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Uganda: Menschen, Kühe, Sofas – Mit Motorrad-Taxis transportiert man in Kampala alles

Meldung vom 08.12.2014

In Uganda gehören sie zum alltäglichen Straßenbild – die Boda-Bodas. So nennt man dort die Motorad-Taxis. Das Wort wird sowohl für das Fahrzeug, als auch seinen Fahrer verwendet. Für manch einen Fahrer bedeutet das Motorad den Ausstieg aus dem Elend. 

Jeden Morgen, bevor Hakim Dextah zur Arbeit losfährt, geht er ins Gebet. Dabei wendet er sich an Gott mit der Bitte, dass er diesen Tag überleben möge. Dann greift er nach seinem Helm, die Handschuhe und besteigt sein Motorrad.

Der 22-jährige Ugander ist einer von Millionen Motorradtaxifahrern, die auf Ugandas Straßen täglich ihr Leben aufs Spiel setzen. Sie holpern über tiefe Schlaglöcher, sie schlängeln sich durch zahllose Staus, sie rasen durch dicht besiedelte Slums, wo kein Auto durchkommt – stets bestrebt, den schnellsten Weg zum Ziel zu finden. In vielen afrikanischen Großstädten sind die Motorradtaxen das einzige Verkehrsmittel, mit dem man pünktlich und zuverlässig seinen Zielort erreicht.

Das Gleiche spielt sich auch in Ugandas Hauptstadt Kampala ab, wo sich die wachsende Mittelschicht immer mehr Autos anschafft. Das bedeutet aber auch, dass es im Zentrum immer mehr Autos gibt, der Verkehr stillsteht und sich endlose Staus bilden, morgens und abends. „Viele würden niemals pünktlich zur Arbeit kommen, wenn sie mich nicht hätten“, versichert Hakim. Dann startet er. Jeden Morgen transportiert er einen Beamten, der in der Innenstadt in einem Ministerium tätig ist. Er könnte ein eigenes Auto unterhalten. Aber wofür? Um im Stau stecken zu bleiben?

Hakim ist in seiner Nachbarschaft gut bekannt und auch er kennt fast jeden. Er lebt in dem belebten Vorstadtbezirk Nabutiti und teilt sich ein kleines Haus mit seinen Brüdern, einer Schwester, Nichten und Neffen. Er ist umgeben von Morast und Wegen, die selbst mit Geländewagen nur schwer befahrbar sind. Hakim findet aber überall einen Weg hindurch. Er steuert seine Maschine samt Passagier sicher über jedes Hindernis hinweg. Dabei verliert er nie seine gute Laune, selbst bei Regen. „Ich wollte als Kind Formel-1-Fahrer werden. Mit meinem Motorrad bin ich meinem Traumberuf schon sehr nah.“

Boda-Boda“ bezeichnen die Ugander Motorradfahrer wie Hakim. Der Begriff stammt von dem englischen Wort „Border“ – „Grenze“. Zweiräder waren einst die einzigen Verkehrsmittel, mit denen man das Niemandsland zwischen Uganda und Kenia ohne Probleme durchqueren konnte. Das perfekte Transportmittel für alle, die kurz über die Grenze wollten. Von dort aus verteilten sich die Boda-Bodas in den vergangenen zehn Jahren über ganz Ostafrika hinweg. In jedem Dorf ist mindestens ein Boda-Boda unterwegs, in Städten wie Kampala Tausende. Sie sind beliebter als die öffentlichen Transportsysteme.

Ein Boda-Boda-Fahrer zu sein – das ist auch verbunden mit einer bestimmten Lebenseinstellung: Freiheit, Grenzenlosigkeit, eine Existenz jenseits von Gesetz und Regeln, berichtet Hakim. Und wie steht es mit den Verkehrsregeln? Er zuckt die Schultern. Wie Millionen seiner Kollegen hat er keinen Schulabschluss gemacht. Als er 17 war, konnte seine Familie das Geld nicht mehr für die Schule aufbringen. Da musste er sich in Bewegung setzen – denn er hatte kaum eine Aussicht auf einen Job. „Für meinen Beruf braucht man keine Mathematik“, betont Hakim und erzählt, wie ihm sein Freud das Mofa-Fahren beigebracht hat. Seine ältere Schwester gab ihm eine Anleihe für ein Motorrad. Einen Führerschein kann er nicht vorweisen. Hier gelten andere Regeln: „Wir Boda-Bodas sind schneller als die Verkehrspolizei. Die kriegen uns nicht.“

Als Hakim den Beamten in der Innenstadt abgesetzt hat, geht seine Fahrt weiter. Bei der Einwanderungsbehörde müssen frisch gedruckte Reisepässe zu deren Besitzer gebracht werden. Hakims Tante ist dafür verantwortlich. Und da auf die Post kein Verlass ist, kommen die Boda-Bodas dafür in Frage. Hakim nimmt den Stapel Pässe in Empfang, dazu eine Liste mit Telefonnummern der Besitzer. Per Telefon oder dem Handyprogramm „WhatsApp“ lässt er sich die Wege anzeigen: Straßennamen, Postleitzahlen, Hausnummern – über diesen Luxus verfügt nur das historische Zentrum, das einst eine nach britischem Kolonialsystem aufgebaute Kleinstadt war.

Heute ist Kampala eine Millionenstadt, die sich über Hügel und Sümpfe in alle Richtungen erstreckt. Doch für Boda-Bodas gibt es keine Hindernisse: die engen Gassen der Slums, die Kurven die Hügel hinauf, durch den Schlamm der Sumpflandschaften. Und wenn er einmal die Orientierung verliert? „Dann findet sich ein Boda-Kollege, der die Gegend kennt“, meint Hakim. „Wir halten zusammen wie Brüder.“

Gegen Mittag braust Hakim zurück in sein Viertel. Unterwegs gabelt er noch einen Passanten auf. Bei seinem Haus steht ein Baum, der Schatten spendet: Das ist die offizielle Boda-Boda-Haltestelle im Viertel Nabutiti, in direkter Nachbarschaft mit den Buden, wo Frauen Obst und Gemüse verkaufen. Um hier auf Kunden zu warten, muss Hakim jährlich Geld entrichten, umgerechnet etwa 100 Euro. Doch diese Investition zahlt sich aus, jeder weiß, wo man ihn findet.

Auch Hakims älterer Bruder Mussa und drei weitere Fahrer harren auf Kundschaft. Dabei tauschen sie sich über Neuigkeiten aus. Die Polizei hat Demonstranten wieder mit Tränengas auseinandergetrieben. Präsident Museveni ist mit einem Konvoi in Richtung Flughafen gefahren, wobei sie beinahe Passanten überrollt hätten. Auf der Hauptstraße im Zentrum ist ein Lastkraftwagen in Flammen aufgegangen.

Boda-Bodas sind oft schneller in der Nachrichtenübermittlung als Twitter und Facebook. Als beim Finale der Fußball-WM 2010 somalische Selbstmordattentäter eine Bombe detonieren ließen, waren es Bodas, die zuerst an dem Tatort waren und Verletzte ins Krankenhaus transportierten, als die Ambulanz noch im Stau festsaß. Selbst der Geheimdienst entlohnt Bodas gut, wenn sie brauchbare Informationen übermitteln.

Für Boda-Boda-Fahrer ist ihr Motorrad ihr Leben. Oft schlafen und essen sie auf ihren Motorrädern. Hakim legt jeden verdienten Schilling zurück. Sein älterer Bruder Mussa habe mit Boda-Boda-Fahren sogar das Geld für einen Universitätsabschluss verdienen können. Doch selbst mit einem Diplom in Volkswirtschaft konnte er keine andere Arbeit finden und fährt weiterhin Boda. Doch sein Leben lang will Hakim diesen Job nicht machen. „Es ist verdammt gefährlich. Früher oder später hat man einen Unfall.“

Hakim wird als sicherer Fahrer geschätzt. Jedem in der Nachbarschaft ist das bekannt. Er holt Kinder von der Schule ab. Dabei setzt er sich drei Schüler auf einmal aufs Motorrad. Doch Hakim hat sich auch schon Betten und Sofas aufgeladen. Mitunter werden in Kampala sogar lebende Kühe auf dem Motorrad festgezurrt. Für Boda-Fahrer gibt es nichts, was sie nicht transportieren könnten.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Uganda, Motorrad-Taxi, Boda-Bodas, Kampala, Verkehr, Autos, Transport, Staus, Wege, Straßen, Sumpf, Schlaglöcher, Motorradfahrer, Schulabschluss, Verkehrsmittel