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Haiti: Touristisches Inselprojekt verärgert Anwohner

Meldung vom 29.08.2014

Im Ufer rauscht das Meer in einem sanften Wellengang unter stattlichen Palmen. Mangobäume tragen prächtige Früchte. Mangrovenwälder säumen das Meer. Ziegen grasen friedlich auf Weiden. Ile à Vache (Kuh-Insel) ist die „letzte Schatzinsel der Karibik“, schwärmt Haitis Ministerium für Tourismus. Nur 10,5 km vor der Südwestküste Haitis, ist die 13 mal 3,2 km große Paradiesinsel, so das Ministerium weiter, „unbefestigt, ohne Strom, unberührt und einzigartig wie sonst nirgendwo“ und „einzigartig auch für das völlige Fehlen von Straßen und Autos.“ Mit diesen Slogans wurde aber geworben, bevor Mangroven für einen internationalen Flughafen abgeholzt wurden, Kokospalmen einer Straße weichen mussten und eine Bucht für Yachten ausgehoben wurde. Zudem rückten rund 40 Polizisten mit Waffen und drei Geländewagen an, um sich erhebende Proteste niederzuschlagen.

Die auf zwischen 14.000 und 20.000 geschätzten Inselbewohner sind empört, dass sie bei Planungen und Entscheidungsprozessen der Regierung kein eigenes Votum haben. Dabei geht es um ihr Leben und die Veränderung ihres Lebensraums: Die Rede ist von Investitionen für einen internationalen Flughafen, Hotels, Villen, einen Golfplatz und ein Unterwasser-Museum. Bei all diesen Plänen ist die Zukunft der Bewohner äußerst ungewiss.

„Das Projekt kam überraschend auf die Insel“, sagte Alexis Kenold, ein 40-jähriger Vater von fünf Kindern. Die Regierung hätte die Bewohner nicht einmal darüber informiert. Man wolle sie verdrängen für diejenigen, die aus der touristischen Entwicklung Geld schlagen wollen.

Am 10. Mai 2013 ordnete Präsident Michel Martelly ein Dekret an, das die Insel zum „öffentlichen Gut“ deklarierte. Die Insel wurde für den Tourismus in Zonen aufgeteilt. In der Anordnung ist verankert, dass kein Bewohner der Insel Eigentümer seines Landes ist und dass der Staat damit tun kann, was er will, erklärt Kenold, ein Mitglied der Konbit Peyizan Ilavach (KOPI), der Bauernorganisation der Ile à Vache, die ins Leben gerufen wurde, um das Projekt zu boykottieren.

Haitis Tourismusministerin Stephanie Villedrouin Balmir, die sich nicht auf ein Interview zu dieser Geschichte einlassen wollte, entgegnet, dass nicht mehr als fünf Prozent der Inselbewohner ihr Heim verlassen müssten, dass sie umquartiert werden, nicht von der Insel entfernt und dass sie Entschädigungen erhalten. Aber der unfreiwillige Umzug ist für die Inselbewohner nicht akzeptabel. Seit Dezember haben sie mehrere große Demonstrationen organisiert, um eine Rücknahme des Dekrets zu verlangen.

Die Regierung unternahm harte Maßnahmen gegen die Proteste: Sie erhöhte das Aufgebot an Polizei und nahm den KOPI Vizepräsidenten Jean Lamy Matulnes fest. Er sitzt nun im Nationalgefängnis, berichtet Kenold. Die Beamten behaupten, Lamy wäre nicht im Zusammenhang mit den Protesten ins Gefängnis geworfen worden, aber die Aktivisten führen seine Gefangenschaft auf einen politischen Hintergrund zurück.

Nach drei aufeinanderfolgenden Demonstrationen hätten sie Polizisten entsandt, um die Menschen von Ile à Vache zu schikanieren, so Kenold. Er schildert, dass die Polizei sein Haus durchsuchte, als er nicht zuhause war und sein Geld stahl, seine mühsamen Ersparnisse für das Schulgeld seiner Kinder. Auch andere Bewohner wurden bedroht und geschlagen. Jetzt hätten die Inselbewohner Furcht vor der Polizei. Vor den Demonstrationen hielten sich laut Kenold nur drei oder vier Polizei auf der ruhigen Insel auf.

Die Bewohner der Ile à Vache betonen, dass sie gegen den Tourismus nicht kämpfen würden – sie würden auch Vorteile davon haben, indem sie Strom, Trinkwasser und staatliche Dienstleistungen zur Verfügung gestellt bekommen. Aber sie wollen nicht aus ihren Fünf-Zimmer-Wohnungen mit großzügigen Höfen für Bäume, Gärten und Tiere ausquartiert werden, um sich in zwei Räume direkt neben den Nachbarn zu quetschen.

Und sie sind besorgt über das ökologische Gleichgewicht der Insel. Der Wald werde als die Lunge der Insel angesehen, so Kenold. Der Eingriff gestalte sich so, als ob sie das Herz und die Lunge der Insel opfern wollen, um einen internationalen Flughafen auf der Insel zu bauen.

Auch seien die Gewässer um die Insel in Gefahr. Die Bauarbeiter begannen damit, eine unberührte Bucht, auch als Madam Bernard bekannt, auszuheben. Dabei wurde nicht an die Umweltauswirkungen auf die marinen Ökosysteme gedacht, erklärten Jessica Hsu von der NGO Other Worlds und Radiomoderator Jean Claudy Aristil in einer gemeinsamen Präsentation auf einem Innovatoren Symposium für Küstentourismus im Juli in Grenada.

Das Projekt hat bereits einigen Inselbewohnern wirtschaftliche Nachteile gebracht. Schuldirektor Jean Dracen Louienel bezeugt, dass die Menschen die Mangroven, die nun für den Flughafen gefällt wurden, dazu benötigten, um Holzkohle herzustellen. Damit hätten diese Menschen ihren Lebensunterhalt verdient, sagt er. Diese Maßnahmen würden nun ihre Existenz bedrohen. Auch für den Bau der Straße würden Kokospalmen abgeholzt, die andere Familien als Nahrungsmittelspender brauchten. Zudem hätte man die Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, gebrochen. Die Leute haben sich beworben, um sich beim Straßenbau zu verdingen, aber nur wenige seien eingestellt worden, kritisiert Louienel.

Einige Inselbewohner nutznießen jedoch auch von dem Projekt und unterstützen es. Auf der Waldlichtung, wo der Flughafen entstehen soll, bezeichnet Gilbert Joseph das Projekt „eine wunderbare Sache.“ Joseph ist dort nachts als Wachmann beschäftigt und veräußert während des Tages Getränke an die Bauarbeiter. Clausel Ilmo, dessen Sohn als Übersetzer für das Dominikanische Straßenbauunternehmen tätig ist, tritt auch für das Projekt ein. Er machte darauf aufmerksam, dass, wo es einmal Stunden in Anspruch nahm, um in weit entfernte Teile der Insel zu gelangen, man jetzt die Straße nutzen könne.

Father Guy Carter Guerrier, ein katholischer Priester, hat sich von den militanten Protesten ferngehalten. Dennoch ist er skeptisch. Die Entwicklung der Insel könnte positiv sein, sagt er. Das Problem besteht darin, dass die Regierung die Menschen, die auf der Insel leben, außen vor lasse. Sogar die Kirche wäre nicht gefragt worden. Alle Menschen wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.




Quelle: „Karibik News“, www.karibik-news.com

Schlagwörter: Haiti, Insel, Tourismus, Inselprojekt, Ile à Vache, Kuh-Insel, Investitionen, Anwohner, Umsiedlung, Flughafen, Hotels, Golfplatz, Proteste, Demonstrationen, Polizei, Schikane, Bedrohung, Abholzung, Natur, Umwelt, Meer, ökologisches Gleichgewicht, Straßen, Infrastruktur, Arbeitsplätze, Verdrängung