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Rumänien: Wo die Orthodoxie den Ton angibt

Meldung vom 07.02.2013

In Rumänien werden gesellschaftliche Kämpfe ausgetragen. Orthodoxe empören sich über die Feuerbestattung eines bekannten Filmregisseurs, der eine Art Ikone in der Künstlerszene Rumäniens war und als Nationalheld gefeiert wurde. Sie werfen Anklagen der Gotteslästerung und Hetze gegen Homosexualität in die öffentliche Debatte ein. Das ist in Rumänien keine Seltenheit.

Als die Witwe Dana Nicolaescu ihren verstorbenen Mann auf den letzten Weg begleitete, schrie eine wütende Menschengruppe ihr zu: „Du sollst in der Hölle brennen!“ Dies ereignete sich Anfang dieses Jahres vor dem Bukarester Krematorium. Trotz der Eiseskälte hatten sich die Demonstranten versammelt, um der trauernden Frau ihre Empörung zu zeigen darüber, dass die Leiche entgegen der Vorschriften der Rumänisch-Orthodoxen Kirche eingeäschert wurde. Der Fall wurde in Rumäniens Medien breitgetreten, weil es sich bei dem Toten um den im Land sehr prominenten Filmregisseur Sergiu Nicolaescu handelte.

Tagelang ging nicht Nicolaescus umstrittenes Lebenswerk durch die öffentlichen Debatten, sondern die angeblich gotteslästerliche Einäscherung seiner Leiche, die der Mann testamentarisch gewünscht hatte. Ungefragt schaltete sich sogar die oberste Kirchenleitung ein: Feuerbestattungen seien unzulässig, verfügte das Patriarchat in Bukarest und bot an, die Kosten für eine „christliche“ Grablegung Nicolaescus zu übernehmen. Der Christenmensch müsse nach seinem Tod beim Jüngsten Gericht leibhaftig vor seinen Schöpfer treten und nicht als ein Haufen Asche, belehrten Popen die Öffentlichkeit in TV-Talkshows.

Deshalb sei bei Feuerbestattungen ein Gottesdienst verboten. Um zu prüfen, ob irgendein Pope das Risiko einging, dieses Verbot zu übertreten, schickte das Patriarchat sogar verdeckte Spione zu Nicolaescus Bestattung. Anschließend offenbarte die Boulevardpresse vorwurfsvoll, dass die Witwe ausgerechnet an dem für Orthodoxe wichtigen Feiertag Sankt Johannes' des Täufers (7. Januar) auf ihrem Balkon Wäsche zum Trocknen aufgehängt habe. Diese Frau sei völlig gottlos, lautete der Vorwurf.

Rumäniens größter Bevölkerungsanteil ist christlich-orthodox. Nichts bringt die Menschen mehr auf die Barrikaden als äußerliche Aspekte ihrer Konfession, zu der sich fast 90 Prozent der Rumänen zugehörig fühlen. Regelmäßig schlagen sich Menschen um den Vortritt zu Ikonen, Reliquien und Weihwasser bei den Massenprozessionen an Festtagen für verschiedene Heilige. Lokale Revolten in Dörfern und Kleinstädten wenden sich so gut wie nie gegen Politiker, meist sind Kirchenfragen der Auslöser. Mal empören sich die Menschenmassen, weil der Pope dem Alkohol oder einer Frau zugeneigt war, mal richtet sich der Volkszorn gegen die Kirchenführung, weil ein beliebter Pfarrer an einen anderen Ort versetzt wird. Proteste gegen die Sparpolitik der Regierung, die immerhin Löhne um ein Viertel gekürzt hatte, kommen dagegen nur schwer in Gang.

Kaum jemand ereifert sich dagegen, dass nach dem Fall des Kommunismus im Land mehr als 4.000 neue Kirchen errichtet wurden, während zum Beispiel viele Schulen aus Geldmangel ihren Betrieb einstellen mussten. Das Gegenteil ist der Fall: Trotz weit verbreiteter Armut geben die Rumänen ihr letztes Hemd für eine neue Riesenkirche. 30 Stockwerke hoch werden soll diese „Kathedrale zur Erlösung des Volkes“, die gerade in Bukarest gegenüber vom Mammutpalast des früheren Diktators Nicolae Ceausescu in die Höhe wächst. 600 Millionen Euro soll das Projekt verschlingen, samt Tiefgarage, Café, Büros und Wohnungen.

Es liegt nahe, dass die neue Attraktivität des Religiösen mit der allgemeinen Verdrossenheit zu tun hat, die sich in Bezug auf die eigenen Politiker und gegen die EU entwickelt hat. Die politische Klasse Rumäniens wird als korrupt eingestuft, über Parteigrenzen hinweg. Die EU wiederum hat sich bisher in Rumänien vor allem als Kontrolleur und Mahner einen Namen gemacht. Von ihren Segnungen hat das Volk kaum etwas erfasst, zumal Rumänien wegen schwacher Verwaltung und verbreiteter Korruption gerade einmal ein Zehntel der verfügbaren Milliardenbeträge aus Brüssel in Anspruch nehmen konnte.

Die Negativ-Porpaganda bezüglich des Westens schürt die Riege der Orthodoxen gewaltig. Die EU und die USA bezweckten eine Auslöschung nationaler Identitäten und Werte in Europa, behauptet etwa der extrem christlich-orthodoxe Aktivist Iulian Capsali immer wieder auf seiner Facebook-Seite. „Westliche“ Werte wie etwa Toleranz gegenüber Homosexuellen zielen nach seiner Lesart darauf ab, „die Substanz“ des rumänischen Volks zu untergraben.

Politiker geben zwar vor, sich von den Ultra-Orthodoxen nicht einschüchtern zu lassen. Ob sie dies aber politisch durchstehen, bleibt fraglich, zumal bisher noch keine rumänische Regierung offen gegen die orthodoxe Kirche Stellung bezogen hat. Seit Jahrzehnten ist diese Kirche laut Umfragen die Institution, der die Rumänen das größte Vertrauen schenken.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Handelsblatt“, handelsblatt.com

Schlagwörter: Rumänien, Orthodoxe Kirche, Orthodoxie, Einäscherung, Feuerbestattung, Sergiu Nicolaescu, Tod, Filmregisseur, Krematorium, Bukarest, Nationalheld, Kirche, Kathedrale zur Erlösung des Volkes, Korruption, EU, Gotteslästerung, Konfession, Ultra-Orthodoxe, Homosexualität, Proteste, Aufruhr, Revolten, Pope