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Afghanistan: Eine Frau „mit breiten Schultern“ will Präsidentin werden

 
Meldung vom 01.06.2012

Fast hätte sie nicht überlebt: Weil sie ein Mädchen war, wollte man Fausia Kufi schon als Säugling sterben lassen. Später konnte sie mehreren Anschlägen der Taliban entkommen. Konsequent arbeitet sie an der Umsetzung ihres Traums, dass eine Frau es weit bringen kann in Afghanistan. Jetzt will sich die 37-Jährige der Macht stellen: Sie lässt sich als Präsidentschaftskandidatin aufstellen.

Kufi glaubt, dass sie eine Mission hat. „Was ich erreiche, habe ich Gott zu verdanken“, bemerkt Fausia Kufi und legt sich das grüne Tuch um den Kopf, das ihr auf die Schultern gerutscht ist. „Ich weiß nicht, was er mit mir vorhat, aber Gott will, dass ich für ein größeres Ziel lebe.“ Sie ist 37 Jahre alt, es ist ein Wunder, dass sie noch am Leben ist.

Fausia Kufi wurde in Badachschan geboren, einer schwer zugänglichen, ärmlichen Provinz im Nordosten Afghanistans. Ihr Vater, ein einflussreicher Politiker, war mit sieben Frauen liiert. Von ihrer Mutter wurde erwartet, einen Jungen zu gebären. „Als ich zur Welt kam, sollte ich sterben“, bezeugt sie. Die Geburtshelferinnen hüllten den Säugling in ein Tuch und brachten das Bündel nach draußen, in die heiße Sonne. Fast einen ganzen Tag lag sie da und schrie. Die Familie hoffte, dass sie irgendwann sterben würde. Doch Kufi blieb hartnäckig am Leben.

„Mein winziges Gesicht war von der Sonne so verbrannt, dass ich noch als Jugendliche Narben auf den Wangen trug“, berichtet sie in ihrer im vergangenen Herbst erschienenen Autobiografie „Nur eine Tochter“. Als das Kind immer weiter schrie, besann sich die Mutter und nahm es wieder zu sich. „Ich wurde dann doch noch zu ihrem Lieblingskind.“ Das Mädchen rang um ihre Existenz, forderte von ihrem Vater und den Brüdern ihre Rechte ein und durfte schließlich als erste und einzige Frau der Familie studieren und ihren Weg selbst bestimmen.

Sie hat große Schritte auf der Karriereleiter gemacht, auch dank des Einflusses ihrer Familie. Ihr Vater, einst von politischen Gegnern ermordet, hat noch heute in Badachschan und in Kabul einen guten Ruf. Kufi wird heute als die bekannteste Politikerin des Landes angesehen. Nun hat sie es auf das höchste Amt in der islamischen Republik abgesehen: 2014 will Fausia Kufi für das Präsidentenamt kandidieren und damit Hamid Karzai ablösen.

Fragt man die Afghanen nach ihren Chancen, sagen die meisten, dass das für das Land noch zu fortschrittlich sei. Doch Kufi baut auf sich und den guten Ruf ihrer Familie. Die Politikerin redet atemlos, viele Worte liegen ihr auf dem Herzen. Zwischen den schnellen Sätzen auf Englisch bestellt sie auf Dari bei zwei jungen Männern, ihren Hausangestellten, grünen Tee, Mandeln und Pistazien. Vorher haben die Männer Taschen, Handy und Kamera überprüft – sie sind auch für die Sicherheit ihrer Chefin verantwortlich.

Kufi macht es sich in dem goldbezogenen Sofa in ihrem Wohnzimmer bequem und lächelt. Sie trägt eine weiße Bluse mit Puffärmeln. Sie liebt Puffärmel, für ihr Hochzeitskleid hatte sie sich welche gewünscht, aber dann vermählte sie sich ausgerechnet während der Talibanherrschaft, und da waren Kleider mit solchen Ärmeln untersagt.

Mehrmals haben Extremisten Attentate auf die Politikerin verübt. Mal wurde auf sie geschossen, mal entdeckten ihre Sicherheitsleute eine Bombe unter dem Auto. In regelmäßigen Abständen verbreiten ihre Gegner Gerüchte: Zum Beispiel, dass Fausia Kufi in Wahrheit die Politik nur missbrauche, um sich zu bereichern, oder dass sie, die Witwe, deren Mann vor neun Jahren nach mehreren Gefängnisaufenthalten unter den Taliban an Tuberkulose starb, Liebschaften mit ihren Bodyguards pflege.

„Mein größter Fehler ist offensichtlich, dass ich eine Frau bin“, weiß Kufi. „Es gibt Menschen in Afghanistan, die nicht gerne sehen, dass eine Afghanin sich politisch engagiert.“ Doch eigentlich sei eine Frau am besten für das Präsidentenamt geeignet. „Wir Frauen waren nicht am Krieg in Afghanistan beteiligt, wir haben nicht an der Zerstörung des Landes teilgenommen. Wir haben nicht getötet. Warum kann also nicht eine Frau glaubhaft ein neues, ein anderes Gesicht Afghanistans repräsentieren?“ Eine Frau „mit breiten Schultern“ könne das stemmen, findet sie. Das bezieht sie auf sich.

Erst vor wenigen Wochen hat Präsident Karzai die Frauenrechte zurückgeschraubt und den frauenfeindlichen, mächtigen Religionsrat vor Kritik in Schutz genommen. Der hatte Richtlinien kundgegeben, in denen es heißt: „Männer sind von fundamentaler Bedeutung, Frauen sind nachrangig.“ Karzai sei zwar „ein freundlicher Mann“, so Kufi, aber er schmeichele sich bei den Taliban ein.

Das sind mutige Worte in einem von Männern beherrschten Land. Ein hohes Risiko geht Fausia Kufi aber auch mit ihrer kritischen Einstellung zum Religionsverständnis der Extremisten ein. Und auch die Tatsache, dass sie lobende Worte für den Westen findet, macht die Sache nicht ungefährlicher.

Der Einmarsch der NATO-Truppen in Afghanistan war ihrer Meinung nach „richtig und gut“ – ein Standpunkt, den nur noch wenige afghanische Politiker so teilen. „Hätte der Westen 2001 nicht militärisch eingegriffen, wäre Afghanistan noch rückständiger als damals. Aus meiner Sicht als Frau kann ich das nicht anders sagen. Unsere Lage ist viel besser als vor zehn Jahren.“

Kufi möchte als Präsidentin dafür eintreten, dass Afghanistan wieder „ein stolzes Land“ sein kann. Sie möchte Frauenrechte aufrichten, die Armut eindämmen, Bildung fördern. „Meine Vision ist ein Afghanistan, in dem jeder Mensch unabhängig von seiner Ethnie, seiner Religion, seines Geschlechtes, seiner Herkunft respektiert wird.“


Video-Beiträge zu diesem Thema

 Fausia Kufi, eine Frau für Afghanistan




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Afghanistan, Wahlkampf, Hamid Karzai, Präsidentschaftswahlen, Gender, Femizid, Genderzid, Fausia Kufi, Kandidatur, Taliban, ISAF, Abzug, NATO, Attentate, Mädchen, Frauenrechte, Menschenrechte, Sicherheit, Religionsrat