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Uganda: Minenopfer – Vom Überleben als „halber Mensch“

Meldung vom 31.05.2012

Im Grenzgebiet zwischen Uganda und dem Kongo herrscht immer noch Krieg – auch wenn die Kämpfe schon seit Jahrzehnten vorbei sind. Doch geblieben sind die Minen. Bis heute treten Menschen auf die Sprengfallen. Wer nicht direkt zerfetzt wird, bleibt ein Leben lang ein Krüppel und hängt von Hilfsorganisationen ab.

Glück ist eine Frage der Perspektive. Vor allem dann, wenn eine Landmine einem beide Beine nimmt, Knochen und Fleisch zerstückelt, Glieder wegreißt, in einer Sekunde einen Menschen zum Krüppel macht. Boniface Kapindo ist das widerfahren. Es geschah auf seinem eigenen Feld. Kartoffeln und Bananen hat er dort gepflanzt. In den steilen Hängen, die in der Regenzeit so wunderschön satt grün leuchten, die Anhöhe um Anhöhe nebeneinander stehen, soweit das Auge reicht. Ab und an lugt eine braune Lehmhütte durchs Grün hervor. Rund um das Dorf Kitholhu zeigt sich scheinbar eine Postenkartenidylle. Doch genau hier verläuft die Grenze zur Demokratischen Republik Kongo, an der einst blutige Gefechte ausgetragen wurden.

Aus dem Kongo griffen Ende der neunziger Jahre die Rebellen der Allied Democratic Forces an, einer aus verschiedensten ugandischen Widerstandsgruppen zusammengesetzten Allianz. Waffen und Munition stellte damals mutmaßlich der Sudan zur Verfügung. Nachts wurden in den Hängen im Grenzgebiet Menschen erschossen, jahrelang, immer wieder. Kalaschnikow-Salven dröhnten durch die Dunkelheit, Mörser schossen Granaten in den Himmel.

Die Bauern flohen vor den Kämpfen aus den Bergen, um jeden Morgen wieder mühsam die Berge zu erklimmen, mit ihren Hacken auf den Schultern und zu ihren Felder. Dann am Abend ging es mit Kochbananen, Mangos und Guaven beladen wieder hinunter ins Tal. Immer mit der Sorge, dass plötzlich aus dem nahen Dschungel ein Kämpfer hervorkommt. Dass er mit seinem Schnellfeuergewehr auf jemanden zielt oder Frauen vergewaltigt.

In den Bergen gingen Regierungssoldaten gegen Rebellen vor. Es war ein zermürbender, blutiger Kampf. Beide Seiten vergruben Minen im Boden, grausame Fallen für den jeweiligen Feind. In eine trat Boniface Kapindo Jahre später.

Ein kurzer, dumpfer Schlag war zu hören. Nachbarn zogen ihn aus dem Feld. Obwohl sie dabei selbst das Risiko eingingen, auf die nächste Mine zu treten. Aus zwei Bambusstangen und ihren Hemden zimmerten sie eine Trage. Dann schleppten und schleiften sie ihn hinunter ins Tal, eilten auf schmalen Pfaden über Felsen und Steine.

Wenn Boniface Kapindo Glück hatte, würde noch der alte zerbeulte Laster im Dorf warten, voll beladen mit Guaven-Kisten auf dem Weg in die nächste Stadt. War er schon losgefahren, würde Boniface Kapindo verbluten. So ist es schon anderen im Dorf ergangen.

524 Menschen kamen in Uganda an den Folgen von Minenexplosionen ums Leben, 2.220 weitere machten Anti-Personen-Minen zu Krüppel. Sicherlich ist die Dunkelziffer beträchtlich höher. In den Jahrzehnten des Bürgerkriegs wurden im Westen und vor allem im Norden ganze Landstriche mit Minen und Blindgängern durchsetzt.

„Ich hatte Glück“, meint Boniface Kapindo. Glück? Er erinnert sich daran, wie er im Krankenhaus aufwachte. Verzweifelt die Decke abtastete, wo seine Schienbeine zu vermuten waren. Er erkannte, dass er nur noch durch ein Auge sieht. Das andere war durch einen Splitter erblindet.

„Wie ein halber Mensch habe ich mich gefühlt. Verstehen Sie, wie ein halber Mann. Ich brauchte lange, um anzunehmen, was geschehen war“, erklärt er. Eine Rückkehr in die Berge ist aufgrund seiner Amputationen nicht mehr möglich. Die Wege sind zu steil, zu viele Hindernisse, wenn man nur noch zwei Stümpfe hat, die in Prothesen stecken. Kapindo teilt sich sein Schicksal mit vielen anderen Minenopfern. Die Mine kostete ihn nicht nur einen Teil seines Körpers, sondern auch seine Heimat.

Boniface Kapindo hockt in dem dämmrigen Zimmer seiner Hütte im Tal. Zu Besuch ist Rose Muhindo, eine Sozialarbeiterin. Ihre Hilfsorganisation kümmert sich um Menschen mit Behinderungen in zahlreichen Kriegs- und Krisengebieten. Muhindo schaut, ob die Prothesen repariert oder erneuert werden müssen. „Bei den schlechten Wegen und der extremen Belastung dauert es manchmal nur sechs Monate, und die Prothese ist kaputt“, sagt die Sozialarbeiterin.

Boniface Kapindo gehört noch zu einem der glücklicheren Fälle. Ihm ist es gelungen, sich und seiner Familie ein bescheidenes, aber halbwegs sicheres Leben aufzubauen. Er betreibt einen kleinen Laden in einer gemauerten Bude. Bietet dort Seife, Küchenutensilien und Süßigkeiten zum Verkauf an.

Jeden Tag schaut sein Freund Amos Muhindo vorbei, ebenfalls ein Minenopfer. „Die sollten mal die Kerle zu uns schicken, die diese verdammten Minen produzieren. Sie sollen sich mal anschauen, was sie mit uns gemacht haben“, meint Amos Muhindo. Er hofft: „Wenn sie ein Herz haben, werden sie dann damit aufhören.“

Deutschland ist einer der größten Landminenhersteller, so zum Beispiel die Firmen Dynamit Nobel Ag, Daimler Chrysler AG, Rheinmetall AG sowie Diehl Stiftung & Co. Ohne ein Stopp der Minenherstellung in der Waffenindustrie wird es immer mehr Minenopfer geben.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Uganda, Minen, vermint, Landminen, Minenopfer, Handicap, Krüppel, Versehrte, Kriegsversehrte, Amputation, Krieg, Kongo, Rebellen, Allied Democratic Forces, Kitholhu, Sprengfalle, Blindgänger, Waffenindustrie, Rüstungsindustrie, Minenhersteller, Explosion, Minenexplosion