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Südsudan: Ein vom Krieg vernarbtes Land

Meldung vom 31.01.2013

Derzeit verhandeln die Präsidenten vom Südsudan und Sudan weiter über die entmilitarisierte Pufferzone zwischen den beiden Ländern. Eineinhalb Jahre nach der Abspaltung muss der Süden mit großen Problemen kämpfen. Die Narben des Krieges sieht man im Südsudan überall.

Über dem Flughafen der südsudanesischen Hauptstadt Juba ziehen Raubvögel ihre Kreise. In der Empfangshalle scharen sich hunderte Araber, Chinesen, Kenianer, Südsudanesen, UN-Polizisten und NGO-Helfer um das Gepäck, das durch eine Tür in den Raum geschmissen wird. Täglich kommen hier Experten aus dem Ausland an, die den Südsudan beim Aufbau unterstützen sollen. Eineinhalb Jahre nach der Unabhängigkeit vom Sudan sind Berge an Arbeit zu bewältigen in dem Land, das kaum über eigene Infrastruktur verfügt. Viele Krankenhäuser stehen unter der Leitung von NGOs, auch der Schulbetrieb läuft nur durch ihre Hilfe.

Auf den Straßen kommt man nur schleppend voran. Die einzige asphaltierte Straße führt durch die Hauptstadt Juba und bricht abrupt kurz nach der Stadtgrenze ab. Danach kann man umgekippte Lastwagen am Straßensand begutachten, verlassene Riesen, die Übersee-Container und Benzintanks geladen hatten. Die Hauptstadt ist zusammengezimmert aus Wellblechhütten, in den besseren Vierteln stehen Betonhäuser, das alles ist verbunden durch Straßen aus matschiger Erde. Dazwischen rennen kopflos Hühner, Ziegen und ausgemergelte Hunde umher.

Am Straßenrand hocken Frauen und veräußern geröstete Maiskolben und Getränke. Überall dröhnen Dieselmotoren – die einzigen Stromquellen der Stadt. Über das ganze Land wurde ab 23 Uhr eine Ausgangssperre verhängt. Damit versucht die Regierung, die ausufernde Kriminalität einzudämmen.

Trotz aller Probleme geht eine Aufbruchstimmung durch Juba. Überall gibt es Baustellen. Kein Plakat auf der Straße, keine Werbung, kein politischer Slogan, der nicht Hoffnung ausdrückt: „South Sudan – We Believe“, ist auf den Plakaten eines Mobilfunkanbieters zu lesen.

Die Menschen im Süden leiden unter Traumata, überall kann man die Spuren des Krieges ablesen. In den Klassenzimmern ländlicher Schulen gibt es zahlreiche Einschusslöcher. Viele Menschen sind kriegsversehrt. Zwischen 1983 und 2005 flohen hunderttausende Familien aus ihren Dörfer und suchten im Busch Zuflucht.

Heute kehren etwa drei Millionen Vertriebene zurück in ihre alte Heimat. Zehntausende werden im Grenzgebiet zwischen Nord und Süd festgehalten, Tausende harren in und um der Hauptstadt Juba darauf, sich niederlassen zu können. Doch während die Mieten in der Stadt schon zu Kriegszeiten teuer waren, trieben zahlreiche Unternehmen aus China und Europa, die auf ein gutes Geschäft mit dem Öl aus sind, die Preise weiter nach oben.

Mehr als 70 Prozent der über 15-Jährigen sind Analphabeten, bis zu 30 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt. Nur drei Prozent der Lehrer haben einen Universitätsabschluss. „In anderen Ländern würde man diese Leute nicht einmal in die Nähe einer Schulklasse lassen“, kommentiert hierzu Deng Deng Hoc Yai. Der Staatssekretär für Bildung bemüht sich darum, das Bildungssystem neu aufzubauen. Die Lehrer, darunter etliche ehemalige Soldaten, verdienen 50 bis 100 Dollar im Monat – das reicht bei Weitem nicht, um zu überleben. Die meisten ziehen nebenher Gemüse, um sich von teuren Importprodukten unabhängig zu machen.

Der Optimismus in der Bevölkerung hat mit der Unabhängigkeit zwar Auftrieb erfahren, doch hat sich seit Juli 2011 nicht viel verbessert. Gerade arme Bevölkerungsschichten auf dem Land haben kaum einen Nutzen von der Euphorie des Neustarts. „Der neue Staat bringt nur denen etwas, die lesen und schreiben können“, meint Maru L., Mutter von fünf Kindern aus dem Bundesstaat Central Equatoria. „Die bekommen vielleicht Arbeit, aber was ist mit uns?“

Ayen, 28-jährige Allgemeinmedizinerin in Juba, ist anderer Meinung. „Unter Khartums Herrschaft wurden wir als Bürger zweiter Klasse behandelt“, berichtet sie. „Im Norden haben sie die Scharia, hier sind wir Christen. Die Araber taten, als würden sie uns besitzen. Jetzt hat der Rassismus endlich ein Ende.“ Das größte Problem, glaubt Ayen, seien die Wirtschaft und die mangelnde Infrastruktur. Wie viele andere Südsudanesen hält auch sie sich zurück mit Kritik an der Regierung. Meinungsfreiheit ist hier eine Utopie, unabhängige Journalisten leben in ständiger Angst.

Oyoo R., ein junger Journalist einer Radiostation in Juba, gibt seinen echten Namen lieber nicht in der Zeitung preis. „Ich wurde schon verhaftet, nur weil ich ein Aufnahmegerät dabeihatte“, bezeugt er mit gedämpfter Stimme, immer wieder blickt er nervös um sich. R. weiß von einem Aktivisten, der Korruptionsfälle aufarbeitete. Eines Nachts wurde er von Fremden entführt. Sie verbanden ihm die Augen, zwangen ihn in ihr Auto. Auf einer Landstraße stießen sie ihn aus dem Wagen und schlugen auf ihn ein. „Zum Glück kamen zufällig Einheimische vorbei, und die Männer liefen weg“, sagt R., „sonst hätten sie ihn wahrscheinlich umgebracht.“ R. hat keine gute Meinung von der neuen Regierung. „Korruption“, sagt er, „ist das größte Problem, aber niemand spricht darüber.“

Auf dem Flughafen in Juba werden anreisende Chinesen mit „Ni hao“ willkommen geheißen. Einige von ihnen bilden eine Menschentraube um den Schalter einer Fluglinie, hinter dem junge Männer handgeschriebene Flugtickets aushändigen. Computer sind hier noch nicht vorhanden. Abraham A., der Ko-Pilot, meldet sich plötzlich aus der Menge zu Wort. „Wir sind jetzt frei“, betont er. „Aber wir haben noch einen weiten Weg zu gehen.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Presse“, diepresse.com

Schlagwörter: Südsudan, Krieg, Flüchtlinge, Unabhängigkeit, Juba, Korruption, NGO, Ausländer, Hilfsorganisationen, Kriegsversehrte, Traumata, Analphabetismus, Schulen, Krankenhäuser, Meinungsfreiheit, Journalisten, Infrastruktur, Lehrer