Summe von 100.000 Stück im Monat und lebt somit von 115 Euro im Monat. Das reicht für drei Mahlzeiten am Tag, einmal pro Woche kommen sogar Fisch oder Eier auf den Tisch. Vor ein paar Monaten hat Sagiras Vater einen Kleinkredit aufgenommen, um aus Backsteinen und Reet ein kleines Häuschen mit zwei Zimmern errichten zu können. Vorher hatten sie zwanzig Jahre in einer Bambushütte gewohnt.
In die Schule hat es Sagira nur zwei Mal im vergangenen Monat geschafft. Sie geht nur hin, wenn neue Bücher ausgehändigt werden. Oder um die paar Rupien einzustecken, mit denen der Staat versucht, die Bididreherinnen in die Schulen zu bekommen. Wenn sie dort ankommt, hält sie sich meist während des Unterichts beide Ohren zu: Ihre Mitschüler lästern über sie, weil sie so oft schwänzt. Sagira kann fast nicht rechnen, aber bis 25 zählt sie mühelos. So viele Bidis ergeben ein Bündel.
Abends geht sie zu ihrem Bruder, der selbst ebenfalls sehr oft in der Schule fehlt, um lesen zu lernen. Ihr Traum ist es, Lehrerin zu werden. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass sie sich immer weiter verbessert beim Bididrehen, was ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöhen wird. Wenn ihr Mann dann aufhört zu arbeiten (und das gehört zum Alltag in der Region), werden sie und ihre Kinder mit Bidi-Drehen die Familie ernähren.
Sagiras Vater glaubt nicht an den Traum seiner Tochter. Er bezweifelt, dass sie es schaffen wird, ihr Leben zu ändern: „Bidis drehen ist unsere Bestimmung.“
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de
Schlagwörter: Indien, Kinderarbeit, Tabakbranche, Zigarillos, Kinder, Bidis, Familie, Tabak, Schule, Unterricht, Bildung, Armut, Fabrik