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Afghanistan: Wahlbetrug in großem Ausmaß

 
Meldung vom 03.07.2014

Der Jubel in Afghanistan angesichts der Wahlen ist in Misstrauen und Streit umgeschlagen. Zunächst waren die Afghanen noch in der Hoffnung, Afghanistan könne mit der Präsidentenwahl einen Neubeginn wagen – zumal die Taliban den Wahlablauf nicht nennenswert verhindern konnten. Doch nun sieht es so aus, als ob der erste demokratische Machtwechsel am Hindukusch fehlschlägt.

Am Tag nach der Abstimmung standen die Zeichen noch gut. Die Wahlkommission hatte eine überraschend hohe Beteiligung bekannt gegeben, und den Taliban war es nicht gelungen, den Urnengang zu vereiteln. Doch obwohl das Wahlergebnis noch nicht offiziell bekannt gegeben wurde, steht der Auszählungsprozess inzwischen im Kreuzfeuer; der erste demokratische Machtwechsel in der Geschichte des Landes schein ins Chaos abzudriften.

Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah hat die Wahlbehörden des Betrugs „in industriellem Ausmaß“ bezichtigt und am Sonntag (29.06.2014) erklärt, dass er das Ergebnis nicht akzeptieren werde. Zuvor hatte er mehrere Mitschnitte von Telefongesprächen der Öffentlichkeit preisgegeben, in denen viel von Schafen die Rede ist, die gestopft werden sollen. Ganz offensichtlich handelt es sich dabei um eine Verschlüsselung, die den wirklichen Inhalt – wohl das Stopfen von Wahlurnen – andeuten soll. „Dieser Person vertraue ich hundertprozentig. Mach ihn einfach mit den Schafen und den Ziegen vertraut, so dass er sie in die Berge bringt und voll zurückbringt“, lautet es etwa.

In einem anderen Mitschnitt unterhalten sich mehrere Personen darüber, wie ein Armeekommandeur, der Wahlbetrug entlarvt und in den Medien offengelegt hat, diffamiert werden könne. Abdullahs Lager ist der festen Überzeugung, dass es sich bei den Personen um den inzwischen zurückgetretenen stellvertretenden Leiter der Wahlkommission, Ziaulhaq Amarkhil, sowie den Gouverneur und den Polizeichef der Provinz Paktika handelt. Eine unabhängige Bestätigung liegt allerdings nicht vor.

Dass es zu Wahlbetrug gekommen ist, davon ist derweil jeder überzeugt. In welchem Ausmaß er das Ergebnis verändert hat, wird schwer herauszufinden sein. Keine Wahl in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban Ende 2001 war von Betrugsvorwürfen frei. Ein Wahlregister, das Fälschungen vorbeugt, gibt es dennoch bis heute nicht. Auch die internationalen Geldgeber hatten nicht darauf gepocht, obwohl eine entsprechende Empfehlung von der damals noch von den Vereinten Nationen geleiteten Wahlbeschwerdekommission 2010 vorlag.

In der vergangenen Woche gab es kurz den Hoffnungsschimmer, als könne die Krise überwunden werden, als Amarkhil seinen Rücktritt erklärt, die Anschuldigungen aber als falsch zurückgewiesen hatte. Abdullah hatte anschließend mitgeteilt: „Die Tür ist nun offen dafür, dass wir mit der Kommission über Bedingungen und Umstände sprechen, die den Prozess unterstützen.“ Doch am Wochenende hatte die Behörde seinen 14 Punkte umfassenden Forderungskatalog zurückgewiesen.

Unter anderem hatte Abdullah gefordert, dass in jenen östlichen Provinzen, in denen sein Kontrahent Ashraf Ghani der Favorit ist und in denen die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl offenbar teilweise doppelt oder dreimal so hoch war wie beim ersten Wahlgang, noch einmal eine Abstimmung abgehalten werden müsse. Ghani hat inzwischen überall verkündet, dass er sich selbst für den Sieger hält. Nach Berechnungen seiner Mitarbeiter hätten 4,2 Millionen Wähler ihr Kreuzchen für ihn gemacht – doppelt so viele wie im ersten Wahlgang. Abdullah, der im ersten Wahlgang noch deutlich anführte und als Favorit in die Stichwahl zog, habe dagegen nur 2,9 Millionen Stimmen bekommen. Offizielle Zahlen liegen auch zwei Wochen nach der Stichwahl noch nicht vor.

Misstrauen hat auch die angeblich hohe Wahlbeteiligung von Frauen im konservativen Osten des Landes geweckt, aus dem Ghani stammt. Die Stimmzettel von Frauen waren in der Vergangenheit besonders häufig für Wahlfälschungen missbraucht worden. Allerdings gab es auch Aussagen, wonach die im Osten besonders gut organisierten Paschtunenstämme Familien gebeten hatten, ihre Frauen zur Abstimmung zu lassen. Zudem hatten sie die als wehrhaft angesehenen Stammesmilizen darauf angesetzt, die Wahllokale zu bewachen. Nicht zu beweisen ist, wer die von Abdullah veröffentlichten Telefongespräche mitgeschnitten hat. Der afghanische Geheimdienst verfügt zumindest über die technischen Mittel dazu; es ist kein Geheimnis, dass er die Telefone vieler Spitzenbeamter ausspitzelt. Zudem ist der ehemalige Geheimdienstchef Amrullah Saleh auf der Seite Abdullahs.

Sollten dafür Beweise gefunden werden, würde dies die politische Unabhängigkeit des Geheimdienstes anzweifeln. Damit wäre neben den Wahlbehörden eine weitere Institution des Staatsapparats in die Krise verwickelt. Das könnte die Sorge aufkommen lassen, dass sich auch Armee und Polizei im Konfliktfall in interne Machtkämpfe einmischen könnten. Alarmierend ist auch die zunehmende verbale Entgleisung in beiden Lagern. Während Vertraute Ghanis sich immer wieder auf die nationalistischen Gefühle von Paschtunen und Usbeken stützen, wird Ghani von Verbündeten Abdullahs als Ungläubiger geächtet, weil er mit einer libanesischen Christin verehelicht ist.

Inzwischen ist die Kluft der gegenseitigen Beschuldigungen zwischen den Kandidaten und zwischen Abdullah und den Wahlbehörden so tief, dass die UN in der Krise intervenieren. Auch der Afghanistan-Beauftragte der Bundesregierung ist nach Kabul geflogen, um den Streit zu schlichten. Abdullah hat allerdings am Sonntag mitgeteilt, er werde nicht länger mit den Wahlbehörden kooperieren. Eine mögliche Lösung wird daher immer unwahrscheinlicher. Schon während des Wahlkampfs hatte man Abdullah-Lager verbreitet: Wenn Abdullah die Wahl nicht für sich entscheide, sei die Wahl gefälscht.


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Afghanistan, Wahlbetrug, Abdullah Abdullah, Ashraf Ghani, Urnengang, Stimmen, Favorit, Telefonmitschnitte, Geheimdienst, Wahlbeschwerdekommission, UN, Krise, Wahlbehörden, Stichwahl, Fälschungen, Paschtunen, Frauen, Misstrauen, Streit