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Indien: Umweltbelastung – Wo die Atemmaske zum Alltag gehört

Meldung vom 12.03.2015

Sie wurde zur dreckigsten Stadt Indiens gekürt: In Vapi haben sich Chemieindustrie, Pharmawerke und Färbereien angesiedelt. Sie alle sorgen für enorme Luftverschmutzung und verunreinigen den Fluss mit Chemikalien. Trotzdem setzen sich die Einwohner dafür ein, dass die Umweltauflagen sogar noch abgemildert werden.

Kavyr atmet schwer und weint. „Ich will die Maske nicht tragen“, bittet er seine Mutter Sunal, doch die kennt kein Erbarmen: Der Viereinhalbjährige litt am Morgen wieder unter einem Asthmaanfall. Deshalb wurde er ins Krankenhaus gebracht, deshalb muss er inhalieren, sein Widerstreben wird ignoriert. „Seit seiner Geburt hat mein Sohn diese Anfälle. Sein älterer Bruder auch“, berichtet Sunal. Sie ist sich darüber bewusst, was die Symptome ihrer Kinder ausgelöst hat: „Natürlich ist die Umweltverschmutzung hier in Vapi schuld“, meint die Mutter.

Vapi, ein Ort mit 160.000 Einwohnern, ist an Umweltverschmutzung nicht zu überbieten: Es ist der dreckigste Ort Indiens. Nirgendwo sonst ist die Luft so verschmutzt, das Grund- und Flusswasser so mit Schadstoffen kontaminiert. Denn obwohl klein, ist Vapi mit 1.400 Betrieben ein prosperierender Industriestandort. Seit den Siebzigerjahren werden hier in einer eigens eingerichteten Industriezone Medikamente, Dünger, Pestizide, Farben – und Unmengen von Umweltgiften hergestellt. Seit 2010 rangiert das 170 Kilometer nördlich von Mumbai gelegene Städtchen deshalb ganz oben auf einem negativen Umweltindex der indischen Regierung: Seither ist die Neuansiedlung von neuen Industrien und die Expansion der bestehenden Betriebe hier untersagt.

Man sollte meinen, dass die Einwohner diese Reglementierung begrüßen. Doch viele von ihnen wünschen im Gegenteil, man solle die Auflage wieder rückgängig machen. „Mein Mann arbeitet in einer der Färbereien hier. Wir dürfen die Industrien nicht aus Vapi vertreiben“, meint Sunal, während ihr Sohn Heildämpfe aus dem Inhalationsgerät verabreicht bekommt. „Die Regierung muss unsere Arbeitsplätze schützen. Erst die Menschen, dann die Umwelt“, betont die Mutter.

Das Motto der Menschen hier ist „Lieber krank als hungrig“. Viele der 270 Millionen als arm geltenden Inder haben keinen anderen Ausweg, als sich dieses Motto zu eigen zu machen. Für ein Gehalt schippen sie dann zum Beispiel in Vapi beim Düngemittelhersteller United Phosphors giftgrüne Chemikalien in Säcke, nur mit einem Papier-Mundschutz ausgerüstet. Die Menschen hier könnten sich Protest gegen die Zustände nicht erlauben, sagt ein Arzt in der Klinik, in der Sunals Sohn gepflegt wird. „Alle hier arbeiten für die Industrie. Sogar die Krankenhäuser werden von den Firmen finanziert. Wer den Mund aufmacht, wird gefeuert“, gibt der Mediziner zu, der aus Angst um die eigene Position seinen Namen nicht nennen will.

Wirtschaftswachstum steht in Indien an erster Stelle. Wenn Indien die ersehnten Jobs schaffen will, muss es die Industrie ausbauen – zur Not auch dreckige, meinen Wirtschaftsvertreter. „Einer muss doch die Dünger und Chemikalien für den Weltmarkt herstellen. Weil es ein schmutziges Geschäft ist, wollt ihr das in Europa nicht mehr machen“, kritisiert Tarun Patel, der früher ein kleines Pharmaunternehmen in Vapi leitete und der heute sein Geld als Finanzberater verdient. „Wir können es uns nicht leisten, zimperlich zu sein.“

Selbst diejenigen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, können dem Druck der Arbeit fordernden Massen nicht standhalten. „Man muss darauf hören, was die Menschen wollen“, räumt Indiens Umweltminister Prakash Javadekar ein. „Wir müssen wachsen. Die Ausmerzung von Armut hat oberste Priorität“, unterstreicht der Minister. Die Regierung sei dafür zuständig, den Spagat zwischen Entwicklung und Umweltschutz zu schaffen.

Das ist eine schwere Herausforderung. Die Zustände sind nicht nur in Vapi katastrophal. Die Luftverschmutzung in Neu-Delhi ist nach vielen übereinstimmenden Studien inzwischen weit alarmierender als in Peking und führt zu langfristigen Gesundheitsschäden. Indien muss sich mit der höchsten Rate an Todesfällen wegen chronischer Lungenerkrankungen auseinandersetzen, 1,5 Millionen Inder sterben jährlich daran. Im vergangenen Jahr machte die Weltgesundheitsorganisation 13 der 20 schmutzigsten Städte der Welt in Indien aus. Bisher hat sich die indische Regierung geweigert, an den Welt-Klima-Zielen mitzuarbeiten.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Indien, Umweltverschmutzung, Luftverschmutzung, Gifte, Industrie, Städte, Wirtschaft, Wirtschaftswachstum, Chemie, Chemikalien, Grundwasser, Arbeit, Arbeitslosigkeit, Hunger, Krankheiten, Lungenerkrankungen, Todesfälle, Dünger, Pestizide, Farben, Armut, Neu-Delhi, Klima, Kliawandel, Atemmaske