Ruanda interveniert: Kriegsende im Kongo

Meldung vom 21.01.2009

Rebellen und Regierung im Osten der Demokratischen Republik Kongo konnten sich auf ein Ende des Krieges einigen. Jetzt soll unter der Schirmherrschaft Ruandas gegen die Hutu-Milizen vorgegangen werden.

Die Menschen im Kongo atmen auf. Sie haben das Gefühl, als sei ein böser Fluch gewichen. Die Kriegsfronten im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben sich aufgelöst. 1,2 Millionen Menschen waren noch vor kurzer Zeit vor Kämpfen zwischen Regierungstruppen, Milizen und Rebellen geflohen. Die Straßensperre Mugunga, an der seit Jahren die Bevölkerung und der Verkehr aus der Provinzhauptstadt Goma in Richtung Westen von der Armee schikaniert wurde, ist weg.

Die Artilleriestellungen in den Hügeln sind leer. Die Militärposten außerhalb der Frontstadt Sake am Fuß der Berge, wo die Regierungsarmee an vorderster Front Stellung bezogen hatte und nur eine Kurve weiter die Vorposten der Tutsi-Rebellen von General Laurent Nkunda sind allesamt verwaist. Man kann die Provinzhauptstadt Goma bis ins Herz des Rebellengebiets der Provinz Nord-Kivu passieren, ohne von irgendjemandem angehalten zu werden.

„Das ist wie der Mauerfall in Berlin“, meint ein staunender Beobachter in Goma. Vor wenigen Tagen verkündeten die elf wichtigsten Militärführer von Nkundas Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes), die seit August 2008 große Gebiete Nord-Kivus erobert hatte, eine „Erklärung zum Ende des Krieges“. Der Krieg werde beigelegt. Die Rebellen unterstellten alle ihre Truppen der Regierungsarmee. „Alle Straßensperren der Armee und der Rebellenbewegung sind aufgehoben.“

Zwei Tage später räumte man die Straßensperren tatsächlich weg. Und kurz danach schloss sich der dritte Unruhestifter in der Kriegskonstellation im Kongo, die kongolesische Hutu-Miliz Pareco (Kongolesische Widerstandspatrioten), dem Frieden an. Da brach ganz Goma in Jubel aus. „Der Krieg ist vorbei!“, riefen die Menschen auf Spontanmärschen. Sogar Rebellenchef Laurent Nkunda, der sich bis zuletzt den Friedensbestrebungen widersetzt hatte und dafür von seinen Kommandanten für abgesetzt erklärt worden war, lenkte ein und gibt den Friedensprozess nun als seine Idee aus.

Der Friedensschluss geht aus wochenlangen Geheimverhandlungen zwischen Militärs hervor. Durch Nkundas Krieg wurde aufgedeckt, dass Kongos Regierung den Osten des Landes nicht mehr unter Kontrolle hat. Ruanda setzt sich nun als Ordnungsmacht ein – es will die im Ostkongo stationierten ruandischen Hutu-Milizen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) bekämpfen. Dafür wird sowohl die militärische Schlagkraft der Rebellenbewegung Nkundas als auch die politische Zustimmung von Kongos Regierung benötigt. Diese erlaubt also Ruanda, im Ostkongo zu intervenieren, und im Gegenzug stellt die Rebellenbewegung Nkundas ihren Krieg ein.

Und damit Ostkongos Hutu sich nicht den ruandischen Hutu in der FDLR anschließen, wird auch die unter der Bauernbevölkerung starke kongolesische Hutu-Miliz Pareco an dem Abkommen beteiligt sein. „Es wird als Erstes eine gemeinsame Brigade gegen die FDLR geben, mit je einem Bataillon von Kongos Armee, von Ruandas Armee, von der CNDP und von der Pareco“, sagt ein Soldat der ehemaligen Rebellenarmee Nkundas.

Zu den größten Wundern in diesen Tagen gehört die Tatsache, dass man keine Angst mehr voreinander haben muss. Auf dem Rückweg aus Mushaki steigt ein CNDP-Soldat in der bisherigen Regierungsfrontstadt Sake aus dem Auto. Noch vor Kurzem kam es dort zu Lynchaufrufen gegen Tutsi. Jetzt überquert der Tutsi-Rebell, an seiner scheckigen Tarnuniform erkennbar, einfach den Markt und läuft seines Weges. Ein Regierungssoldat in grüner Uniform begegnet ihm. Sie gehen aneinander vorbei und geben vor, sich nicht gesehen zu haben. Noch keiner von beiden kann an den plötzlichen Frieden so richtig glauben.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de