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Haiti: Jalousie – ein Slum in Regenbogenfarben

 
Meldung vom 23.10.2013

Der Karibikstaat Haiti präsentiert stolz seine Wiederaufbaumaßnahmen, die jedoch leider oft nur aus kosmetischen Veränderungen bestehen. Was verbirgt sich hinter den Kulissen?

Pink, zitronengelb, giftgrün, blau, rot. Von weitem sehen die vielen tausend Häuser aus, wie einmal durch den Malkasten getaucht. Aber aus der Entfernung bekommt man von dem Leid und der Gefahr nichts mit, die die Einwohner des Stadtviertels Jalousie in der Hauptstadt Haitis bedrohen. Die Regierung verkündet, sechs Millionen Dollar in die Verschönerung des Viertels gesteckt zu haben.

Im letzten Monat wurde bei einer Untersuchung herausgefunden, dass dieses Elendsviertel, das auf einem Hügel liegt und in dem zwischen 45.000 und 50.000 Menschen wohnen, auf einer geologischen Verwerfung errichtet wurde. „Es gibt nicht nur diese Verwerfung, die sich durch ganz Jalousie zieht, es besteht auch die ernsthafte Gefahr eines Erdrutsches in dieser Gegend“, warnte auf einer Pressekonferenz der Geologe Claude Prépetit, einer der Verfasser einer neuen seismologischen Studie von Port au Prince.

Viele der kleinen Häuser von Jalousie klammern sich an einen Berghang, oder sie stehen auf sehr steilem Gelände oder in Schluchten, die als Ablaufrinne für Regenwasser fungieren. Jedes Mal wenn es regnet, rauschen Wasserfluten die Abhänge herunter, auf denen man offiziell weder bauen noch Bäume abholzen darf. Ohne Gebüsch und Sträucher, die das Regenwasser aufnehmen, kann der Schlamm Menschen, Tiere und ganze Häuser erfassen und unter sich begraben.

Ein Dokument des Innenministeriums weist darauf hin, dass mehr als 1.300 Wohnungen evakuiert werden müssen, weil die Bewohner und die Menschen im darunter liegenden Stadtviertel sich in Gefahr befinden. Im Jahr 2012 hat Minister Ronald Toussaint Pläne für einen solchen Umzug öffentlich bekannt gegeben, aber nach Protesten der betroffenen Bewohner griff Präsident Michel Martelly ein, annullierte die Pläne und entließ den Minister.

Jalousie gehört zu den vielen zusammengepferchten und heimlich erbauten Stadtviertel, die die haitianische Hauptstadt umgeben und dort gibt es weder eine Wasser- noch eine Abwasserversorgung. Einer UNESCO-Studie zufolge haben diese Häuser eine Fläche zwischen acht und dreißig Quadratmetern, die Bevölkerungsdichte lässt sich bei bis zu 1.800 Personen pro Hektar festmachen.

Die winzig kleinen Betonhäuser befinden sich direkt gegenüber von Geschäften, Restaurants, Hotels und Villen von Pétion-Ville, einer Gegend, in der die Elite Haitis logiert und arbeitet. Die Einwohner von Jalousie, auch die Kinder, müssen täglich steile Treppen hoch wandern, um Wasser zu holen, das sie auf dem Kopf nach Hause balancieren. Jeder 19-Liter-Eimer ist 35 Centimes teuer und 19 Kilo schwer.

Die haitianische Regierung brüstet sich, ungefähr sechs Millionen US-Dollar in Jalousie zu investieren, aber nicht, um die Gefahren einzudämmen oder die Versorgung zu gewährleisten. Was die Regierung dort anstellt, ist für viele ein „Überschminken“: Sie lässt die Häuser im Rahmen des Projekts „Buntes Jalousie“ anstreichen, als Andenken an den haitianischen Künstler Préfète Duffaut (1923-2012), der seine Werke mit bunt bemalten Häusern schuf.

Die erste Phase wurde mit 1,2 Millionen US-Dollar abgeschlossen, gleichzeitig mit der Einweihung des Fünf-Sterne-Hotels Occidental Royal Oasis, in dem ein einfaches Zimmer 175 US-Dollar und eine „Junior Suite“ mehr als 350 US-Dollar kostet. Der Preis für zwei Nächte in einer Suite übersteigt um ein Weites den Jahreslohn der Mehrheit der Haitianer.

Der Premierminister Laurent Lamothe kündigte an, dass in einer zweiten Phase noch 3.000 Häuser angestrichen würden und dass das lokale Fußballfeld noch mit neuen Tribünen, Umkleidekabinen und künstlichem Rasen ausgestattet werde. Er stellte auch eine 1,2 Kilometer lange asphaltierte Straße und die Ausbesserung von 2,8 Kilometer Wegen in Aussicht.

Während Lamothe sich in Lobreden über das Projekt ergießt, skandieren rund zwanzig Demonstranten mit Plakaten: „Wir wollen Wasser! Wir haben kein Wasser!“, „Schulen!“ und „Wir brauchen ein Krankenhaus!“. Der Premierminister ermahnt sie zur „Geduld“ und ergänzt, dass „alle Probleme nach und nach angegangen würden, aber Sie wissen, dass Sie viele Probleme haben und wir versuchen, mit wenig Mitteln viel zu erreichen“.

Viele glauben das nicht. Ein Einwohner von Jalousie, Sylvester Telfort, ist wie viele andere überzeugt: Der Anstrich soll das Elendsviertel übertünchen, weil alle Fenster des Oasis und eines weiteren neuen Hotels, des Best Western Premier, auf Jalousie schauen.


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Quelle: „Portal Amerika 21“, amerika21.de

Schlagwörter: Haiti, Jalousie, Farben, Anstrich, Wiederaufbau, Kosmetik, Michel Martelly, Laurent Lamothe, Slum, Elendsviertel, Wasser, Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen, Hygiene, Erdrutsch, Abwasserversorgung, Bevölkerungsdichte, Erdbeben, Tourismus, Hotels, Pétion-Ville