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Südsudan: Hunger im Schatten des Krieges

Meldung vom 24.10.2014

Im Südsudan, dem jüngsten Staat der Welt, massakrieren sich Dinka und Nuer seit fast einem Jahr gegenseitig. Und nun schlittert das Land in eine Hungerkatastrophe. Diese war schon lange vorausgesagt.

Und dann stürmten die Nuer-Rebellen die Stadt Bor im Zentrum des Südsudans. Und die Familie von Betram Kuol ergriff die Flucht. Nur die Tante weigerte sich und blieb da. Vier Tage später fanden sie ihren toten Körper. Die Frau war ohne Gewalteinwirkung ums Leben gekommen, so erzählt es Kuol. „Einfach tot.“ Zuerst der ewigen Flucht müde und dann lebensmüde.

Der groß gewachsene Caritas-Mitarbeiter vom Volk der Dinka arbeitet als Agrarökonom. Kuol hilft seinen Landsleuten, ihre Felder nachhaltig zu bewirtschaften und klärt sie über ihre Rechte auf. Doch nun ist auch seine Familie von den Auswirkungen des Kriegs betroffen, der im jüngsten Staat der Welt wütet und 1,7 Mio. der 11,3 Mio. Südsudanesen in die Flucht geschlagen hat – die allermeisten davon, 1,3 Millionen, innerhalb der Staatsgrenzen. Wenn die Dinka eine Stadt unter ihre Herrschaft bringen, rennen die Nuer in eines der Flüchtlingslager der Vereinten Nationen – oder in den Busch. Und wenn die Nuer-Truppen eine Stadt besetzen, ziehen sich Dinka dorthin zurück. Und so wogt der Kampf hin und her. Und mit ihm der Flüchtlingsstrom.

Seit Dezember 2013 gehen die Truppen von Präsident Salva Kiir, einem Dinka, gegen die Rebellenmiliz des entlassenen Vizepräsidenten Riek Machar vom zweitgrößten Volk Nuer vor. Auf den ersten Blick sieht es nach einem Krieg der Ethnien aus. „Aber dieser Eindruck ist falsch“, meint Südsudan-Experte Amir Idris von der US-Universität Fordham. „Man muss unterscheiden zwischen der ethnischen Gewalt und der politischen Krise, die dazu geführt hat.“

Diese Krise führt zurück an die Wurzel der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung und -armee (SPLM), die jahrzehntelang um die Unabhängigkeit vom muslimischen Norden rang. Und sich in den Neunzigern in internen Grabenkämpfen auslaugte. Schon damals führte Machar die Aufständischen in den SPLM-Reihen an. Doch der Kampf für einen eigenen Staat brachte die SPLM wieder zusammen. Ein Pakt auf Zeit.

Zwei Jahre nach der im Juli 2011 erlangten Unabhängigkeit kam es wieder zu Machtgerangel – um die Aufteilung der Staatsmacht, die nun der SPLM oblag. Der Bruch zwischen Kiir und Machar verlief dabei nicht zwischen ethnischen Fronten: Dinka und Nuer gab es in beiden politischen Lagern. Anders in der Armee: Die SPLM-Soldaten, die zu Machar überwechselten, waren Nuer, der verbliebene Rest Dinka. Nach dem ersten Bericht über ein Massaker an Nuern wurde mit Dominoeffekt eine Abfolge gegenseitiger Vergeltungsschläge angekurbelt.

Seit Anfang des Jahres 2014 werden nun in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba erfolglos Friedensverhandlungen geführt, die auch im Interesse der Weltmächte China und USA stehen. Die Chinesen sind im Südsudan stark im Ölgeschäft involviert, die Amerikaner investierten Millionen in den Staatsaufbau.

Am Sonntag (19.10.2014) wurde eine neue Verhandlungsrunde geführt. Im Fokus steht dabei auch eine starke Föderalisierung des Landes. Eduardo Kussala, Bischof der südsudanesischen Diözese Tombura-Yambio, ist als kirchlicher Vertreter bei den Gesprächen zugegen. „Die Organisation des neuen Staats war eine Enttäuschung“, gibt der 50-Jährige zu. Die Bildung einer fähigen Übergangsregierung sei wohl verpasst worden, die „ordentliche Wahlen“ vorbereitet hätte. Die Friedensverhandlungen gehen „sehr zäh“ voran, doch Kussala beschreibt sich als ein „Mann der Hoffnung“. Dass die Kirche mit am Verhandlungstisch sitze, spiele für eine Aussöhnung eine große Rolle. Als eine Art Vermittler präsentiere man sich dort.

Die Zeit wird knapp. Wegen der Gewalt, die das ganze Land überzieht, droht Anfang 2015 eine Hungersnot. Caritas-Mitarbeiter Kuol meint dazu: „Niemand konnte seine Felder bestellen. Und die Regenzeit ist vorbei. Es wird nichts zu ernten geben.“ Bis zu fünf Millionen werden von Hunger betroffen sein, kündigt auch Bischof Kussala an: „Wir haben keine Straßen. Es gibt keine Verkehrsverbindungen, um Nahrung in die sieben der zehn betroffenen Bundesstaaten zu bringen.“ Hilfsorganisationen haben kaum Transportmöglichkeiten: „Es besteht nur die Möglichkeit des Luftabwurfs von Flugzeugen.“

Die Vorboten einer Hungerkatastrophe kann man bereits in der Hauptstadt Juba erkennen: Dort laufen Kinder mit orangegelben Haaren herum – ein Warnsignal für Unterernährung, der mittlerweile häufigsten Todesursache bei unter Fünfjährigen im Südsudan. Mindestens 125.000 Kinder leiden schon Nahrungsmangel. Die Folgen könnten schon jetzt bleibende Schäden bei ihnen hinterlassen: Unterernährung beeinträchtigt das Wachstum – auch von Organen.

Wie also lässt sich dieser Krieg beilegen? Kuol plädiert dafür, einfach zu streiken. „Die Zivilgesellschaft hat kein Interesse an diesem Krieg. Dinka und Nuer haben nichts gegeneinander.“ Aber eines alarmiert ihn: Die Nuer ritzen sich waagrechte Rillen auf die Stirn. Als Erkennungsmerkmal. „Warum betonen wir unsere Unterschiede?“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Presse“, diepresse.com

Schlagwörter: Südsudan, Bürgerkrieg, Hunger, Hungersnot, Dinka, Nuer, Riek Machar, Salva Kiir, SPLM, Friedensverhandlungen, Hilfsorganisationen, Hilfsgüter, ethnische Auseinandersetzungen, Machtgerangel, Flüchtlinge, Flüchtlingslager, UN