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Philippinen: Unheimliche Nostalgie – Der Marcos-Clan ist wieder im Trend

Meldung vom 07.09.2012

Auf den Philippinen macht sich ein unheimlicher Trend bemerkbar: 40 Jahre nach Beseitigung der Diktatur haben sich Mitglieder der Familie von Ferdinand Marcos wieder wichtige politische Ämter angeeignet. Derweil warten die Opfer des vom Volk verjagten Machthabers immer noch auf Wiedergutmachungszahlungen.

An der gekühlten Gruft steht an diesem Samstagnachmittag eine lange Schlange an. Die Attraktion, die es in Batac City zu besichtigen gilt, ist der Leichnam Ferdinand Marcos', einbalsamiert und in einem Glassarg aufgebahrt. Aus den Lautsprechern träufelt süßlicher Choralgesang. Ein Aufseher passt darauf auf, dass die Menschen im mit Nelken und Engelchen ausgeschmückten Raum nicht stehen bleiben.

Draußen kann man auf Schautafeln die „Errungenschaften“ der skandalträchtigen Diktatorengattin bewundern. Unter Imelda Marcos' Ägide, die wie niemand anders die Verschwendungssucht der Herrscherfamilie versinnbildlicht, seien 18 Fünfsternehotels, eine Suppenküche sowie das Mutter-Teresa-Spital auf den Philippinen errichtet worden. Ferdinand Marcos, der am 21. September 1972 das Kriegsrecht ausgerufen hatte, wurde 1986 durch einen Volksaufstand gestürzt und in die Flucht getrieben.

Anfang der neunziger Jahre transportierte Imelda ihren inzwischen verstorbenen Gatten gefroren nach Batac City in seine Heimatprovinz Ilocos Norte. Dort ließ sie neben dem Mausoleum auch ein Museum zu Ehren des Herrschers errichten, der den Tod und die Folterung von Tausenden auf dem Gewissen hat. Trotz des Drängens des Clans wurde ihm bis heute ein Begräbnis auf dem Heldenfriedhof in Manila allerdings nicht gestattet.

Ilocos Norte ist die Heimatregion der Marcos. Imelda selbst vertritt den Gliedstaat im Parlament, ihre Tochter Imee steht der Region als Gouverneurin vor, nachdem dieses Amt bereits deren Bruder Ferdinand junior zuteil wurde. Präsident Marcos habe Schulen und Straßen finanziert und die Provinz sei noch vor der Hauptstadt Manila von der ersten Straßenlampe beleuchtet worden, erklärt eine ältere Frau.

Die alte Dame dirigiert ihre Familie vor die Goldbüste Ferdinands und schießt Erinnerungsbilder. Dann geht die Gruppe zur dritten Station dieser Nostalgietour, den „Malacañang of the North“. Der mondäne Wochenend-Palast der einst vertriebenen Herrscherfamilie befindet sich an den Ufern eines lieblichen Sees. Kinder reißen sich um T-Shirts mit Imelda darauf. Nur ihre obszöne Schuhsammlung kann man hier nicht besichtigen. Für die 3.000 luxuriösen Exemplare wurde ein eigenes Museum in Manila eröffnet.

Der Kongressabgeordnete und Menschenrechtsanwalt Neri Javier Colmenares stellt in seinem Büro in Manila verbittert fest, dass der Marcos-Clan habe wieder an Einfluss und Zuspruch gewonnen habe. Er wurde in den achtziger Jahren wegen angeblich staatsfeindlicher Aktivitäten inhaftiert und musste Folter erleiden – nun sitzt ihm „The Honourable Madam Marcos“, die das Kriegsrecht noch heute als Beitrag zur Disziplinierung des Volkes einstuft, im Parlamentsgebäude als Büronachbarin vor der Nase. Nur schon der Gedanke daran macht Colmenares zornig und traurig.

Imelda hat über hundert Korruptionsverfahren mehr oder weniger ohne Schaden ausgesessen und nicht einen Tag im Gefängnis verbracht. Colmenares bezeichnet das als eine Kultur der Straflosigkeit. Ein von ihm mitinitiiertes Entschädigungsgesetz für die Leidtragenden der Diktatur hängt immer noch in der Schwebe und sollte schon vor langem vom philippinischen Senat verabschiedet werden. Erst dann können Entschädigungsgelder an die Opfer fließen. Die 83-jährige Matriarchin des Clans, die in Manila in einem geräumigen Penthouse wohnt, widmet sich derweil dem Kampf für die Freigabe eingefrorener Konten im In- und Ausland.

Imelda Marcos, die 2010 bereits zum zweiten Mal ins Parlament gewählt worden war, erntet als Abgeordnete eher Spott. Ihr Sohn Ferdinand hingegen hat sich zu einem allseits respektierten Senator gemausert. Bong Bong Marcos, wie sein Spitzname auf den Philippinen lautet, tritt mit denselben Allüren wie sein Vater auf. Öffentlich von dessen Politik Abstand zu nehmen oder sich gar für seine Verbrechen zu entschuldigen, weist Bong Bong weit von sich. Er hat an der Universität Oxford studiert und liebäugelt mit der Präsidentschaft. Deswegen strickt er auch eifrig am Mythos weiter, wonach die Philippinen unter der harten Hand von dem Diktator Marcos zu Wohlstand gekommen seien.

Der philippinische Politologe Ramon Casiple begründet den Rückwärtstrend mit der Demographie des Landes. Die Mehrheit der Bevölkerung sei erst nach dem Volksaufstand gegen den Diktator geboren worden. Zudem wird an den Schulen keine kritische Geschichtsaufarbeitung geleistet. So muss es nicht verwundern, dass sogar einige Intellektuelle den früheren Präsidenten nicht als Despoten sehen. Die Plünderung des Landes wird sowieso nur Imelda zur Last gelegt. In einer Umfrage von 2011 hielt es die Hälfte der Bevölkerung für gerechtfertigt, Ferdinand Marcos die letzte Ruhe auf dem Heldenfriedhof zu gestatten.

Untermauert wird die Geschichtsverzerrung durch die abschreckenden Zahlen der Demokratisierung. Die Philippinen, in den sechziger Jahren neben Japan als verheißungsvollste Volkswirtschaft Asiens gelobt, sind heute eines der ärmsten, gewalttätigsten und korruptesten Länder Südostasiens.

Präsident Benigno Aquino, dessen Mutter Corazon die friedliche Revolte gegen Marcos geleitet hatte und später Präsidentin wurde, wird als seriöser Politiker wertgeschätzt. In seinen beiden ersten Amtsjahren hat er kleine Schritte gegen die Bevölkerungsexplosion unternommen, korrupte Spitzenfunktionäre entthront und die Friedensgespräche mit kommunistischen und islamistischen Extremisten angekurbelt. Gemessen an den Problemen des Landes sind dies aber nur kleine Errungenschaften. Millionen von Filipinos können ihr Leben nur dadurch bestreiten, dass sie sich im Ausland als Gastarbeiter verdingen. In vielen Regionen herrschen Clans mit ihren Privatarmeen, über die der Staat keine Kontrolle hat.

Aquino wird sich kaum als visionärer und durchsetzungsstarker Präsident einen Namen machen. Im Umgang mit der Vergangenheit bleibt er freilich standhaft. Eine Überführung von Marcos' Leichnam auf den Heldenfriedhof in Manila lehnt er strikt ab. Aquinos Vater war als bekannter Oppositioneller von dem Killerkommando des früheren Regimes erschossen worden. Die Anhänger der Marcos-Sippe werden zumindest bis zu den Präsidentschaftswahlen von 2016 weiterhin nach Ilocos Norte wandern müssen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Neue Zürcher Zeitung, NZZ Online“, nzz.ch

Schlagwörter: Philippinen, Marcos, Imelda Marcos, Marcos-Clan, Nostalgie, Diktator, Diktatur, Rückwärtstrend, Leichnahm, Glassarg, Mausoleum, Ilocos Norte, Ferdinand Marcos, Senator, Imee Marcos, Gouverneurin, Opfer, Entschädigung, Veschwendungssucht, Geschichte, Aufarbeitung, Mythos, Benigno Aquino, Corazon Aquino, Privatarmee, Auslandsarbeit, Gastarbeiter