Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Darfur ist Ruanda in Zeitlupe

Meldung vom 29.09.2006

Hunderttausende sind bereits elend umgekommen. Jetzt bahnt sich eine neue Katastrophe im Westen des Sudan an. Doch die Regierung in Khartum zeigt sich widerspenstig. Sie tut alles, um die Weltöffentlichkeit draußen zu halten.

Es ist ein „Ruanda in Zeitlupe“, wie der renommierte Krisenforscher John Prendergast schreibt. Ein Massenmord, von dem die ganze Welt weiß, und den sie dennoch nicht zu stoppen in der Lage scheint. 200.000 Menschen sollen nach jüngsten Berichten im Westen des Sudan, in dem nur sechs Millionen Menschen leben, bereits getötet worden sein, manche glauben sogar mehr: 300.000 bis 400.000. Die Opfer sind überwiegend schwarz, die Täter Regierungssoldaten und Angehörige der arabischen Reitermilizen. Die Welt sieht dem mörderischen Treiben vornehmlich tatenlos zu.

Die Afrikanische Union hatte, als der Krieg vor über drei Jahren begann, das Mandat für die Lösung des Konflikts an sich gerissen: Afrikanische Probleme erforderten afrikanische Lösungen, sagte sie. Und löste das Problem auf sehr afrikanische Art und Weise: nämlich gar nicht.

Die UNO möchte gerne eingreifen, doch sie weiß nicht wie. Das Islamisten-Regime in Khartum droht mit einem Heiligen Krieg, wenn Blauhelme ins Land kämen. Gerade hat es einer Verlängerung des AU-Mandats, das eigentlich Ende September ablaufen sollte, zugestimmt. Dabei weiß Präsident Umar Hassan al-Baschir ganz genau, dass dann seine Regierung ihre blutige Offensive im Norden Darfurs ungestraft fortsetzen kann, weil AU-Soldaten kaum eingreifen, wenn in Darfur gemordet wird.

Dabei hatten die Vereinten Nationen gerade noch die Bildung einer 17.000 Mann starken Blauhelmarmee für Darfur beschlossen. UNO-Mann Jan Egeland, der Chef der Humanitären Einsätze: „Massenmord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnische Säuberung – das alles ist vor Ort sehr sichtbar.“ Aber die Welt sieht eben nur zu. Jetzt sollen die AU-Soldaten bis 2007 bleiben. Dann, so heißt es in New York, kommt eventuell eine Uno-Truppe.

Die Amerikaner und Franzosen kündigen an, zur Not auch ohne die Einwilligung der Sudanesen in Darfur einzurücken. Dann droht erst recht eine Eskalation. Ein Dschihad, Kämpfe auch im Osten des Landes. Mit einer deutschen Beteiligung ist bei einem solchen Waffengang ohnehin nicht zu rechnen. Die Lage ist verfahren.

Ab November droht schwere Hungersnot im ganzen Land
Spätestens ab November 2006 befürchtet Johan van der Kamp von der Deutschen Welthungerhilfe „eine schwere Hungersnot im ganzen Land“. Der Holländer pendelt ununterbrochen zwischen den Flüchtlingslagern bei El Fascher in Darfur und der Hauptstadt Khartum hin und her. Mit Karten, auf denen penibel jede größere Ansammlung Vertriebener markiert wurde, ist sein Büro tapeziert.

Ständig werden es mehr rote und grüne Punkte, Striche und Pfeile. Allein seit Anfang des Jahres sollen 200.000 Menschen aus ihren Dörfern im „gesetzlosen Land“ („New York Times“) vertrieben worden sein. „Warum tun wir nicht endlich etwas?“, klagt van der Kamp. „Warum sehen wir nach Bosnien und Ruanda erneut tatenlos zu, wie Hunderttausende massakriert und verjagt werden?“

„Tausende von Dörfern sind zerstört“, sagt auch Alex de Waal, Darfur-Spezialist und Berater der Afrikanischen Union bei den Friedensverhandlungen der verschiedenen Kriegsparteien in Abuja, „auch wenn die Todesraten nicht mehr so hoch sind wie auf dem Gipfel der Auseinandersetzungen im Jahr 2004, lebt ein Großteil der Bevölkerung nach wie vor von Tag zu Tag, von der Hand in den Mund, abgeschnitten von den traditionellen Überlebensstrategien, in heruntergekommenen Lagern, wo das Überleben von fortgesetztem internationalen Interesse und Engagement abhängt.“

USA und EU handlungsunfähig
Doch wer soll es richten, nachdem die Afrikanische Union so kläglich versagt hat? Das Problem ist, daß die Amerikaner nahezu handlungsunfähig sind, seit sie den Irak in ein Schlachtfeld zügelloser Glaubenskrieger verwandelt haben und deshalb nicht in der Lage scheinen, ihre Truppen dort abzuziehen und woanders einzusetzen. Die zutiefst pazifistische und innerlich zerstrittene Europäische Union jedoch kann traditionsgemäß nicht, selbst wenn sie wollte. Sie ist einfach unfähig, Dinge zu entscheiden.

Die Afrikanische Union will erst gar nicht, sie hat es auf das Geld des reichen Westens abgesehen und nicht auf die Befriedung ihrer Mitgliedsstaaten. Deshalb erzählen ihre Vertreter stets, was die Minister in den „Geberländern“ hören und wofür sie gerne bezahlen wollen.

Die Vereinten Nationen haben längst jede Glaubwürdigkeit verloren: In Bosnien, wo sie ihre eigene Soldaten von Pflaumenschnaps saufenden Tschetniks an Laternenpfähle binden ließen und mit den Killern auf den Untergang Srebrenicas anstießen, während ihre Schutzbefohlenen zu Tausenden hingerichtet wurden, und in Ruanda, wo sie schnell Reißaus nahmen, ehe das ganze Land im Blut versank.

Irgendein Mitglied findet sich immer, das blockiert. Im Fall des Sudan verhindern Russen und Chinesen jede drastische Maßnahme gegenüber dem Schurkenstaat: die einen verkaufen den Sudanesen ihre Mig-Kampfflugzeuge, die anderen beziehen viel Öl aus dem afrikanischen Land.

Zum Dschihad bereit
Darfur werde zum „Friedhof der Imperialisten“, tönt Umar al-Baschir und ruft zu Massendemonstrationen gegen einen möglichen Einsatz der Uno in Darfur auf; der Führer der Nationalen Jugendgewerkschaft, Al-Yasa'a Osman, erklärt seine Anhänger gar zum Dschihad bereit, und sein Kollege Mohammed Abdallah Sheik Idris setzt öffentlich und ungestraft 100.000 US-Dollar „aus dem großen Vermögen der Studenten-Union“ („Khartoum Monitor“) auf den Kopf des UNO-Sonderbeauftragten Jan Pronk aus. „Sie sprechen von Neokolonialismus und Imperialismus und einer Verschwörung gegen die Araber und die islamische Welt“, berichtete der UNO-Botschafter nach Gesprächen in Khartum.

Droht da gar ein Religionskrieg wie Ende des Neunzehnten Jahrhunderts, als der „rechtgeleitete“ Mahdi den Sudan zu Allahs Schlachtfeld erkor, Briten, Türken und Ägypter aus dem Land, in dem blauer und weißer Nil zusammenfließen, jagte und bei seinen Raubzügen, wie der österreichische Chronist Rudolph Slatin Pascha notierte, „über 40.000 Gewehre und ungeheure Scharen wilder Fanatiker verfügte, die nach Blut und Gewinn lechzten?“ Die für Heilige Kriege sensibilisierte arabische Nachbarschaft verfolgt mit wachsender Aufmerksamkeit, was sich da im Sudan zusammenbraut. Sollte die Nato Truppen in den Sudan schicken, „würde das verständlicherweise als eine Verletzung der nationalen Souveränität betrachtet werden und einen vorhersehbaren Gegenschlag der Einheimischen auslösen“, warnt die in Kairo erscheinende „Egyptian Gazette“.

„Alle fremden Truppen sind Kolonialisten“
Oder ist es nur großspuriges Getöse, wenn Fathi Khalil, der Vorsitzende der Bar-Vereinigung, einer Khartumer Juristenorganisation, tönt, alle fremden Truppen, „Araber oder Nichtaraber, Afrikaner oder Nichtafrikaner“, würden als Kolonialisten betrachtet und sollten „sich noch wundern“, was ihnen im Sudan blühe? Verstärkt klagen Hilfswerke: „Die Sicherheitslage für humanitäre Helfer hat sich extrem verschärft.“ Allein im Juli wurden in Darfur acht Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Am 19. August wurden zwei AU-Soldaten achtzig Kilometer nordöstlich von El Fascher bei einem Feuergefecht getötet.

Auch „Amnesty International“ ist ratlos: „Die Zivilbevölkerung und Hilfsorganisationen sind den Angriffen der Dschandschawid-Milizen und der Regierungstruppen, aber auch der verschiedenen Oppositionsgruppen hilflos ausgeliefert. Der Friedensprozess ist am Nullpunkt, gleichzeitig weitet sich die humanitäre Katastrophe in ungeahntem Maß aus.“ Die Afrikanische Union hat mittlerweile, nachdem sie einst trotzig darauf bestand, den Darfur-Konflikt ganz alleine lösen zu dürfen, die Nase voll. Sie würde das Mandat am liebsten sofort an die Vereinten Nationen übertragen.

Khartum jedoch lässt sich wieder einmal Zeit. Außenminister Lam Akol, der Dinka, findet nach wie vor, die UNO habe nichts zu suchen in Darfur. Kabinettskollegen des Südsudanesen sagen heute, über einen UNO-Einsatz ließe sich verhandeln, und morgen meinen sie, ein solcher wäre mindestens ein Grund für einen Dschihad.

In Darfur droht eine Tragödie, und es sieht derzeit nicht so aus, als könne das noch jemand verhindern. Die Welt scheint paralysiert angesichts der Widerborstigkeit des Regimes in Khartum, ausländische Truppen ins Land zu lassen, und die Afrikanische Union wird gewiss nichts unternehmen; sie hat sich erfolgreich auf die Akquise westlicher Steuergelder spezialisiert und riskiert bestimmt keinen Konflikt mit einem ihrer Mitgliedsstaaten.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de