Philippinen: Wenn Krankenschwestern zu Handy-Müttern werden

Meldung vom 29.03.2013

Die philippinische Regierung zeichnet jedes Jahr einige Filipinos, die im Ausland arbeiten, mit dem Bagong-Bayani-Orden aus. „Bagong Bayani“, die Übersetzung lautet „Neue Helden“. Die Ausgezeichneten werden in die festlichen Räume des Malacañang Palastes in Manila gebeten, der offiziellen Residenz des Präsidenten. Das ist ein Ausdruck der Wertschätzung, die den OFWs, den Overseas Filipino Workers, zuteil wird. Rund zehn Millionen von ihnen existieren, das sind etwa elf Prozent der philippinischen Bevölkerung. Und das Geld, das sie nach Hause überweisen – mehr als 20 Milliarden Dollar waren es 2011 – ist eine höchst wichtige Einnahmequelle für die heimische Wirtschaft.

Die Überseearbeiter verlassen ihre Heimat, um ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen, und oft wird das Geld, das sie nach Hause transferieren, auch wirklich in gute Schulen und eine bessere Gesundheitsversorgung investiert. Aber ihre Kinder müssen mindestens ein Elternteil entbehren, während sie aufwachsen. Und meistens ist es die Mutter, die weggeht. Zwei Drittel der OFWs besteht aus Frauen, die als Haushaltshilfen, Altenpflegerinnen oder Krankenschwestern eingestellt werden.

„Cellphone moms“ werden solche Mütter in den Philippinen bezeichnet, es sind die sogenannten „Handy-Mütter“. Denn den Kontakt zu ihren Kindern können sie nur per Handy wahren. Manchmal bekommen sie diese jahrelang nicht zu Gesicht. Die Kommunikation wird oft unterbrochen und besteht manchmal nur noch aus Floskeln. „Ich liebe dich, pass auf dich auf.“ Das Geld, das sie für das Flugticket für den Heimatbesuch benötigen würden, überweisen die Auslandsarbeiter oft lieber nach Hause. Manchmal ist es fast ein Vorwand, denn nicht immer wird es dort unbedingt gebraucht. Aber die Entfremdung bei einem Besuch nach mehreren Jahren bei der Familie kann so spürbar werden, dass daraus eine enttäuschende, schmerzhafte Erfahrung erwächst.

Wenn sich Frauen fern von ihren Familien im Ausland verdingen, dann kommt das zustande, was die US-amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild „global care chain“ nennt – eine globale Betreuungskette. Ein reiches Land wie Deutschland nimmt sich Frauen aus einem armen Land wie den Philippinen, damit sie deutsche Kranke oder Alte pflegen. Das bedeutet aber nicht, dass die Männer zuhause sich der Kinder annehmen, zumal in einer patriarchalen Gesellschaft.

Die philippinischen Männer können es nur schwer verkraften, dass die Frau das Geld verdient. Deshalb muss eine Schwester oder die Großmutter zur Kinderpflege einbestellt werden. Oder es wird jemand angeworben, meistens eine Frau, die ebenfalls ihre Familie verlässt, um sich um eine andere Familie zu kümmern. Denn in den Philippinen ist es gängig, dass ein Kindermädchen im Haushalt lebt, in dem es arbeitet. Oft lebt die eigene Familie in einiger Entfernung. Das Kindermädchen wiederum hat in seiner Familie womöglich auch für weiblichen Ersatz gesorgt. Die Bezahlung der Frauen sinkt in dieser Betreuungskette immer weiter. Die Zahl der Kinder, die ohne ihre Mutter groß werden, aber nimmt stetig zu.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Berliner Zeitung“, berliner-zeitung.de