Indien: Die Rikscha – ein Zuhause auf drei Rädern

Meldung vom 09.11.2012

Viele Rikschafahrer in Indien haben kein eigenes Zuhause. Sie schlafen auf der Straße, immer in der Nähe ihres Gefährts. Jetzt wurde eine neue Rikscha erfunden. Auf den ersten Blick sieht sie genauso aus wie die anderen Rikschas: drei Räder, ein buntes Dach und eine Sitzbank für Passagiere. Doch dann klappt Amod Kumar mit einem Handgriff die Rückenlehne um, fixiert sie auf den Sattel und hat so ein zwei Meter langes Bett konstruiert. Fertig ist die Schlafstatt für den Fahrer!

„Super stabil“, stellt er stolz fest und streckt sich darauf aus. Er knipst das Licht und den Ventilator unter dem Sonnenschutz an und führt dann vor, wie man das Moskitonetz um sich herum aufhängt.

Kumars verwandelbare Rikscha ist ein Prototyp – und bald schon sollen davon Hunderte auf den Straßen Neu Delhis rollen. „In der Stadt sind 30 Prozent der wohnungslosen Menschen Rikscha-Fahrer“, meint Kumar, der für eine Nichtregierungsorganisation arbeitet, die sich um Obdachlose in der Stadt kümmert. Für diese Armen soll das umklappbare Gefährt als ein kleines Zuhause auf Rädern dienen.

Die mit Muskelkraft betriebenen Rikschas sind in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien selbst in der Hauptstadt ein häufig genutztes Fortbewegungsmittel. Die Fahrer radeln für umgerechnet wenige Euro pro Tag morgens Schulkinder durch die engen Gassen der Altstadt, bringen Touristen vorbei an Marktständen, Kühen und Lastenträgern zu ihrem Ziel, und transportieren Geschäftsleute in halsbrecherischen Manövern über vierspurige Straßen voller Autos, Busse und Motorräder.

Allerdings gehört den meisten Fahrer ihre Rikscha gar nicht, sagt Kumar. „Das Geschäft läuft über illegale Auftraggeber, die 100 bis 5.000 Rikschas haben. Diese verleihen sie in Zwölf-Stunden-Schichten an die Fahrer.“ Doch selbst wenn die Fahrer eine eigene Rikscha besitzen, sei ihr Leben schwer, meint Kumar. „Viele wagen es nicht, ihre Rikscha nachts unbeaufsichtigt abzustellen und sich einen Schlafplatz zu suchen. Deswegen versuchen sie, in oft unmöglichen und gesundheitsschädlichen Positionen, darauf zu schlafen.“

Bei der Entwicklung der neuen Rikscha wurde an viel gedacht. Die Fahrer wurden nach ihren Vorstellungen und Wünschen befragt, andere haben beim Zusammenschrauben mitgearbeitet. Dabei wurde nicht nur ein Trinkflaschenhalter und ein Handyladegerät sowie ein Vorder- und Rücklicht installiert. „Die Rikscha muss sowohl für den Fahrer als auch für die Passagiere komfortabler sein als herkömmliche, damit sie angenommen wird“, erklärt Rawal.

Deswegen bietet sie auch ein Trittbrett für leichteres Einsteigen, eine Sitzfederung und ein Radio. „Auf dem Dach ist ein 30-Volt-Solar-Panel, das bei drei Stunden Sonnenschein die Batterie voll auflädt“, erläutert Rawal. Das sorge für Strom, der dann für fünf Stunden Ventilator und Beleuchtung betreibt. Gewünscht hatten sich die Fahrer zudem eine abschließbare Box für ihre Wertsachen, die sich nun unter dem Sitz befindet.

16.000 Rupien (230 Euro) beträgt der Preis für eine Rikscha, das ist fast doppelt so viel wie eine herkömmliche. Die Fahrer dürfen das Geld langsam abzahlen. Ungefähr 50 Rupien sollen die Fahrer pro Tag von ihrem Verdienst abzahlen – das entspricht dem Betrag, den die meisten derzeit an ihre Verleiher entrichten müssen.

Kumar berichtet, dass es schon eine lange Liste von Interessenten gibt. Er hofft, dass die Stadtverwaltung nun schnell Genehmigungen für die Rikschas ausstellt. „Es geht hier ja nicht um Komfort“, sagt er. „Sondern um ein menschenwürdiges Leben.“


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „news aktuell“, newsaktuell.net