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Nicaragua: Langsamer Wandel – Frauen begegnen dem „Machismo“

Meldung vom 22.11.2012

In Nicaragua herrscht noch eine klare Geschlechterordnung. Männer arbeiten, haben das Geld und befehlen, die Frauen gehorchen, bleiben zu Hause und kümmern sich um die Kinder. Obwohl die Linken in Nicaragua sich anfangs um Frauenrechte bemüht haben, hatte das nur begrenzte Auswirkungen auf das Volk. Der „Machismo“, der lateinamerikanische Männlichkeitswahn, ist nach wie vor ungebrochen.

In Europa ist der „Machismo“ längst aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt, aber in einem der ärmsten Länder Lateinamerikas geht die Emanzipation nur schwer voran. Diktatur und Bürgerkrieg haben Folgen hinterlassen. 90 Prozent aller Frauen erleiden Misshandlungen laut einer Erhebung des Frauenzentrums von Masaya.

In Nicaragua gibt es das härteste Abtreibungsgesetz der Welt, das keinerlei Ausnahmen macht. Im vorigen Jahr wurden in dem sechs Millionen Einwohner zählenden Land 1.453 Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren nach Vergewaltigungen schwanger – und zum Austragen der Risikoschwangerschaft genötigt.

Trotz aller Protestkundgebungen konnten Menschenrechts- und Frauengruppen die Regierung bislang nicht zum Umdenken bewegen. Zu stark ist der seltsame Pakt der sich links bezeichnenden sandinistischen Regierung mit der erzkonservativen katholischen Kirchen-hierarchie.

Dennoch haben sich die Frauen auf den Weg gemacht. Langsam sind die Fortschritte, viele Widerstände bauen sich auf. Die Frauenbewegung konnte immerhin die Einrichtung von Frauenkommissariaten und ein neues Gesetz zum Schutz der Frauen erreichen. Der Widerstand in der männerdominierten Polizei und Justiz dagegen ist eisern. Doch die Veränderung kommt von unten. Mitgewirkt haben vor allem Frauen wie Sebastiana Calero, 59 Jahre alt, Ehegattin von Emiliano II. und Mutter von Emiliano III.

Es war vor mehr als zehn Jahren, als es ihr reichte. Ihr Sohn hatte im Drogenrausch das Heim zerschlagen und die Mutter beschimpft, ihr Mann war heimgekehrt mit den beiden Ochsen von der Feldarbeit, hatte sich mit zwei Eimern Wasser erfrischt und war dann „zum Entspannen“ in die Dorfkneipe abgerückt. Als Emiliano am nächsten Morgen nach Hause zurückkehrte und seine Frau ihm Fragen stellte, explodierte er und schlug zu.

Am nächsten Tag suchten die Sozialarbeiterinnen des Frauenzentrums von Masaya das Dorf auf. Sebastiana ließ sich von ihnen die Wunden verbinden und erfuhr zum ersten Mal etwas von Menschenrechten und davon, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Männer ihre Frauen schlagen. Mit anderen Frauen aus dem Dorf rief sie eine Selbsthilfegruppe ins Leben. Emiliano gefiel das überhaupt nicht, er stellte sich seiner Frau entgegen: „Was sind das für neumodische Ideen aus der Stadt? Ihr Frauen habt euch unterzuordnen“, schrie er. „Ich gehe da hin, und wenn du willst, kannst du ja mitkommen und etwas lernen über Frauen“, konterte Sebastiana. Emilio verschlug es die Sprache.

Für sie war es wie ein Befreiungsschlag. „Ich bin nie zur Schule gegangen und fühlte mich deshalb immer unterlegen“, berichtet die große, hagere Frau und füttert dabei weiterhin ihre Hühner, wäscht die Wäsche, fegt den Lehmboden vor der Hütte. Auf dem Hof ist man immer in Bewegung. Stillsitzen, sich Zeit nehmen für sich, das kann sie sich bis heute kaum leisten. „Aber in der Frauengruppe habe ich gelernt, mich auszudrücken und lasse mir jetzt nicht mehr den Mund verbieten.“

Und sie hat einiges gelernt im Frauenzentrum: Männer nicht im Suff oder Drogenrausch zur Rede zu stellen, besser danach. Oder rhetorische Tricks: etwa den Männern vorwerfen, Frauen zu prügeln sei eine Schwäche. Die Ratschläge gibt sie gerne weiter, zum Beispiel ihrer Nachbarin Carla Puerto. Auch diese sucht bald das Frauenzentrum auf und so spricht sich das zwischen den Frauen herum. Das veränderte Verhalten der Frauen verändert auch ihre Männer.

Als Sebastiana wieder nach Hause kommt, ist ihr Mann mit den Ochsen vom Feld gekommen. Schweigend hört der schnauzbärtige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht zu, wie seine Frau von den Sorgen der Nachbarin erzählt. Später, als er alleine vor der Hütte die Ochsen füttert, möchte er doch noch etwas hinzufügen. Das Frauenzentrum, gibt er zu, habe seiner Ehe sehr geholfen. Er habe aufgehört, zu trinken und vom gesparten Geld hätten sie die Ochsen erwerben und das Haus bauen können. „Viel reden, sich in die Lage des anderen versetzen und sich selbst zurücknehmen zu können, das ist das Geheimnis einer glücklichen Beziehung“, stellt der Ex-Macho fest und bindet gemächlich die Zügel des Ochsengespanns fest.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Badische Zeitung“, badische-zeitung.de

Schlagwörter: Nicaragua, Frauen, Frauenrechte, Emanzipation, Machismo, Männlichkeitswahn, Frauenzentrum, Veränderung, Misshandlung, Abtreibungsgesetz, Katholische Kirche, Selbsthilfegruppe, Gender