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Somalia: Mogadischus neuer Pulsschlag

 
Meldung vom 18.09.2012

Noch vor einem Jahr herrschten in Mogadischu apokalyptische Zustände. Heute gibt es dort schon schnell zusammen gezimmerte Cafés und Immobilienmakler. Nach 21 Jahren Krieg geht ein tiefes Aufatmen durch Somalia. Ein Tag mit dem Immobilienmakler Mohamed Abdi macht den neuen Pulschlag Mogadischus hörbar.

Mit Mohamed Abdi zu kommunizieren kostet viel Geduld. Kaum hat er einen Satz begonnen, bimmelt wieder eines seiner vier Handys. „Ein Kunde aus Stockholm“, bedauert er. Mohamed Abdi, 46 Jahre alt, Nickelbrille und ein Energiebündel, ist der erste Immobilienmakler Mogadischus.

Er vermittelt Baugrundstücke, zerschossene Wohnhäuser, Hotelruinen und zerbombte Fabrikhallen. „Alles geht“, betont er. „Dhul & Guri“ lautet der Name seines Unternehmens, was so viel bedeutet wie „Stein für Stein“, und das ist wörtlich zu verstehen. Kaum eine andere Stadt der Welt wurde so gründlich zu Staub zerbombt wie Mogadischu, und keine andere hat es so eilig, wieder aufgebaut zu werden. „Die Leute reißen mir die Grundstücke regelrecht aus den Händen“, versichert Mohamed.

Seine Kunden sind ehemalige somalische Flüchtlinge, die in Amerika, Großbritannien oder Schweden zu Geld gekommen sind und die es zurück in die alte Heimat zieht, weil sich dort so etwas wie ein dauerhafter Frieden abzeichnet. Es sind Leute wie Mohamed selbst: Nach dem Sturz des Diktators Siad Barre und dem Zusammenbruch der Zentralregierung 1991 flüchtete er zuerst nach London, von dort aus nach Georgia, Alabama, wo er bei einem Immobilienmakler in Lehre ging. Vor zwei Jahren ist er nach Mogadischu zurückgekehrt. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, meint er.

Genau ein Jahr ist es her, als die Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (Amisom) die radikale islamistische Miliz Al-Schabaab nach schweren Kämpfen zum Rückzug aus Mogadischu zwang. Damals wagten sich Besucher nur in gepanzerten Fahrzeugen durch die Stadt, die mit Hungerflüchtlingen regelrecht übersät war. Wenn es eine Szenerie vom Weltuntergang gäbe, sie hätte den gleichen Anblick wie Mogadischu in jenem August 2011.

Heute säumen improvisierte Straßencafés die staubigen Straßen, und an nahezu jeder Ecke wird gehämmert und gebaut. An der Kreuzung K 4, einst blutig umkämpfte Kriegsgrenze, staut sich inzwischen der Verkehr. Es wurden neue Straßenlaternen aufgestellt und es arbeitet eine Müllabfuhr, die von der türkischen Regierung finanziert wird. Der Hafen von Mogadischu ist wieder in Betrieb und auf dem Flughafen herrscht hektische Betriebsamkeit. „Diese Stadt atmet durch“, beschreibt Mohamed Abdi das neue Leben in Mogadischu

Mariam Arif Gassim ist seit acht Monaten zurück in Mogadischu. Dabei war die bekannte Schriftstellerin und Frauenrechtlerin davon überzeugt, dass sie ihre Heimatstadt nie wiedersehen werde. „Ich wollte nur noch weg hier.“ Die Familie ging ins Exil nach Großbritannien. Doch eine Reise wurde für Mariam Gassim eine unverhoffte Versöhnung mit ihrer Geburtsstadt. Frau Gassim wurde wieder ein Parlamentssitz angeboten, und sie sagte sofort ja. „Ich bin voller Hoffnung“, erklärt sie heute. Warum? „Weil wir endlich ein Parlament haben, in dem mehr als die Hälfte der Abgeordneten lesen und schreiben können.“ Für Somalia, das seit 21 Jahren nur Faustrecht kennt, bedeute dies einen großen Fortschritt.

„Haben Sie gesehen, wen wir zum Parlamentspräsidenten gewählt haben?“, fragt die Abgeordnete und ihre Augen blitzen schelmisch hinter der modischen Hornbrille: „Interessant, oder?“ Tatsächlich wurde die Wahl von Mohamed Osman Jawari mit Überraschung aufgenommen. Der als kompetent geltende ehemalige Minister des Regimes von Siad Barre ging als Außenseiter ins Rennen. „Das passiert, wenn Leute mit Verstand eine Entscheidung treffen“, sagt Mariam Gassim.

Mohamed Abdi hat dennoch seine Zweifel an dem Intelligenzquotienten der jetzigen Entscheidungsträger. „Wir brauchen Sicherheit und wir brauchen Demokratie. Und wenn die neue Regierung nicht spurt, dann machen wir ihr Beine“, warnt er. Wer „wir“? „Die Geschäftswelt von Mogadischu, die Steuerzahler“. Dann lässt er den Begriff genüsslich im Munde zergehen: „Tax payers money“. Mohamed hat es jetzt ein wenig eilig. Er muss mit drei Damen eine Besichtigungstour nach Jazeera machen, einem Strand rund 20 Kilometer südlich von Mogadischu.

Vor einem Jahr war Jazeera noch fest im Griff von Al-Schabaab, heute ist Jazeera fest im Griff von Mohamed Abdi, dem Immobilienmakler aus Georgia, Alabama. Er hat den vorherrschenden Clan davon überzeugen können, ihm die Vermarktung der Grundstücke zu übergeben. 50 auf 60 Meter groß sind sie, kosten rund 50.000 Dollar und befinden sich direkt an einem märchenhaft schönen Strand, der an Bilder aus einem Luxus-Reiseprospekt erinnert.

Eine von Mohameds Kundinnen ist Khadra Bulhan, eine energische Endsechzigerin. Die Familie Bulhan gehört zu den ersten Familien in Somalia, ihr Mann war unter Siad Barre Botschafter im Jemen. Kurz vor dem Sturz des Dikators 1991 waren die Bulhans nach London geflohen. Und seither, gesteht Khadra Bulhan, sei „nicht ein einziger Tag“ vergangen, an dem sie nicht Heimweh nach Mogadischu gehabt habe. Nach dem Abzug von Al-Schabaab waren sie und ihr Mann sich einig. „Unsere fünf Kinder sind aus dem Haus, uns hält nichts mehr in der Ferne“, meint sie.


Video-Beiträge zu diesem Thema

 Aufschwung in Mogadischu: Hämmern und hoffen




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Somalia, Mogadischu, Immobilien, Heimkehr, Flüchtlinge, Grundstücke, Bau, Immobilienmakler, Aufbau, Afrikanische Union, Flucht, Straßenlaternen, Müllabfuhr, Al-Schabaab-Miliz, Siad Barre, Exil