Haiti: Inselbewohner sollen für Tourismus-Paradies vertrieben werden

Meldung vom 05.03.2014

Die Regierung in Haiti will das Land vorwärts bringen. Die Erschließung des Tourismus steht dabei ganz oben auf der Prioritätenliste. Nun will der Karibikstaat die Bauern einer Insel vertreiben, um luxuriöse Ferienanlagen zu errichten. Die Ile à Vache (Kuhinsel) soll in neuer Pracht erstrahlen, da stören Bauern und Armut. Die Einwohner müssen jetzt Geld bringenden Ferienanlagen weichen. Dagegen erheben sich jetzt die Bewohner.

Marc Lainé Donald ist wütend. Der Vorsitzende der Organisation Gemeinschaft der Bauern der Insel Île à Vache (KOPI), im Südwesten von Haiti, soll demnächst die Insel verlassen. Sein Haus soll, wie viele andere auch, abgerissen und einem Ferienresort Platz machen, das ausländische Investoren aus dem Boden stampfen wollen. So jedenfalls hat es sich die haitianische Regierung vorgenommen. Und sie kann sich auf das Recht stützen, seit das Parlament in der Hauptstadt mit Mehrheit eine Gesetzesnovelle verabschiedet und das Archipel zur Urlaubszone erklärt hat.

Misthaufen, Rinder und Schweinegeruch passen nicht zur einer angenehmen Kulisse für Karibikreisende. Die kleine Kuhinsel Haitis soll zum Vorzeigeprojekt in Sachen Tourismus avancieren. Und um die widerspenstigen Bauern zu zähmen, hat der Ministerpräsident Laurent Lamothe Einheiten der Aufruhrpolizei auf die Insel übersetzen und Proteste gegen die Ferienanlagen gewaltsam niederschlagen lassen.

Fast jeden Tag treten inzwischen Mitglieder von Konbit Peyizan Ilavach (KOPI) an die Öffentlichkeit, um ihre Rechte als Bauern zu fordern. Bewaffnet nur mit Palmzweigen und Ästen mit grünen Blättern pochen sie friedlich auf ihre Rechte – und die Polizei reagiert mit Knüppeln, Tränengas und Gummigeschossen.

Mit viel Aufsehen hat Lamothe zur Besänftigung der Bevölkerung ein Gemeindezentrum, ein Restaurant und eine Radiostation eingeweiht. Nur liegen die Einrichtungen leider im Westen der Insel, während die Mehrheit der Bevölkerung im Osten lebt, genau dort, wo die Ferienanlagen gebaut werden und die Bauern entfernt werden sollen. „Diese Projekte gehen uns nichts an“ beschwert sich Marc Lainé Donald von KOPI, während Lamothe und die Tourismusministerin Stephanie Balmir Villedrouin die neue „Urlaubsdestination auf der Kuhinsel“ anpreisen. Die Bauern sind in Sorge, dass sie dafür endgültig aus ihren vertrauten Wohngebieten vertrieben werden.

Die Bewohner auf der Insel sind ein Hindernis bei dem Plan der haitianischen Regierung, das Armenhaus Lateinamerikas mit Hilfe ausländischer Touristen aus der Krise zu manövrieren. Derzeit hat Haiti nur insgesamt 900 Gästezimmer zu bieten. Da das Land über keine Rohstoffe verfügt, konzentriert sich die neoliberale Machtelite unter Staatspräsident Michel Martelly auf die „kaminlose Industrie“ und die ausländischen US-Dollars, die den defizitären Staatshaushalt aufstocken sollen.

Weitere Regionen im Süden bei Jacmel und um die nördliche Hafenstadt Cap-Haïtien wurden auch als mögliche Touristenzentren beäugt. Landwirtschaftsbetriebe sind daher nicht die richtige Umgebung für exklusive Badestrände von Hotels, die sich auf einkommenskräftige Kundschaft einrichten wollen. „Île à Vache ist ein verborgener Schatz“ verspricht das Tourismusministerium schon jetzt und möchte die Kuhinsel ausländischen Anlegern und Touristen schmackhaft machen, die schon jetzt in zwei sehr kleinen und in die bäuerliche Struktur eingebetteten Hotelanlagen Urlaub machen können.

Die Bauern dagegen verlangen resolut die Rücknahme des Erlasses vom 10. Mai 2013, der einen Großteil der Insel zum Tourismusentwicklungsgebiet abstempelt und ihren die landwirtschaftliche Nutzung untersagt hat. „Der Plan ist makaber, denn er nimmt uns das Recht, auf der Insel zu bauen und enteignet uns“, empört sich Donald Marc Lainé. Generell sind Lainé und die KOPI nämlich nicht gegen neue Einnahmequellen und Tourismus. Nur wollen sie an dem Gewinn beteiligt werden. „Wir wollen in die Entwicklung integriert und nicht vertrieben werden, damit ausländische Investoren Geld verdienen“, meint Lainé.


Quelle: „Neues Deutschland“, www.neues-deutschland.de