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Südsudan: Der Regen tötet effektiver als der Krieg

Meldung vom 19.09.2014

Im Südsudan herrscht Regenzeit. Für die Flüchtlingslager beginnt eine Zeit des unvorstellbaren Leids. Seit einem Dreivierteljahr wütet der Bürgerkrieg im Südsudan. Millionen Menschen mussten die Flucht ergreifen – und eine Lösung ist in weiter Ferne.

Der Regen tötet effektiver als Waffen und es gibt ihn gratis. Die Regierungstruppen könnten einfach die Taktik der Geier verfolgen, auf ihrem Posten bleiben und warten, sagt Simon. „Die Flüchtlinge bleiben, wo sie sind, selbst wenn sie im Camp sterben. Sie haben viel zu viel Angst vor dem, was die Soldaten mit ihnen machen, wenn sie die UN-Zone verlassen“, berichtet er. Das Lager Bentiu, unweit der Hauptstadt des Bundesstaates Unity kann man eine feuchte Hölle mitten im Busch bezeichnen. 45.000 Menschen sind zwischen den Fronten eingekreist. Rebellen und Regierung liefern sich Gefechte um die Ölquellen in der Nähe.

Tausende Nuer ergriffen Zuflucht zu dem Sitz der UN-Mission für den Südsudan (UNMISS) in Juba. UNMISS öffnete die Tore zu seinem Gelände im Stadtteil Thongping, weil sie einen Genozid wie in Ruanda befürchtete und damals für ihre Passivität stark angeschuldigt wurde.

Knietief muss man durch das Wasser auf dem Lagergelände in Bentiu waten. Die Zelte versinken im Schlamm. Als Ende August 2014 ein Helikopter abgeschossen wurde, der Nachschub von Lebensmitteln und Medikamenten für das Lager bringen wollte, unterbrachen die UN und andere Organisationen eine Woche lang ihre Hilfsflüge. Als die UN wieder mit dem Helikopter zu dem Lager durchstartet, ist Simon mit dabei. „Im Wasser schwimmen Leichen“, schildert er.

Auch in Juba kämpfen sich Helfer wie Simon in Gummistiefeln durch den Morast. Das Flüchtlingslager Thongping in der Hauptstadt kann man nur noch einen Sumpf nennen. Die Flüchtlinge errichten um ihre Zelte Dämme aus Erde. Aber der Regen bahnt sich einen Weg von oben durch die Ritzen. Über das Essen breitet sich Schimmel aus, Matratzen und Decken stinken. Irgendwann geht alles ineinander über, der Regen, die Kloake, der Müll.

Dann waten die Menschen durch den Unrat und hoffen, dass sie nicht in eine Scherbe treten und sich eine Blutvergiftung zuziehen. Mütter pressen nachts ihre Kinder fest in ihre Arme, in der Furcht, dass sie ertrinken. Die Regenzeit wird sich noch Wochen hinziehen. UNMISS will das Lager schließen und alle Flüchtlinge auf einem höher gelegenen Gebiet einquartieren. Aber die Flüchtlinge sind dagegen.

Medikamentenhändler John Dok ist sich im Klaren, warum. Auf einem Tisch unter einem Zeltdach ordnet er Malaria- und Typhustabletten. „Die Dinka würden uns töten, wenn UNMISS nicht wäre“, meint er. Das Lager verlassen, das grenzt für ihn an Wahnsinn. „Wir wissen, dass in der Nähe des anderen Lagers Militärbaracken sind. Wenn wir alle auf einem Fleck sind, haben die es doch viel leichter, uns umzubringen“, betont Dok. Manchmal hätte er keine Ahnung, was in den Köpfen der UNMISS-Mitarbeiter vorgehe. „Glauben die denn, dass wir freiwillig in dem Dreck hier leben? Wir hatten alle mal anständige Häuser aus Beton. Wir können nirgendwo anders hin, selbst wenn unsere Kinder und wir hier sterben.“

Unter den Nuer ist man sich einig, dass die Regierung ihr Volk vorsätzlich in überschwemmte Lager oder in die Wildnis treibt. Der Tod der Nuer in den verunreinigten überfluteten Lagern falle doch bei den internationalen Medien überhaupt nicht ins Gewicht, sagt ein Flüchtling in Juba.

Doch nicht alle Menschen in Juba sind der Ansicht, dass ethnische Gewalt im Vordergrund steht. Politikwissenschaftler Zacharias Diing Akol nennt zwei Ebenen des Konflikts. Auf der nationalen Bühne kämpfen Veteranen des Unabhängigkeitskrieges darum, die Einnahmen des jungen Staates auf ihre Seite zu bringen. International ringen die USA und China miteinander, die nicht wollen, dass das junge Land mit seinem Ölreichtum in die Fänge des jeweilig anderen Landes gerät.

Wenn Diing von Südsudans Einnahmen spricht, hat er den Ölreichtum im Blick. Da war China einfach schneller. An dessen Förderung und Ausbeutung ist vor allem China beteiligt. Von 2011 bis Kriegsbeginn 2013 sorgten die Ölgelder in Juba für einen regelrechten Bauboom. Trotz des Kriegs sind die Zimmer der Hotels derzeit immer noch von Chinesen gebucht. Nachts, wenn nur die Generatoren der großen Hotels Strom produzieren, bevölkern Geschäftsleute aus Peking und Schanghai mit den SPLM-Kadern die Dachterrassen, genießen Champagner, und blicken hinab auf die Stadt in der Finsternis.

Niemand sei über die Kooperation zwischen Peking und Juba so aufgebracht wie die US-Amerikaner, meint Diing. Sie hielten sich für die Retter der christlichen Südsudanesen gegen den muslimischen Sudan und unterstützen die Abspaltung. Es war George Bush, der einst Salva Kiir einen Cowboyhut als Geschenk mitbrachte. Im Gegenzug für die Unterstützung des südsudanesischen Freiheitskampfs rechneten die Amerikaner mit einem Großteil an der Erschließung der Ölquellen Südsudans. Juba zog aber stattdessen die Verträge aus der Schublade, die noch vor der Unabhängigkeit von Sudan mit Peking geschlossen worden waren. Kiir behielt also Bushs Hut, schloss die Geschäfte aber mit den Chinesen ab.

Die USA hat er heutzutage zum Feind erkoren. Solange Russland, China und die USA von der Ukraine bis Syrien miteinander im Konflikt sind, sieht Zacharias Diing Akol kaum eine Möglichkeit für Frieden im Südsudan.

Doune Porter kann das Gähnen nicht unterdrücken. Die Mitarbeiterin von Unicef ist früh aufgebrochen und zum Flughafen von Juba gefahren. Kaum dort, wurde ihr mitgeteilt, dass der Flug wegen schlechten Wetters gestrichen wurde. Porter hat trotzdem noch die Gummistiefel an den Füßen, die sie heute Morgen angezogen hat. „Solche Dinge vergesse ich einfach inzwischen“, meint sie.

Seit Wochen leben die UN-Mitarbeiter in Anspannung. Die Lage raubt ihnen die Kraft. Viele fühlen sich ausgelaugt und überfordert, berichtet Porter. Sie schildert den üblichen Ablauf der Hilfe, die immer öfter auf dem Flughafen von Juba erfolglos abbricht. „Ist der Wetterbericht gut, wird in der Eile alles vorbereitet. Die Helikopter werden vollgepackt mit Lebensmitteln und Medikamenten, Personal wird zum Flughafen in Juba gefahren. Dann heißt es wieder Kommando zurück, weil Kämpfe gemeldet werden. Oder das Wetter ist doch wieder umgeschlagen. Das macht uns fertig. Weil jedem klar ist, was es für die Menschen bedeutet, wenn immer wieder Flüge ausfallen.“

Dabei dringen die Helfer ohnehin nur zu einem Teil der Notleidenden vor. Ernteausfälle und die Regenzeit verschlechtern die Situation. Die Frage, ob der Südsudan nicht schon mitten in einer Hungersnot steckt, will Doune Porter nicht eindeutig beantworten. Unicef habe 250.000 Kinder registriert, die Zeichen schwerer Unterernährung tragen. „50.000 werden sterben“, warnt sie. Eine Tasse, die sich Porter aus ihrem Heimaturlaub in Großbritannien mitgebracht hat, bringt die Stimmungslage auf den Punkt. Darauf ist eingraviert: „Niemals, niemals, niemals aufgeben.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Südsudan, Regenzeit, Monsun, Flüchtlinge, Flüchtlingslager, Flüchtlingscamp, Dreck, Morast, Schlamm, Zelte, Bürgerkrieg, Dinka, Nuer, UNMISS, Thongping, Bentiu, Öl, China, USA, Förderung, Erdölquellen, Ausbeutung, Krankheiten, Kinder, Unterernähung, Hungersnot, George Bush, Salva Kiir, Cowboyhut