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Afghanistan: Freude am Hindukusch – Großer Andrang vor den Wahllokalen

 
Meldung vom 07.04.2014

Dschamschid Khan hat sich am Samstagmorgen (05.04.2014) schon vor Beginn der afghanischen Präsidentenwahl in die lange Schlange vor dem Wahllokal in Kabul eingereiht. „Wir haben Angst vor den Taliban, aber sie können uns nicht von der Wahl abhalten“, erklärt der 24-jährige Übersetzer. In einem anderen Wahllokal in der Hauptstadt hat der 60-jährige Lehrer Sadruddin gerade seinen Stimmzettel in die Urne geworfen. Sein rechter Zeigefinger ist mit nicht abwaschbarer Tinte gefärbt, damit soll der Mehrfach-Stimmabgabe vorgebeugt werden. „Die Taliban reden viel“, sagt er mutig. „Wir haben keine Angst vor ihnen.“

Nach Schließung der Wahllokale hat es den Anschein, als sei die Einschätzung des furchtlosen Lehrers richtig. Großspurig hatten die Taliban noch kurz vor der Wahl gedroht: „Jedes Wahlzentrum wird gefährdet sein, und eine Welle von Angriffen wird im ganzen Land beginnen.“ Zwar kam es vereinzelt zu Attentaten, und es gab Tote, doch das angekündigte Blutbad blieb aus. In der Hauptstadt Kabul – in der weitreichende Anschläge befürchtet wurden – vollzog sich der Wahlablauf völlig ruhig.

Auch die Strategie der Taliban, die Menschen mit Terrordrohungen vor der Wahl fernzuhalten, hatte keinen Erfolg. In Kabul standen die Menschen trotz strömendem Regen in langen Schlangen vor den Wahllokalen an, auch etliche Frauen gingen zur Wahl – etwa die 18-jährige Schabana. Natürlich habe sie sich zur Abstimmung begeben, meint die Erstwählerin selbstbewusst, Frauen seien schließlich gleichberechtigt. „Meine ganze Familie wählt. Es ist unser Recht, unseren Anführer zu wählen.“

In manchen Gegenden war die wartende Menschenmenge so groß, dass die Wahlkommission (IEC) die Öffnungszeiten der Wahllokale im ganzen Land um eine Stunde verlängerte. In einigen Wahllokalen gab es nicht genug Stimmzettel, die IEC musste Nachschub liefern, was nicht immer funktionierte. Einige Wähler konnten daher ihre Stimme nicht abgeben. Die Wahlbeteiligung lag bei ungefähr 60 Prozent und war angeblich mehr als doppelt so hoch als bei den Wahlen in 2009. Schätzungsweise 35 Prozent dieser Wähler waren Frauen.

Derzeit werden die Stimmen gezählt. Bis ein verlässliches Ergebnis vorliegt, werden noch Tage oder Wochen vergehen. Offiziell heißt es, dass das vorläufige Endergebnis am 24. April verkündet werden soll, eine mögliche Stichwahl zu der Nachfolge von Hamid Karzai wurde Ende Mai anberaumt. Den ersten Meldungen zufolge ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem paschtunischen Kandidaten Aschraf Ghani Ahmadsai und seinem Konkurrenten aus dem Norden des Landes, Abdullah Abdullah, zu erwarten.

Afghanischen Presseberichten zufolge sollen beide Kandidaten mehr als 40 Prozent der Stimmen erhalten haben. Doch voraussichtlich wird keiner der beiden die für die Wahl notwendigen 50 Prozent im ersten Wahlgang bekommen haben. Beobachter in Kabul spekulieren dennoch darüber, dass kein zweiter Wahlgang nötig sein wird. Stattdessen würden die beiden Kandidaten sich auf eine Machtteilung verständigen, meinen Diplomaten in Kabul.

Die Stimmung in Afghanistan ist unterdessen ausgelassen. Es herrschen allgemeine Freude und Erleichterung über den erfolgreichen Ablauf der Wahl. Vor allem die hohe Wahlbeteiligung gibt den Afghanen Auftrieb. Afghanische Wahlbeobachter von der Stiftung für Transparente Wahlen (Tefa) stuften den Wahlablauf als zufriedenstellend ein: „Die Gesamtbewertung deutet bislang darauf hin, dass der Wahlprozess gut lief.“

Die Wähler verpassten den Taliban jedenfalls eine große Niederlage. „Bei der Störung der Wahl zu versagen wird bedeuten, dass sie nach der Wahl dumm dastehen werden“, betonte der stellvertretende UN-Sondergesandte Nicholas Haysom kurz vor der Abstimmung. Dass es nun zu solch einer Niederlage gekommen ist, mag ein Signal dafür sein, dass die Taliban schwächer sind als vermutet – und dass die afghanischen Sicherheitskräfte fähiger sind, als gemeinhin angenommen wurde.

Auch der Wähler Madscheed Karar ist der Ansicht, dass der Terror der Taliban sich dem Ende zuneigt. „Die einzige Botschaft an die Taliban ist, dass sie sich dem demokratischen Prozess anschließen müssen“, unterstreicht der 29-Jährige kurz vor der Schließung der Wahllokale. „Die Menschen haben dem Weg der Gewalt eine Absage erteilt.“






Quelle: „Abendzeitung München“, www.abendzeitung-muenchen.de

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