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Indien: Bürger bringen faule Beamte auf Trapp

Meldung vom 24.10.2014

Beamte in Indien haben einen schlechten Ruf. Sie erscheinen spät an ihrem Arbeitsplatz, machen früh Feierabend und tun möglichst wenig: Indiens Beamte sind bekannt für ihre nicht vorhandene Arbeitsmoral. Die Regierung will jetzt etwas dagegen tun und lässt jetzt 50.000 Regierungsangestellte virtuell überwachen – von Bürgern.

Die Frau hat sich gerade an ihrem Schreibtisch des indischen Agrarministeriums gesetzt, da klingelt auch schon das Telefon: Wieso sie erst um 10.51 Uhr an ihrem Arbeitsplatz sei, fragt der Anrufer. Beamte im indischen Staatsdienst müssten doch um 9.30 Uhr mit der Arbeit beginnen – woran das läge, dass sie 81 Minuten Verspätung habe? „Ich nehme öffentliche Verkehrsmittel zur Arbeit, da dauert es eben manchmal länger“, entgegnet die Frau wütend und knallt den Hörer auf die Gabel.

Setzen sich die Pläne der im Mai gewählten indischen Regierung Narendra Modis durch, werden sich solche Szenen künftig in Indiens Amtsstuben wiederholen: Die für ihren Schlendrian berüchtigten indischen Beamten können ab sofort nicht mehr tun und lassen, was sie wollen. Künftig müssen sie sich einem strengen Tribunal stellen, bestehend aus den indischen Bürgen. Diese haben seit Anfang Oktober nämlich dank moderner Technik Einblick in das Kommen und Gehen von 51.142 Angestellten im öffentlichen Dienst. Mithilfe eines Fingerabdrucklesers wird seit dem 1. Oktober registriert, wer wann zur Arbeit kommt. Die Uhrzeiten werden auf einer Webseite öffentlich einlesbar ins Netz eingepflegt.

Dort lässt sich nicht nur namentlich verfolgen, wer fleißig ist und wer faul. Die Daten werden auch zu Statistiken verwertet. Per Tortendiagramm und Kurvengrafiken können interessierte Bürger dort überprüfen, dass im Schnitt etwas mehr als die Hälfte der Beamten zwischen 9 und 10 Uhr morgens – also halbwegs pünktlich – im Büro erscheint. Am Mittwoch kamen jedoch 7,1 Prozent erst zwischen 10 und 11 Uhr an, 5,1 Prozent trauten sich sogar, erst nach 11 Uhr aufzutauchen. Die per Statistik herausgefundenen schwarzen Schafe sollen in den kommenden Monaten eine Mahnung erhalten – öffentlich an den Pranger gestellt sind sie ja schon.

Die Zuspätkommer reagierten empört auf diese Kontrolle: Die Überwachung könne man nur als Zumutung einstufen, grollte einer. Die meisten Inder haben da eine andere Meinung. Auf sozialen Medien freuen sich viele Nutzer am Unbehagen der Babus genannten und als faul verunglimpften Beamten. „Fantastisch!“, sagt etwa Me Debi Senapati begeistert. „Das sind die kleinen Schritte, die wir brauchen, um Indien zu verändern.“

Die ersten zwei Wochen der Datenerhebung haben gezeigt, dass viele der Vorurteile, die Inder gegenüber den Babus hegen, stimmen. In den ersten Tagen waren zu keinem Zeitpunkt mehr als 50 Prozent der Überwachten am Arbeitsplatz. Inzwischen wurde die Disziplin besser: Am Mittwoch etwa erschienen 30.198 von über 50.000 Staatsdienern zu irgendeinem Zeitpunkt im Büro.

Großzügiger Lohn, bescheidene Arbeit, eine geräumige Dienstwohnung und mit etwas Glück ein Dienstwagen: Regierungsjobs sind in Indien heiß begehrt. Doch die Aufnahmebedingungen für den öffentlichen Dienst sind nicht leicht, selbst die besten Schulabgänger lernen monatelang, um diese Hürde zu nehmen. Doch wer einmal einen Posten ergattert hat, hat ausgesorgt: Beamte sind so gut wie unkündbar.

Indische Bürger haben sich mit den Problemen auf den Behörden abgefunden und nehmen es stoisch hin, wenn ganze Abteilungen für längliche Geburtstagsfeiern eines Kollegen abwesend sind und sie vor verschlossenen Türen stehen, obwohl das Wartezimmer voll ist. Unter Beamten wurde es bis jetzt als Freundschaftsdienst angesehen, abwesende Kollegen in die bislang per Hand geführten Anwesenheitslisten als anwesend einzutragen.

Wer wegen allzu viel Faulheit dann doch mal des Amtes enthoben wird, kann sich fast freuen: Denn während der meist Jahre dauernden und oft fruchtlosen Ermittlungen gegen ihn darf er nicht nur Dienstwohnung und -auto weiternutzen, sondern bekommt auch einen Gutteil seines Gehalts weiterhin ausgehändigt.

Dass die neue Aktion das Siegel des als überaus fleißig und pünktlich geltenden neuen Ministerpräsidenten Modi trägt, haben indische Zeitungen schon festgestellt. Modi scheint auch in den eigenen Reihen für Disziplin gesorgt zu haben. Laut der Times of India hat der Chef der Bharatiya Janata Partei (BJP) in Dienstwagen seiner Parteifürsten GPS-Geräte installiert, um zu kontrollieren, ob diese tatsächlich Wähler besuchen oder im Hotel faulenzen.

Nur ein einsamer Analyst ließ in den vergangenen Tagen eine andere Meinung zu der neuen Kampagne durchblicken. Er kritisierte, dass Indien in Gefahr stünde, zum Überwachungsstaat zu werden. Disziplin sei in Ordnung, aber sie dürfe den Menschen nicht unterjochen, schrieb Pratap Bhanu Metha im Indian Express. Seine Leser konterten höhnisch: „Sir, sind Sie jemals in einer Amtsstube gewesen?“, fragte einer.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Indien, Beamte, Überwachung, Bürger, Narendra Modi, Kampagne, Disziplin, Zuspätkommer, GPS, Fingerabdruckleser, Webseite, Bürger, Kontrolle, Arbeitsmoral, Lohn, Gehalt, Arbeit, Dienstwohnung, Dienstwagen, unkündbar, Überwachungsstaat