Kongo: Gewalt im Ostkongo – „Immer dieselben Mörderbanden“

Meldung vom 08.08.2012

Die Gewalt im Ostkongo treibt Tausende Menschen in die Flucht und destabilisiert die Nachbarländer Uganda, Ruanda und Sudan. Von Ruanda unterstützte Rebellen treiben wieder einmal im Osten Kongos ihr Unwesen. Sie kämpfen erbittert um die Kontrolle über die wertvollen Rohstoffe. Die kongolesische Regierung ist nicht am Schutz der Menschen interessiert – im Gegenteil.

Geübt bindet Charles Thomeyni die in Streifen geschnittene Rinde um die vier gebogenen Weidenäste. Dann rüttelt er an dem Gestell, um zu prüfen, ob das Ganze nicht wieder einstürzt. Es bleibt stehen. Zufrieden kürzt Charles den nächsten Ast mit kurzen Hieben einer Machete. Jeder Handgriff ist zweckmäßig. Man sieht, dass er darin kein Anfänger ist. Als das Gerüst nach zehn Minuten fertig ist, bedeckt es eine Fläche von einem Meter auf zwei Metern. Was noch aussteht, ist ein Dach in Form einer Plastikplane – damit wäre die klassische afrikanische Flüchtlingsbehausung bezugsfertig.

Charles Thomeyni hat in den vergangenen Jahren etliche solcher Verschläge errichten müssen. Vor Kämpfen, Plünderern und Wegelagerern die Flucht zu ergreifen, ist für ihn zu einer tragischen Normalität geworden. Dabei ist Charles nur ein harmloser Landwirt. In Kibati, einem Weiler unweit der ostkongolesischen Provinzstadt Goma, gehören ihm ein paar Felder, auf denen er Kartoffeln, Tomaten und Salat gepflanzt hat. Doch Kibati ist wieder einmal in der Gewalt der Rebellen, wie schon so oft in den vergangenen Jahren. Und jedes Mal muss Charles Reißaus nehmen, wenn ihm sein Leben lieb ist.

1996 musste die Bevölkerung von Kibati vor der ruandischen Armee fliehen, als diese den Krieg gegen die Völkermörder aus dem eigenen Land nach Kongo trieb; 1998 rannte Charles vor den von Ruanda finanzierten kongolesischen Rebellen des Rassemblement congolais pour la démocratie (RCD) weg, und warum er 2006 wieder alles stehen und liegen lassen musste, ist ihm mittlerweile entfallen. 2008 brachte er sich dann vor den Rebellen des desertierten kongolesischen Generals Laurent Nkunda in Sicherheit.

Nkunda, der von der ruandischen Regierung finanziert wurde, kämpfte damals unter dem Vorwand, gegen die letzten Hochburgen der Interahamwe in Kongo anzugehen, jenen Massenmördern, die den Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 angezettelt hatten. Dafür brachte Nkunda Massen von kongolesischen Zivilisten um. Und nun muss Charles vor den Rebellen eines Mannes Reißaus nehmen, der Bosco Ntaganda heißt, ehedem die rechte Hand von Nkunda war und laut einem Bericht der Vereinten Nationen Waffen, Munition und Rekruten aus Ruanda bezieht. „Das sind die immer gleichen Barbaren“, schlussfolgert der Bauer über die Abfolge der Mörderbanden.

Seit zehn Tagen haust Charles nun zusammen mit 40.000 weiteren Flüchtlingen am Stadtrand von Goma. All das kennt er bereits. Und er weiß, dass er jetzt erst einmal ausharren muss. Warten auf Hilfslieferungen, und vor allem: warten auf eine Konfliktlösung der neuesten bewaffneten Auseinandersetzung in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu. „Diese Banditen kommen immer dann, wenn die Ernte reif ist, das ist fast zu einem Ritual geworden“, bemerkt er. „Sie kommen einfach über die Grenze und berauben uns.“ Wen meint er? „Na, diese Tutsi aus Ruanda.“

Der Bauer Charles Thomeyni fällt wie so viele einem skrupellosen Kampf um die Macht im Ostkongo zum Opfer. Dabei spielen die kongolesischen Rohstoffe die Hauptrolle. Das kleine Land Ruanda ist bestrebt, einen Teil Kongos, nämlich die beiden Kivu-Provinzen, zu annektieren. Die USA haben ihrem ehemaligen Verbündeten Ruanda dafür die Militärhilfe ausgesetzt, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande haben Teile ihrer Entwicklungshilfe auf Eis gelegt. Der ruandische Präsident Paul Kagame negiert natürlich jede Verwicklung in den ostkongolesischen Konflikt, aber darin ist er geübt – schließlich währt die Auseinandersetzung im Ostkongo schon seit 1996.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net