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Uganda: Kony in der Defensive

Meldung vom 02.04.2012

Im dichten Regenwald im Nordosten des Kongos verbergen sich seit sechs Jahren die Rebellen der ugandischen LRA, der Widerstandsarmee unter der Führung von Joseph Kony. Die LRA ist gefürchtet für ihre brutalen Überfälle: Sie verschleppen Kinder, um die Jungen zu Soldaten zu drillen und die Mädchen als Sexsklavinnen zu halten.

Der Nordosten des Kongo ist ein Gebiet so groß wie Frankreich. Doch hier steht ausschließlich undurchdringlicher Regenwald. In diesem dunklen Dickicht haben sich seit sechs Jahren die Rebellen der ugandischen LRA verschanzt, der „Widerstandsarmee des Herrn“ unter der Führung von Joseph Kony.

Gerade einmal drei holprige Straßen ziehen sich in dieser Region durch den Dschungel. Sie sind nur mit einer Militäreskorte der UN-Blauhelme befahrbar. Entlang der staubigen Piste erkennt man vereinzelt kleine runde Lehmhütten mit Strohdächern. Töpfe verharren noch auf der Feuerstelle, die Wäsche hängt an der Leine. Doch weit und breit sieht alles wie ausgestorben aus, man sieht keine Kinder spielen, keine Frauen Holz transportieren, keine Männer Wasser holen. Die Siedlungen sehen aus, als seien sie in aller Hast zurückgelassen worden.

Knapp 400.000 Menschen haben sich in dieser Region seit Jahren in provisorischen Lagern niedergelassen. Mehr schlecht als recht unter dem Schutz von kongolesischen Soldaten. Das Dorf Gangala Na Bodio entlang der Straße ist einer dieser nicht wirklich sicheren Orte – ein Dorf, das unter dem Ansturm Vertriebener fast zusammenbricht.

Hier gibt es eine Kirche, eine Schule und zahllose runde Lehmhütten, unter großen Mangobäumen. Knapp 10.000 Leute hausen hier derzeit – fast die Hälfte von ihnen sind Vertriebene aus den umliegenden Dörfern. Sie haben sich aus Bambus und Stroh in aller Schnelle zeltähnliche Unterkünfte gezimmert, die nur mäßig den Tropenregen abhalten. Dorfvorsteher Cleophas Pambalanimbu schildert die Situation:

„Das Leben hier ist miserabel. Die Händler können nicht mehr in die nahe gelegenen Städte fahren, um Waren zu verkaufen. Die Leute können seit Jahren ihre Felder nicht mehr bestellen. Zudem haben Wildtiere die verlassenen Felder zerstört. Wir sind fast komplett auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Aber die reichen nicht aus. Sporadisch greifen uns die LRA-Rebellen an, um uns auch noch das letzte Essen zu stehlen. Die jüngsten Angriffe passierten ein bis zwei Kilometer von hier. Ich bin mir sicher, sie kommen wieder, denn die Rebellen sind hungrig.“

Die LRA terrorisierte 20 Jahre lang ihre Heimat Uganda. Als sie sich 2006 in den Dschungel des Kongo zurückzogen, hörten die Attacken zeitweilig auf. Die Miliz baute eigene Felder an, konnte sich selbst ernähren, breitet sich nur einige Kilometer nördlich von diesem Dorf im sicheren Regenwald aus. 2008 flog Ugandas Luftwaffe einen Angriff auf das LRA-Lager. Die rund 400 Kämpfer ergriffen die Flucht.

Kommandeur Kony floh bis in die Wälder der Zentralafrikanischen Republik, wo ihm bis heute Ugandas Soldaten nachstellen. Aber: Je stärker die Rebellen in die Enge getrieben werden, desto brutaler lassen sie das die Bevölkerung spüren. Das bekannteste Beispiel dafür waren die Massaker an Weihnachten 2008, als sie Hunderte Menschen beim Weihnachtsessen überfielen und mit Macheten zerstückelten.

2010 und 2011 ließen diese Attacken – zumindest im Nordkongo – nach. Die Rebellen hatten sich in die Zentralafrikanische Republik zurückgezogen. Doch seit Anfang des Jahres sind an die 50 Kämpfer zurückgekehrt. Sie machen jetzt wieder den Dschungel bei Gangala Na Bodio unsicher. Fast jeden Tag schlagen sie inzwischen zu. Doch offenbar ist ihnen befohlen worden, die Bewohner nicht mehr zu töten. Sie rauben allerdings ihre Lebensmittel.

Mboliundu Danamibu hatte erst wenige Wochen zuvor mit seiner Frau und den zwei Kindern hier Unterschlupf gefunden. Er hatte erfahren, dass die Armee knapp 800 Soldaten dazu berufen hatte, das Dorf zu beschützen. Er ging deshalb davon aus, er sei hier sicher. Doch dann stieß er am hellichten Nachmittag mit den Rebellen zusammen, erzählt er.

„Ich bin auf das Feld gegangen, um nach etwas zu Essen zu suchen. Da begegneten mir die Rebellen. Es waren 20 junge Ugander, fünf davon waren bewaffnet. Sie wollten nichts von mir. Sie nahmen mich mit. Ich sollte die Ernte tragen. Doch dann kamen die Soldaten und schossen auf die Rebellen. Ich dachte, die Soldaten schützen uns vor solchen Angriffen. Ich habe immer noch Angst vor der LRA.“

Der junge Mann scheint noch immer unter Einwirkung eines Schocks zu stehen. Verwirrt, nach Alkohol riechend, hockt er vor seiner windschiefen Behausung aus Bambusstöcken und vergräbt den Kopf in den Händen. Nachts finde er vor Angst keinen Schlaf, sagt er. Als er vor wenigen Tagen Gewehrschüsse hörte, verbarg er sich im Bananenhain. Die LRA hat in den vergangenen Jahren so viele Gräueltaten verübt, dass ein winziges banales Geräusch aus dem Busch eine Massenpanik bewirken kann. Vor Kurzem hätten die Rebellen einen Drohbrief hinterlassen, erzählt der Sekretär der Dorfverwaltung. Der kleine Mann mit schiefer Brille kramt danach in seiner Hütte, zieht dann einen handgeschriebenen Brief hervor und beginnt laut zu lesen:

„Alle Leute, die fliehen, alle Leute, die Soldaten unterstützen, alle, die Waffen tragen und nach uns suchen, alle, die uns den Soldaten ausliefern, alle, die uns Lebensmittel verweigern, alle, die eine Machete gegen uns erheben – sie alle werden wir töten. Das ist die Nachricht. Sie ist auf einfachem Lingala verfasst, das die Rebellen nicht sprechen. Einige entführte Kongolesen haben wohl beim Übersetzen geholfen.“

Doch bei alledem muss berücksichtigt werden, dass die größte Gefahr für die Menschen, so die aktuelle Situation, inzwischen gar nicht so sehr von der LRA ausgeht, sondern vom Hunger, der sich in Flüchtlingslagern wie Gangala Na Bodio ausbreitet. Das UN-Flüchtlingshilfswerk versorgt das Lager zwar mit Lebensmitteln, doch die reichen lange nicht aus. Dass amerikanische Soldaten entsandt wurden, um die LRA-Kommandeure zu jagen, davon haben die Menschen hier keine Ahnung. Sie haben einen Amerikaner jedenfalls noch nicht zu Gesicht bekommen.

Das weltweit bekannte Internet-Video der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Invisible Children über den LRA-Chef Joseph Kony ist den Menschen hier noch völlig unbekannt. Denn es gibt hier weder Strom, geschweige denn Internet in den Dschungeldörfern. Doch die UN ist darüber besorgt, dass die LRA auf diesen neuen Druck hin reagieren wird und erneut grausame Racheakte verüben könnte. Selbst neue Massaker der LRA-Kämpfer seien dann wieder denkbar.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandfunk“, dradio.de

Schlagwörter: Uganda, Joseph Kony, LRA, Widerstandsarmee des Herrn, Kongo, Dschungel, Regenwald, Flucht, Internet, Video, Jagd, Kindersoldaten, Sexsklavinnen, Rebellen, Racheakte, Massaker, Flüchtlingslager, Hunger, Kony 2012