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Indien: Quo vadis India? Politik fehlt es an Führungscharakter

 
Meldung vom 03.04.2012

Indien ist auf der Suche nach einem führenden Kopf. Die Parlamentswahlen werden in zwei Jahren abgehalten und der jetzige Regierungschef Manmohan Singh ist 80. Er wird für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Als Favorit und Publikumsliebling der Kongresspartei galt bisher der Nachwuchspolitiker und Urenkel des Staatsgründers Nehru, Rahul Gandhi. Doch nach der Wahlschlappe in dem Distrikt Uttar Pradesh versinkt die Kongresspartei gerade in einer Krise. Viele stellen sich die Frage, ob das Erbe der Gandhi-Dynastie bei Rahul gut aufgehoben ist. Manch einer setzt auf den Aufstieg seiner Schwester Priyanka.

Rahul Gandhi versucht derzeit, die Niederlage zu verarbeiten. Nach dem schwachen Regionalwahlergebnis seiner Kongresspartei im größten indischen Bundesstaat, Uttar Pradesh, lud er die Hauptstadtjournalisten in seinem Garten in Delhi ein und zeigte Gleichmut: „Auf meinem Weg gibt es Siege, und es gibt Niederlagen.“ Das schlechte Ergebnis in Uttar Pradesh, das seit mehr als zwei Wochen die politische Diskussion bestimmt, lasse er daher nicht zu nahe an sich herankommen, versicherte er. Stattdessen akzeptiere er die Niederlage als „Lektion“.

Rahul präsentiert sich als der ewige Lehrling. Wie viele Lektionen wird man ihm noch einräumen? Der Sohn der Kongresspräsidentin Sonia Gandhi – und Urenkel des Staatsgründers Nehru – gilt seit langem als Zukunftsfavorit der ehrwürdigen Partei. Aber den hohen Erwartungen an ihn ist er auch nach acht Jahren politischer Arbeit noch nicht gerecht geworden. Rahul, Abgeordneter und Generalsekretär der Partei, ist 41 Jahre alt, und sein Stern fällt schon. Medien behaupten sarkastisch, dass seine einzige parlamentarische Leistung bisher das Verlesen eines zweiseitigen Antikorruptionspapiers gewesen sei.

Immer tiefer gerät die regierende Kongresspartei in eine Führungskrise. Sonia Gandhi, Vorsitzende und ehrwürdige Portalfigur, unterzog sich im vergangenen Herbst in Amerika einer Operation; ihr Gesundheitszustand ist instabil. Manmohan Singh, den sie im Mai 2004 als Platzhalter für ihren damals noch zu jungen Sohn als Ministerpräsidenten etablierte, wird bei den nationalen Wahlen in zwei Jahren seinen 82. Geburtstag feiern. Eine dritte Amtszeit scheint – auch wegen der inzwischen immer schlechter werdenden Regierungsbilanz – ausgeschlossen.

Nach einem rühmlichen Anfang, der Indien als wirtschaftliche und strategische Macht auf die internationale Bühne brachte, kam der Mann mit dem blauen Turban von seinem Erfolgskurs ab. Zunächst verlor Singh die Gunst des indischen Publikums, dann sank auch die Anerkennung im Ausland. In wichtigen außenpolitischen Fragen, insbesondere in der Beziehung zu Pakistan, habe sich Singh zwar bewährt, heißt es in diplomatischen Kreisen. Aber sein nachlassender Reformeifer mache Indien als Partner nun immer weniger anziehend. Von einer „lahmen Ente“ wird mittlerweile gemunkelt.

Die hohen Wachstumsraten vertuschen, dass die Regierung marode Strukturen nicht anging und Unsummen in populistische Armutsprogramme pumpte. Projekte wie die Liberalisierung wichtiger Branchen wurden auf Eis gelegt, das Wirtschaftswachstum ging zurück und bewegt sich mittlerweile unter der Sieben-Prozent-Grenze. Korruptionsskandale wurden aufgedeckt – die meisten innerhalb der Regierung – und die Kongresspartei handelte zu lasch. Als im vergangenen Jahr ein sozialaktivistischer Guru namens Anna Hazare in den Hungerstreik trat, um die Regierung zur Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde zu nötigen, liefen ihm Zehn-, zeitweise Hunderttausende Anhänger zu.

Der Unmut über den Zustand des indischen Systems drückt sich in Kritik an der Regierung Singh und der Familie, die sie trägt, aus. „Die Zeit der Gandhi-Dynastie geht zu Ende“, meint der Publizist und Wissenschaftler Raja Mohan. Rashid Kidwai, der Biograph Sonia Gandhis, erklärt dazu: „Es gibt einfach keine großen Ideen mehr.“ Die Partei habe sich nicht dafür eingesetzt, nach Führungspersonen jenseits der Gandhis Ausschau zu halten.

Auch in der Partei selbst regt sich Widerstand. Kongress-Veteranen, die nichts mehr zu verlieren haben, kündigen den Niedergang der Gandhis an: „Familien sind in diesen egalitären Zeiten eine inadäquate Begründung für politische Ämter“, kommentiert der frühere Kongresspolitiker M. J. Akbar. Dabei bemühte sich Rahul Gandhi gerade darum, von der familiären Vetternwirtschaft wegzukommen. Er kümmerte sich um die Basis, berief neue Leute in die Jugendorganisation und ließ sie sich in innerparteilichen Wahlen bewähren.

In Uttar Pradesh wollte Rahul Gandhi Überzeugungsarbeit leisten, dass der Kongress noch soziale Ziele verfolge. „Inklusion“, die Eingliederung der Ärmsten in die Gesellschaft, ist Rahuls Lieblingsmotto. Immer wieder ließ er sich in dem Bundesstaat der Armen dabei ablichten, wie er mit Unberührbaren auf Lehmböden saß und das Armengericht Dal aß. Keine Anbiederung war ihm zuviel: „Ich möchte, dass mich die Mücken stechen, damit ich eure Schmerzen empfinden kann“, bezeugte er einigen Dorfbewohnern.

Aber auf die Leute der unteren Kasten schien das keinen Eindruck zu machen. Es herrscht nun allgemeine Ratlosigkeit, mit wem die Kongresspartei in die nächsten Wahlen ziehen wird. Manche glauben, dass im Hintergrund an der Karriere Priyankas gearbeitet wird, Rahuls älterer Schwester. Priyanka Vadra schätzt man als charismatischer als ihren scheuen Bruder ein. Immer wieder vergleichen indische Journalisten sie mit ihrer Großmutter Indira Gandhi, der Priyanka äußerlich ähnelt. Aber einen Beweis ihrer Führungsfähigkeit hat auch sie noch nicht erbracht.

Deutlich wird aber eine neue Einstellung zur politischen Führungsriege: Inzwischen wird nicht nur das Prinzip Dynastie in Frage gestellt, sondern auch die paternalistische Weltsicht der Gandhi-Partei. „Die Wähler stellen die Möglichkeit zur Eigenverantwortung über die Patronage, Leistung über Rhetorik, Aufrichtigkeit über Zynismus, Realismus über phantastische Höhenflüge“, stellte der Publizist Pratab Bhanu Mehta unlängst fest.

Die modernen Günstlinge der indischen Politik werben nicht mehr mit ihrer Abstammung, sondern mit Regierungserfolgen. Die Kongresspartei erkenne langsam, dass das Land in einem Umwälzungsprozess stecke, glaubt Nitin Desai, ein früherer Wirtschaftsberater der Regierung. Die Botschaft, die nun auch der Gandhi-Clan langsam ergreift, laute: „Leiste etwas, oder gehe zugrunde.“


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Indien, Gandhi-Dynastie, Kongresspartei, Rahul Gandhi, Priyanka Vadra, Indira Gandhi, Sonia Gandhi, Regionalwahlen, Wirtschaftswachstum, Krise, Uttar Pradesh, Manmohan Singh, Korruption, Vetternwirtschaft, Antikorruptionsbehörde, Amtszeit, Niederlage, Kasten, Arme, Reform, Politik, Favorit, Kronprinz