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Afghanistan: Politischer Poet schreibt sich ins Herz der Afghanen

Meldung vom 06.09.2013

Matiullah Turabs erster Job ist das Schmiedehandwerk. Er repariert Lastwagen in seiner Metallwerkstatt. Doch der einfache Mann ist auch der wohl bekannteste Dichter Afghanistans. Die Afghanen mögen seine Verse. Sie verbreiten sich im Internet und auf den Straßen.

Der Dichter legt einen Streifen Blech in die uralte Stahlschneidemaschine ein und zersägt es in einzelne Dreiecke. Im Hintergrund ertönen die einschneidenden Geräusche einer Handsäge, die einen langen Balken teilt. Diese ohrenbetäubende Geräuschekulisse des Arbeitstages umgibt Matiullah Turab, einen der berühmtesten paschtunischen Dichter Afghanistans – in der Werkstatt, wo er seine Existenz sichert, indem er die farbenfrohen pakistanischen Lkws repariert, die Waren aller Art durchs Land fahren.

Die Stille der Nächte aber gehört ihm allein, wenn er Gedichte schafft, die aber so einschneidend sind, wie die Werkzeuge, die er des Tages benutzt. Natur und Romantik kommen darin nicht vor. „Es ist nicht die Aufgabe eines Dichters, über Liebe zu schreiben“, sagt er etwas missmutig. Ein Dichter muss die Trauer und den Schmerz der Menschen in Worte fassen.

Mit seinen klaren Worten schenkt der 44-jährige Matiullah Turab den Afghanen eine Stimme. Besonders jenen, die aus dem ewigen Krieg verbittert hervorgegangen sind und die seine Protagonisten – die Amerikaner, die Taliban, die afghanische Regierung und Pakistan nur noch mit Zynismus sehen. Denen spricht Turab mit seinen Versen aus der Seele:

„Der Krieg ist ein Geschäft geworden

Köpfe wurden verkauft

Als ob man sie wie Baumwolle wiegen könnte

Und an der Waage sitzen die Richter

Die erst vom Blut kosten und dann den Preis festsetzen.“

Vertonungen von Turabs Gedichten wurden in Afghanistan überall weitergegeben, besonders unter den Patschunen. Seine Nähe zur islamistischen und teilweise bewaffneten Partei Hisb-e-Islami hat andere allerdings auch abgeschreckt.

Dennoch ist die afghanische Bevölkerung fasziniert von seiner Dichtung. Vielleicht, weil er sehr viel Verständnis für die einfachen Afghanen hat, die von der zermürbenden Korruption ausgelaugt sind und von den Enttäuschungen des vergangenen Jahrzehnts.

„Es gibt keinen ehrlichen Politiker in Afghanistan“, sagt er und ein bitteres Lächeln spielt um seine Lippen. „Soweit ich weiß, brauchen Politiker die Unterstützung des Volkes, die aber keiner dieser Politiker hat. Für mich sind sie so etwas wie Teilhaber an einem Geschäft. Sie denken nur an sich selbst und an ihren Profit.“ Und er ergänzt: „Die Taliban sind auch keine Lösung. Die alten Tage, in denen die Regierungsweise der Taliban funktionierte, sind vorbei.“

Er hat keine Zeit für freundlichen Small Talk, weder in Bezug auf seine eigene Arbeit noch für andere. Und er prangert besonders gnadenlos Regierungsvertreter an. In ihre Jackets sollten sie sich am besten drei Taschen nähen, witzelt er: eine für afghanisches Geld, eine für Dollars und eine für pakistanische Rupien.

Trotz dieser scharfen Kritik ist Turab bei einflussreichen Mitgliedern der Regierung immer noch gefragt. So hat Präsident Hamid Karzai ihn kürzlich in den Präsidentenpalast von Kabul einbestellt. „Der Präsident mochte meine Gedichte und sagte mir, ich hätte eine hervorragende Stimme, aber ich weiß nicht, warum“, meint Turab. „Ich habe ihn kritisiert.“

Tatsächlich ist Turab berühmt. Obwohl er am liebsten zu Hause in Khost ist, geht er viel auf Reisen, jedenfalls mehr als andere Metallarbeiter. Denn die Menschen drängen sich in seine wenigen Lesungen, und neue Gedichte, die er auf YouTube vorträgt, zählen stets schnell zu den am meisten von Afghanen geschauten Videos überhaupt.

Turab schließt sich dabei lediglich einer langen Reihe von gefeierten afghanischen Dichtern an, zu deren berühmtesten Rumi gehört, der Sufi-Mystiker, dessen Werke über Liebe und Glaube noch immer weltweites Ansehen genießen.

Unter der Herrschaft der Taliban ging er sogar einmal soweit, ein Buch mit seinen Werken zu veröffentlichen. Doch dafür zahlte er einen hohen Preis. „Die Taliban schlugen mich zusammen“, erzählt er, schüttelt den Kopf und lacht dann leise. „Da merkte ich, dass das mit dem Veröffentlichen keine so gute Idee war.“

„Manchmal wundert es mich sehr, dass nicht alles ganz einfach auseinanderfällt“, erklärt Turab, wenn er sich all die Jahre des Kriegs und der ausländischen Präsenz in seinem Land vor Augen führt. Dann schlussfolgert er trocken: „Aber dann merke ich, dass es hier wohl gesellschaftliche Regeln gibt, die das Land zusammenhalten, auch ohne Gesetze der Regierung.“

Und auch wenn er gegenüber der Besatzung voreingenommen war und ist, würdigt Turab doch den Fortschritt, der in Afghanistan Einzug gehalten hat: Straßen, Elektrizität und Schulen. Es sind andere Aspekte des westlichen Einflusses, die ihm Kopfzerbrechen bereiten. „Demokratie wird unseren Stammesgesetzen schaden und sie letztendlich auslöschen“, meint er. „Die Medizin, die von der Demokratie verschrieben wurde, wirkte nicht gegen die Krankheit dieser Gesellschaft.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Afghanistan, Poet, Dichter, Verse, Kritik, Hamid Karzai, Gesellschaft, Schmerz, Künstler, Demokratie, Taliban, Paschtunen, Korruption, Kabul