Mexiko: Wo Drogenbosse zu Unternehmern werden

Meldung vom 15.11.2012

Mexikos mächtige Drogenkartelle satteln derzeit auch auf andere Wirtschaftsbranchen als den Drogenhandel um. Sie haben sich inzwischen auch im Rohstoffhandel etabliert. Trotz der vielen Anstrengungen der Regierung, die Kartelle zu bekämpfen, ist ihre Macht ungebrochen.

Als Humberto Moreira explodierte, merkte ganz Mexiko auf. Der Ex-Gouverneur des nördlichen Bundesstaates Coahuila sprach als erster Politiker mit direkten Worten aus, was Kriminalitäts-Experten schon lange vorausgesagt hatten: dass die Drogenkartelle in die legale Wirtschaft eingedrungen sind und sich als Unternehmer in lukrativen Geschäftszweigen tummeln und tarnen.

In Coahuila, das bei Texas an die USA grenzt, hätten die Kartelle Teile des Rohstoffhandels an sich gerissen, warnte Moreira vor wenigen Wochen. In mindestens fünf Gemeinden schürfte das Zeta-Kartell nach Kohle und verkaufte diese an die staatliche Stromgesellschaft CFE. Dabei hätte die Mafia teilweise Unternehmer dieser Branche auf ihre Seite gebracht.

Namen wollte der Politiker nicht herausgeben. Aus Furcht. Denn die Mafia hat erst vor kurzem José Eduardo, den ältesten Sohn des Politikers umgebracht. Moreira verdächtigt den neuen Zeta-Chef Miguel Ángel Treviño, alias „Z-40“, für den Mord verantwortlich sein. Moreira, 46, war bis vor kurzem Vorsitzender der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die Mexiko von 1929 bis 2000 regierte und ab dem 1. Dezember mit Enrique Peña Nieto wieder an der Macht sein wird.

Gleichzeit endet die Amtszeit von Felipe Calderón, der den Kartellen den Krieg erklärt hatte. Tatsächlich sind heute manch kleinere Kartelle schwächer geworden, andere sogar aufgelöst. Aber die großen Mafia-Clans konnte die Staatsmacht nicht antasten – sie haben sogar noch an Einfluss gewonnen.

Vor allem für die Zetas und das Sinaloa-Kartell ist der Drogenschmuggel heute nur noch ein Geschäftsbereich von vielen. Experten weisen schon lange darauf hin, dass die Kartelle heute international verzweigte Unternehmen sind, die in mehr als 20 illegalen Aktivitäten verstrickt sind und daraus ihre Gelder beziehen. Zunehmend verbergen sie sich auch hinter der legalen Wirtschaft über Scheinfirmen und Allianzen mit Unternehmern.

So müsse man vor allem das Kartell von Sinaloa längst nicht mehr als Rauschgiftmafia einstufen, sondern als „eine höchst diversifizierte Verbrecherorganisation“, warnt Kriminalitätsexperte Edgardo Buscaglia. Die Mafia, deren Chef Joaquin „El Chapo“ Guzmán ist, erwirtschafte nur die Hälfte ihres Umsatzes mit Drogen. Die übrigen Einkünfte beziehen sie aus Geschäften wie Waffenschmuggel, Menschenhandel und Produktpiraterie. Zudem setzt sich die Organisation immer mehr in der legalen Wirtschaft durch. Firmen erwerben zum Beispiel mit dem Geld des Kartells kleine Minen und stiegen so ins Bergbaugeschäft ein, erklärt Buscaglia, Leiter des International Law and Economic Development Centre in Mexiko.

Buscaglia rät daher zu einem radikalen Umdenken: „Die Regierung muss endlich die Finanznetze der Organisationen zerstören und Villen, Firmen und Ländereien ins Visier nehmen. Nur wenn du an die Vermögenswerte und Besitztümer der Verbrechervereinigungen und ihrer Chefs gehst, hast du eine Chance den Krieg zu gewinnen.“ Aber an dem Punkt sei die Regierung untätig, weil Politik und Justiz bis in hohe Instanzen von der organisierten Kriminalität infiltriert seien.

Einige führende Clanchefs wurden zwar von der Armee und Polizei gefasst oder erschossen, aber dies reiche nicht, um die Macht der Kartelle zu brechen. Die Auswirkung auf die Schlagkraft der Zetas sei gering, unterstreicht Buscaglia. Schon länger habe auch das Zeta-Syndikat eine „korporative Struktur“, ähnlich der eines Unternehmens. „Eine Bank geht ja auch nicht Pleite, wenn sie die Kassierer oder den Filialleiter festnehmen.“


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de