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Mexiko: Wahlen – Über Wölfe im Schafspelz

Meldung vom 11.06.2012

Am 1. Juli wird Mexiko wählen. Doch das Ergebnis zeichnet sich jetzt schon ab. Umfragen zufolge wird jene Partei an die Macht kommen, die das Land in der Vergangenheit 71 Jahre lang sehr autoritär befehligte und die äußerst korrupt dabei vorging. Pessimisten sehen mit Sorge einer Rückkehr des Autoritarismus (einer Staatsform zwischen Demokratie und diktatorischem Totalitarismus) entgegen. Optimisten hoffen dennoch auf Reformen.

Der Sieg von Enrique Peña Nieto ist für die kommenden Wahlen vorhersagbar. Mit ihm würde jene Partei an die Schalthebel der Macht zurückkehren, die das Land bis zu ihrer Abwahl im Jahr 2000 nahezu diktatorisch regierte. Es ist die Partido de la Revolución Institucional (PRI). Kritikerstimmen werden derzeit laut, die vor einer Renaissance des Autoritarismus in Mexiko warnen.

John Ackerman, Rechtsprofessor in Mexiko-Stadt und vielzitierter Politkommentator, bezeichnet Peña Nieto als einen Wolf im Schafspelz und ergänzt: „Er zeigt ein junges Gesicht, aber er gehört zu den Dinosauriern Mexikos. Er repräsentiert die alte, korrupte politische Klasse.“ Fast alle jüngeren Umfragen bestätigen Peña Nieto einen zweistelligen Vorsprung vor dem zweitplazierten Linkskandidaten Andrés Manuel López Obrador und Josefina Vásquez Mota von der christlich-demokratischen Regierungspartei Partido de Acción Nacional (PAN) auf dem dritten Platz. Auch wenn Peña Nieto in den vergangenen Wochen wegen einiger Ungereimtheiten an Sympathie verloren hat, rechnen die Analysten nicht mit einer grundsätzlichen Wende im Wahlkampf.

Ohne Schaden überlebte Peña Nieto bisher alle Skandale und Enthüllungen. In dem von ihm regierten bevölkerungsreichsten Teilstaat México schnellten in den letzten Jahren Kriminalität und Korruption sprunghaft in die Höhe. Proteste schlug er mit äußerst brutalen Polizeieinsätzen nieder. Das beeinträchtigte sein „Strahlemann-Image“ ebenso wenig wie der Skandal eines unehelichen Sohnes oder die öffentliche Entlarvung seiner literarischen Unbelesenheit.

Die Partei von Nieto, der PRI, hat sich ein denkbar schlechtes Image geschaffen und steht für die dunkelsten Kapitel der jüngeren mexikanischen Geschichte, nämlich das Massaker von Tlatelolco im Jahr 1968 an der damaligen Studentenbewegung. Weiter hat diese Partei den schmutzigen Krieg der siebziger Jahre gegen Oppositionelle zu verantworten, wie den mutmaßlichen Betrug bei der Präsidentenwahl von 1988 und die Tequila-Krise 1994/95. All das läutete den historischen Regierungswechsel im Jahr 2000 ein, als Mexiko zum ersten Mal einen Präsidenten des PAN wählte, Vicente Fox. Danach bekleidete 2006 Felipe Calderón aus der gleichen Partei das Amt bis nun zu den neuen Wahlen 2012.

Was also treibt einen großen Teil von Mexikos 79,5 Millionen Stimmberechtigten zurück in die Arme des PRI? Analysten nennen drei Gründe:
- Erstens kann Peña Nieto die Enttäuschung über die PAN-Regierungen der letzten zwölf Jahre für seinen Vorteil nutzen. „Sie versprachen, mit der Korruption aufzuräumen. Doch sie unternahmen nichts, sondern verfielen selbst der Korruption“, meint José Antonio Crespo, Historiker und Lehrstuhlinhaber für politische Studien am mexikanischen Centro de Investigación y Docencia Económicas (Cide).
- Zweitens gelingt es auch der Linken, der Partido de la Revolución Democrática (PRD), nicht, sich überzeugend durchzusetzen. Deren Kandidat López Obrador stellt zwar eine Antikorruptionsbehörde in Aussicht und tritt mit einem Schattenkabinett ausgewiesener Fachexperten an. Doch für die politische Mitte gilt er als unwählbar, seit er nach seiner knapp verlorenen Wahl im Jahr 2006 Mexiko-Stadt wochenlang mit Protesten stilllegte. Der PRD konnte sich nicht als Alternative zu Peña Nieto etablieren, und das hängt laut Crespo klar mit seinem Kandidaten zusammen.
- Drittens zeigt sich der jugendlich wirkende, 45-jährige Peña Nieto, viel menschlicher und anfassbarer und hat damit große Vorteile gegenüber den Technokraten des PAN oder den Ideologen des PRD. Unterschwellig macht Peña Nieto Hoffnung auf eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten, als die Stimme für den PRI persönliche materielle Vorteile versprach. Die Erwartung an Peña Nieto ist sicherlich, dass er ein altes Staatsmodell wieder zum Leben erweckt, in dem der Staat gegenüber dem Bürger eine klare Fürsorgefunktion innehat.

Zwölf Jahre nach dem Verlust der Präsidentschaft hat der PRI immer noch einen größeren Einflussbereich als andere Parteien. Das liegt besonders an dem führenden Privatsender des Landes, Televisa, der Peña Nieto bei jeder Gelegenheit in ein positives Licht rückt. Und dazu zählen auch die ebenso mächtigen wie korrupten Gewerkschaften, die ihre Mitglieder seit Monaten auf Peña Nieto drillen. Das alles vermischt sich mit der mexikanischen Tradition des Stimmenkaufs.

Der voraussichtliche Präsident Peña Nieto wird über mehr Macht verfügen als der jetzige Staatschef Calderón. Das birgt die von Experten vorhergesagte Gefahr eines neuen Autoritarismus. Andere Polit-Experten kommen aber auch zu optimistischen Lösungen: Indem der bisherige Blockade-Akteur PRI die neue Regierungsverantwortung bestreiten muss, eröffne sich auch die Chance auf überfällige Reformen in Wirtschaft und Politik. In diesem Sinne kann man die kommende Wahl als die entscheidende Nagelprobe für die weitere Demokratisierung Mexikos sehen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Neue Zürcher Zeitung, NZZ Online“, nzz.ch

Schlagwörter: Mexiko, Wahl, Wahlkampf, Reformen, Demokratisierung, Autoritarismus, Totalitarismus, Diktatur, Enrique Peña Nieto, Kandidat, Präsident, Mexiko-Stadt, Skandale, Felipe Calderón, PAN, PRI, Korruption, Drogenkrieg, Gewerkschaften, Stimmenkauf, Umfrage, Televisa, Werbung, Propaganda