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Afghanistan: Deutsche Botschaft unter Beschuss

 
Meldung vom 16.04.2012

Stundenlang wurden Botschaften in Kabul beschossen. Explosionen in der Hauptstadt ließen das Diplomatenviertel erzittern. Andernorts stürmten Attentäter einen NATO-Stützpunkt und ein Ausbildungslager der Polizei: Die radikalislamischen Taliban nennen ihre Serienangriffe den „Beginn einer Frühjahrsoffensive“. Die Menschen in Afghanistan jedoch sind das gewohnt – sie widmen sich schnell wieder dem Alltag. Die Hoffnung auf ein wirklich sicheres Leben hegt kaum einer mehr.

Die Aufständischen überzogen Kabul mit einer Reihe von gezielten Attentaten. In kurzen Abständen waren schwere Explosionen zu hören, die Feuergefechte gingen die ganze Nacht weiter. Ein Taliban-Sprecher teilte einer Nachrichtenagentur mit, dies sei der Beginn der Frühjahrsoffensive.

Und zeitgleich drangen die pakistanischen „Gotteskrieger“ in ein Gefängnis in der Stadt Bannu ein und befreiten 380 Insassen. Das Gefängnis befindet sich ganz in der Nähe zum afghanischen Grenzgebiet. Unter den Häftlingen waren zahlreiche Taliban, angeblich zählt auch der Mann dazu, der einst einen Mordanschlag auf den pakistanischen Präsidenten General Pervez Musharraf verüben wollte.

Der Tag in der staubigen Metropole Kabul hat wie viele andere in den vergangenen Monaten angefangen: Bis auf den chaotischen Verkehr gab es nichts Ungewöhnliches. Der Sonntag wird in Afghanistan nicht zum Wochenende gezählt, also gingen die Menschen zur Arbeit, sie besuchten die Basare. Kinder liefen zwischen den wartenden Autos herum und erbettelten ein paar Afghani-Scheine. Das Leben geht weiter. Mit dem Risiko, dass jederzeit etwas passieren kann, haben Afghanen sich längst abgefunden: „Wenn wir uns immer nur von der Angst leiten lassen würden, könnten wir gar nicht mehr vor die Tür gehen“, meint ein junger Mann in Kabul. Sicher sei nur die Unsicherheit.

Die Taliban wollten erneut ihre Stärke inszenieren, die Informationsabteilung der Internationalen Schutztruppe (ISAF) spielte die Propaganda jedoch herunter. Schon zu einem Zeitpunkt, an dem die Gefechte noch in vollem Gange waren, hieß es: Die afghanischen Sicherheitskräfte hätten den Kampf gegen die Angreifer voll im Griff, ISAF-Berater nahmen nur vereinzelt am Gefecht teil, so die Angaben des Bündnisses. Ob das stimmt, lässt sich unabhängig nicht prüfen.

In der Theorie soll der Ablauf jetzt so vonstatten gehen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Stadt alleine verteidigen, die Hauptstadt steht schon lange unter ihrer vollständigen Kontrolle. Am Sonntag, den 15.04.2012, ist es indes der einheimischen Polizei und Armee kaum gelungen, die Großattacke niederzuschlagen. Auch wenn die Taliban-Strategie einem Angriff aus dem vergangenen Jahr sehr ähnele, als unter anderem das Botschaftsviertel unter Beschuss geraten war, sei die Taktik der Aufständischen dieses Mal wesentlich schwächer, erklärte ISAF den Schwierigkeiten zum Trotz.

Dabei krachte es an zahlreichen Ecken in Kabul. Nicht nur im Diplomatenviertel, in dem regelmäßig Schüsse und Explosionen zu hören waren. Die deutsche Botschaft stand unter Beschusss, genau wie die britische und die amerikanische Vertretung. Die deutschen Diplomaten hatten sich in einem Schutzraum verschanzt. Auch die Amerikaner befahlen ihrem Personal, sich in Sicherheit zu bringen. Die deutsche Botschaft registrierte Sachschaden, von den Mitarbeitern sei aber niemand verletzt worden.

Das erst kürzlich eröffnete Kabul Star Hotel in der Innenstadt sollen die Aufständischen erobert und besetzt haben, auch in Rohbauten positionierten sie sich, um von dort aus besser schießen zu können, wie es aus Sicherheitskreisen heißt. Einige Attentäter sind offenbar auf das Parlamentsgelände eingedrungen. Die Taliban erklärten, das Areal des Präsidentenpalastes angegriffen zu haben. Ein unabhängiger Beobachter weiß zu berichten, dass es dort tatsächlich zu Detonationen gekommen sei. Die Meldungen überschlugen sich, gesicherte Erkenntnisse über den Ablauf oder Opferzahlen lagen am Sonntagabend noch nicht vor. Fest steht: Die Taliban sorgten wieder für Negativ-Schlagzeilen ganz gemäß ihrer Propaganda.

Eine Westlerin, die in der Nähe des Parlaments für eine afghanische Organisation tätig ist, bestätigte, Schusswechsel gehört zu haben. Auch mindestens vier Explosionen hatte sie gezählt. Bei aller Aufregung erzählte die Frau auch von einem typisch afghanischen Phänomen. In den Gegenden Kabuls, die nicht von den Attacken heimgesucht wurden, geht das Leben seinen Gang, als wäre nichts geschehen. Die Einheimischen verbarrikadieren sich nicht mehr in ihren Wohnungen: „Die Eisverkäufer sind unterwegs, und die Menschen gehen weiter einkaufen“, schilderte die Westlerin.

Ein Taxifahrer in Kabul, der anonym bleiben möchte, sagte: „Wir haben seit 30 Jahren immer wieder Kriege erlebt, warum sollte es auf einmal vorbei sein?“ Es ist eine rhetorische Frage. Inzwischen habe er es aufgegeben, auf ein wirklich sicheres Leben zu hoffen, sagt der 44-Jährige. Phasen der Hoffnung auf mehr Stabilität hätten immer wieder Enttäuschung nach sich gezogen. Die Taliban könnten offenbar zuschlagen, wann und wo sie wollten. „Wir haben gelernt, auch mit unberechenbaren Tagen zu leben“, erklärt der Taxifahrer. Genau das ist die Taktik der Islamisten: Unberechenbare, spektakuläre Anschläge in großem Stil. Am Sonntag ist ihnen das zum wiederholten Mal gelungen.

Am nächsten Morgen, rund 18 Stunden nach Beginn der Talibanoffensive sind die Kämpfe in Kabul zu Ende. „Alle Terroristen sind getötet worden. Wir haben die Lage jetzt unter unserer Kontrolle“, sagte der Polizeichef der afghanischen Hauptstadt, General Ayoub Salangi.






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de

Schlagwörter: Afghanistan, Frühjahrsoffensive, Taliban, Diplomatenviertel, Kabul, Detonationen, Anschlagserie, Botschaft, Deutsche Botschaft, Großattacke, Schusswechsel, Gefängnis, Bannu, ISAF, Serienangriff, Propaganda, Schutzraum, Explosionen