Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Indien: Wenn Frauen Taxi fahren

 
Meldung vom 28.02.2013

Seit dem Bekanntwerden der vielen Vergewaltigungsfälle fühlen sich Frauen in Indien im öffentlichen Verkehr nicht ausreichend geschützt. Besonders die Straßen von Neu Delhi sind für sie unsicheres Pflaster. Frauen, die auf Fortbewegungsmittel wie Busse, Taxis oder Rikschas angewiesen sind, fürchten oft Übergriffe durch die männlichen Fahrer. Für sie wurde ein Taxi-Unternehmen von Frauen für Frauen gegründet.

Elegant lenkt Chandni ihr weißes Taxi durch den tumultartigen Verkehr Neu Delhis in Indien. Sie schlängelt sich an verbeulten Bussen vorbei, umfährt Fußgänger weiträumig, hupt chaotische kurvende Rikscha-Fahrer an und bremst als eine der wenigen diszipliniert an den roten Ampeln. Schließlich gelingt ihr ein zentimetergenaues Einparkmanöver – und das zieht sofort Blicke auf sich. „Sie gucken mich an wie ein Wunder“, lacht sie, und ihr Pferdeschwanz wippt.

Eine Frau hinterm Steuer ist in Indien – auch in der Hauptstadt – noch immer ein ungewöhnlicher Anblick. Eine Taxi-Fahrerin dagegen ist eine Sensation. „Aber ich hatte nie Sorgen, dass ich das nicht kann“, erklärt die 22-Jährige selbstsicher. Sie ist eine der Taxifahrerinnen von Sakha Consulting Wings, die als einziges Unternehmen in Neu Delhi ein Unternehmen von Frauen für Frauen ins Leben gerufen haben. „Männer dürfen bei uns nur in weiblicher Begleitung zusteigen“, meint Geschäftsführerin Nayantara Janardhen.

Eröffnet wurde das Unternehmen vor fünf Jahren zusammen mit der gemeinnützigen Schwesterorganisation Azad Foundation. „Wir wollen Frauen am Rande der Gesellschaft die Möglichkeit für ein Einkommen und die Chance zum Aufstieg bieten. Und zwar nicht in stereotypischen Jobs wie Nähen oder Sticken“, betont Janardhen. Die Erfolge seien bahnbrechend: Weil diese Frauen nun oft für das Haupteinkommen sorgten, dürften sie auch die Entscheidungen in der Familie treffen.

Das kostenlose Training währt im Durchschnitt sieben Monate. „Normalerweise muss man in Indien keine Praxisstunden nehmen. Aber diese Frauen saßen als Kinder ja nie mit im Auto und kennen gar keine Regeln“, weiß Janardhen. Außerdem erhalten die Frauen neben den Verkehrstraining auch Unterricht in Erster Hilfe und Englisch sowie Selbstverteidigung, und sie lernen ihre gesetzlichen Rechte und Sexualaufklärung kennen.

„Sie sollen vielseitige Profis und vielseitige Persönlichkeiten werden“, fügt sie hinzu. Außerdem begleitet die Mitarbeiterin Devi Banerjee sie auf den Weg zu den Behörden, die wegen ihrer Bürokratie gefürchtet sind. „Wenn sie da alleine hingehen, werden sie rumgeschubst und niemand nimmt sie ernst“, kritisiert Banerjee. Die Organisation unterstützt sie auch beim Abschluss einer Versicherung, eröffnet Bankkonten mit ihnen – und zeigt den Frauen, wie sie mit den Karten Geld abheben können.

Neben den 10 Taxifahrerinnen stehen 50 weitere zur Verfügung, die als private Chauffeurinnen für Sakha unterwegs sind. Ganz neu in diesem Team ist Gita (20), deren großer Traum zwar immer schon das Autofahren war, die aber nie dachte, dass sie es mal auf einen Fahrersitz schafft. „Wenn mich jetzt andere Frauen sehen, sollen sie ermutigt werden“, meint sie.

Über mangelnde Aufträge kann sich das Unternehmen nicht beklagen. Seit der tödlichen Vergewaltigung in einem Bus im Dezember klingelt es ununterbrochen, meint Janardhen. „Uns erreichen seitdem 30 bis 40 Prozent mehr Buchungen.“

95 Prozent der Frauen in Neu Delhi gestanden in einer jüngst veröffentlichten Studie der Frauenrechtsorganisation ICRW, außerhalb des Hauses Furcht vor sexueller Gewalt zu haben. Ein Viertel wagt sich nach Sonnenuntergang gar nicht mehr alleine auf die Straße. „Wir müssen den öffentlichen Raum zurückgewinnen“, verlangt Janardhen.

Die Fahrerinnen von Sakha dürfen die Taxis auch für private Zwecke einsetzen. Chandni jedoch macht davon kaum Gebrauch. „Ich mag shoppen gehen nicht besonders“, erklärt sie. Die zierliche Frau mit Rucksack und Turnschuhen hat andere Pläne: Sie will es bis zur Busfahrerin schaffen. Bislang sitzt noch keine Frau hinter dem Steuer eines öffentlichen Busses in Neu Delhi. „Noch nicht!“, sagt Chandni voller Hoffnung.






Quelle: „Frankfurter Neue Presse“, www.fnp.de

Schlagwörter: Indien, Frauen, Frauenrechte, Taxi, Taxifahrerin, Bus, Busfahrerin, Gender, Vergewaltigung, Sicherheit, Neu Delhi, Unternehmen, Selbständigkeit, Verkehr, Fortbewegung